2. Korinther 13,11-13 | Fest der allerheiligsten Dreieinigkeit (Trinitatis) | Pfr. Dr. Martens

„Ich habe da mal eine theologische Frage“, so kam der Verwaltungsrichter am vergangenen Mittwoch nach der Gerichtsverhandlung auf mich zu. „Ich hatte neulich hier eine Verhandlung mit einem Zeugen Jehovas. Und der lehnte den Glauben an die Dreieinigkeit Gottes ab. Der sagte: Jesus hat doch zu Gott gebetet. Also ist es ganz klar, dass Jesus nicht Gott sein kann, wenn er zu Gott betet, oder? Ist doch eigentlich logisch, was die Zeugen Jehovas da sagen, nicht wahr?“ Ja, wie sollte ich zwischen Tür und Angel nach sechs Stunden Gerichtsverhandlung einem Richter kurz mal die Dreieinigkeit Gottes erklären? Es war ja sehr erfreulich, dass er danach fragte; aber es war offensichtlich, dass ich jetzt nicht sechzig Minuten Zeit haben würde, um den Richter in die Tiefen des christlichen Bekenntnisses zur allerheiligsten Dreifaltigkeit Gottes einzuführen. So antwortete ich ihm nur kurz: Der Gott, an den wir glauben, ist nicht ein logischer Gott, den wir mit unserer begrenzten Vernunft erfassen können. Sondern dieser Gott ist ein lebendiger Gott, der in sich ganz und gar Gemeinschaft ist. Sehr viel weiter kam ich nicht, denn der Richter wollte den Verhandlungssaal abschließen und in sein Büro zurückkehren. Hätte ich mehr Zeit gehabt, dann hätte ich vielleicht mit ihm auch über die Worte unserer heutigen Predigtlesung sprechen können, in denen ganz wunderbar zum Ausdruck kommt, was die Dreieinigkeit Gottes mit uns, mit unserem Leben zu tun hat.

Da hatte sich der Apostel Paulus in seinem zweiten Brief, den er an die Korinther geschrieben hatte, mit den Gemeindegliedern in Korinth ziemlich gefetzt. Da hatten einige Gemeindeglieder ihn, den Paulus, ziemlich schlecht gemacht, hatten den anderen erzählt, dass der Paulus gar nicht so richtig den Heiligen Geist habe, sonst würde er nämlich nicht dauernd krank sein und so langweilig predigen. Und darauf hatte der Paulus ziemlich heftig reagiert, nicht, weil er sich persönlich beleidigt fühlte, sondern weil er sah, dass diese Leute in Korinth eine ganz andere Botschaft verbreiteten als die, die er dort anfangs verkündigt hatte. Doch Paulus will die Korinther nicht verlieren, will nicht den Kontakt mit ihnen abbrechen. Wie kann er trotz all dessen, was zwischen ihnen stand, die Gemeinschaft mit ihnen aufrechterhalten, ja neue Gemeinschaft ermöglichen?

Paulus ist klar: Das geht nur, wenn wir gemeinsam aus der Gemeinschaft leben, die uns trägt und verbindet, aus der Gemeinschaft, die nicht von unseren menschlichen Gefühlen und Sympathien abhängt, das heißt: aus der Gemeinschaft mit Gott. Und dann spricht er von dem dreieinigen Gott, spricht davon, wie dieser dreieinige Gott auch die Gemeinschaft zwischen uns Menschen stiftet und trägt.

Logisch, vernünftig soll der Gott sein, an den sie glauben – so wünschen es sich Zeugen Jehovas und Muslime gleichermaßen. Doch was habe ich von einem logischen, vernünftigen Gott, wenn er ganz weit weg ist von mir, wenn ich von ihm nur weiß, dass er unendlich größer ist als ich? Was habe ich von einem logischen, vernünftigen Gott, wenn ich ahne, dass ich mich in meinem Leben oft genug nicht so verhalten habe, wie es dem Willen dieses Gottes entspricht? Es geht bei Gott doch um unendlich mehr als nur darum, dass meine Bedürfnisse nach Logik befriedigt werden. Es geht darum, ob ich von diesem Gott für immer getrennt bleibe oder nicht.

Und da stellt uns der Apostel Paulus nun hier am Schluss seines 2. Korintherbriefes einen Gott vor Augen, der so völlig anders ist als der logische und vernünftige Gott der Zeugen Jehovas oder des Islam. Er stellt uns einen Gott vor Augen, der alles daransetzt, eine Beziehung zwischen sich und uns zu stiften, eine Beziehung, die gekennzeichnet ist durch Gnade, durch Frieden, durch Liebe, durch Gemeinschaft.

Gnade – das ist so ein Wort, das heute meist nur noch in der Kirche verwendet wird und das für unser Leben doch von so entscheidender Bedeutung ist: Gnade – das heißt: Ich werde geliebt und angenommen nicht aufgrund dessen, was ich in meinem Leben geleistet habe und vorbringen kann, nicht aufgrund dessen, dass ich in meinem Leben immer alles richtig gemacht habe. Sondern ich werde geliebt und angenommen ohne jede Vorleistung von meiner Seite, ohne dass ich etwas getan habe, das diese Liebe und Annahme verdient hätte. Ich werde geliebt und angenommen, obwohl es offenkundig ist, dass ich in meinem Leben versagt habe, schuldig geworden bin, den enttäuscht und verletzt habe, auf dessen Liebe und Annahme ich doch angewiesen bin. Ja, auf solche Gnade sind wir schon im Umgang mit anderen Menschen immer wieder angewiesen. Aber von dieser Gnade hängen wir eben voll und ganz ab in unserer Beziehung zu Gott. Da können wir uns nichts verdienen und erarbeiten, da können wir auch nichts mehr wiedergutmachen, worin wir versagt haben. Entweder erfahren wir Gnade – oder wir sind verloren. Und da redet der Apostel Paulus in seinen Briefen nun immer und immer wieder von der Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Damit macht er klar: Es ist nicht mehr unklar, ob Gott uns gnädig ist, ob er sich uns so ohne jede Vorleistung von unserer Seite zuwendet. In Jesus Christus hat er uns gezeigt, dass er das Verhältnis zwischen sich und uns wieder in Ordnung gebracht hat, dass nichts mehr zwischen ihm und uns steht. Nein, das ist nicht logisch, dass Jesus für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist. Solche Gnade widerspricht jeglicher menschlichen Vernunft. Aber sie bringt zum Ausdruck, wer Gott wirklich ist: einer, der den allerhöchsten Preis zu zahlen bereit war, nur damit wir mit ihm für immer leben dürfen. Ja, wie gut, dass wir an solch einen Gott glauben dürfen, der nicht nur einen Propheten oder einen guten Menschen zu uns geschickt hat, sondern selber Mensch geworden ist, um sich zu unseren Gunsten ganz und gar festzulegen: Ja, zwischen Gott und uns steht nur eins: seine Gnade, die Brücke, die uns und Gott miteinander verbindet.

Liebe – das ist das Zweite, was das Verhältnis zwischen Gott und uns bestimmt. Von der Liebe Gottes redet der Apostel hier. Das mag beim ersten Hinhören schon etwas abgelutscht klingen, doch in Wirklichkeit ist dies entscheidend wichtig zum Verständnis dessen, wer Gott in Wirklichkeit ist, wer er als der dreieinige Gott in Wirklichkeit ist: Er ist, wie Martin Luther es so schön formuliert hat, ein glühender Backofen voller Liebe. Die Liebe ist nicht nur eine Eigenschaft Gottes neben vielen anderen auch, sie ist nicht nur eine spontane Emotion, die manchmal bei Gott hervorbricht, sondern Liebe ist das Wesen Gottes. In dieser Liebe sind Vater, Sohn und Heiliger Geist der eine Gott, und in diese Liebe will Gott der Vater uns auch durch seinen Sohn hineinziehen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus ist keine kalte Gnade, sondern sie ist durchdrungen von der heißen Liebe Gottes, die uns an sein Herz zieht. Ach, wie gut, dass wir nicht einfach nur an einen logischen Gott glauben!

Gemeinschaft – das ist das Dritte, was die Beziehung zwischen Gott und uns bestimmt. Gottes Liebe wirkt sich darin aus, dass er uns tatsächlich in seine Gemeinschaft hineinzieht. Dazu sendet der Sohn den Heiligen Geist, damit der Heilige Geist uns zu ihm, Christus, führt und wir durch Christus in die ewige Liebe Gottes hineingezogen werden. Gott will nicht für sich bleiben, schön ungestört, nur umgeben von frohlockenden Engeln. Sondern er will uns mit dabei haben in der ewigen Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Ja, christlicher Glaube heißt Gemeinschaft – nicht zuerst und vor allem nette Gemeinschaft untereinander, sondern leibhaftige Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott. Das ist viel mehr als einfach nur etwas zu verstehen oder für richtig zu halten. Ja, das ist viel mehr als einfach nur Logik. Das ist in Wirklichkeit unsere Rettung, unsere ewige Zukunft, so wunderbar, dass wir immer wieder ins Stammeln geraten, wenn wir es mit unseren Worten zu beschreiben versuchen.

Und natürlich wirkt sich diese Gemeinschaft mit dem lebendigen, dreieinigen Gott dann auch in unserem Miteinander in der christlichen Gemeinde aus: Wenn wir alle miteinander von der Gnade unseres Herrn Jesus Christus leben, wie sollten wir dann noch den Bruder, die Schwester in der Gemeinde richten, über sie urteilen sollen? Wie sollten wir da noch sagen: Ich suche mir eine andere Gemeinde, in der mir alle Gemeindeglieder passen, wenn wir doch selber davon leben, dass Gott sich nicht von uns zurückgezogen hat, sondern bei uns bleibt, ja uns vergibt, auch wenn wir ihn noch so oft enttäuscht haben?

Wenn Gott die Liebe ist und uns in seine Liebe hineinzieht, wie sollte etwas anderes als Liebe unseren Umgang miteinander bestimmen? Liebe heißt ja nicht, dass wir einander nicht zurechtbringen – im Gegenteil: Genau dazu fordert der Apostel die Christen in Korinth hier am Ende ja auf. Aber es geht beim Zurechtbringen nicht darum, selber Recht zu behalten, sondern den anderen in Liebe für Christi Wort und Willen zu gewinnen.

Und wenn der Heilige Geist Gemeinschaft stiftet – wie sollten wir uns dann dieser Gemeinschaft entziehen und behaupten, wir könnten auch für uns ganz allein ohne Kirche, ohne Gemeinde Christen sein? Das geht nicht und wird niemals gehen, weil wir uns ohne Kirche eben auch vom Wirken des Heiligen Geistes abschneiden würden!

„Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss“ – So schreibt der Apostel hier. Der heilige Kuss wurde im Gottesdienst jeweils vor dem Empfang des Leibes und Blutes Christi ausgetauscht, damit klar war: Wir empfangen den Leib und das Blut unseres Herrn versöhnt miteinander. Es geht nicht anders: Ich kann nicht das Sakrament empfangen und zugleich in meinem Herzen unversöhnlich gegenüber einem Bruder, einer Schwester sein. Im Empfang des Leibes und Blutes Christi erfahren wir im Allertiefsten, was es heißt, dass unser Gott der dreieinige Gott ist: Wir empfangen mit den Leib und Blut unseres Herrn seine Gnade, werden erfüllt mit der Liebe Gottes und eingebunden in die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Ja, unser Zusammenleben in der Gemeinde, gerade auch in solch einer großen Gemeinde wie der unsrigen, liegt begründet im immer neuen Empfang des Heiligen Mahles, in der immer neuen Aufnahme in die Liebesgemeinschaft des dreieinigen Gottes. Hier am Altar erleben wir: Das mit dem dreieinigen Gott ist keine spinnerte Theorie, sondern lebendige Realität, die sich auswirkt in unserer Gemeinde. Ja, die Bindung an den dreieinigen Gott, sie kann auch Entzweiungen in der Gemeinde heilen, zerbrochene Gemeinschaft wieder neu stiften. Ach, wie gut, dass sich uns der lebendige Gott so zu erkennen gegeben hat, dass wir so aus seiner Gnade, aus seiner Liebe, aus seiner Gemeinschaft leben dürfen! Es muss nicht gleich ein Kuss sein – aber wenn sich das auch noch nachher beim Mittagessen auswirkt, was wir hier am Altar erfahren, dann haben wir verstanden, warum dieses Trinitatisfest heute feiern! Amen.

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