2. Petrus 1,16-21 | Letzter Sonntag nach Epiphanias | Pfr. Dr. Martens

„Es gibt gar keine Corona-Pandemie! Das ist alles nur eine harmlose Grippe, die von irgendwelchen dunklen global organisierten Mächten missbraucht wird, damit sie uns unter ihre Herrschaft zwingen und uns unsere Freiheit nehmen!“ – Immer wieder kann man in diesen Tagen und Wochen solche abstrusen Behauptungen hören und lesen, und es gibt auch in unserem Land genügend Menschen, die sich ihre Informationen nur noch aus solchen Quellen beschaffen und sich so immer wieder neu in ihrer eigenen Gewissheit bestärken lassen, dass sie die letzten sind, die im Kampf gegen ein totalitäres Regime noch den Mut haben, dagegen aufzustehen und zu protestieren.

Und dann gibt es diejenigen, die in unserem Land politisch das Sagen haben und so gerne alles, was sie tun und beschließen, als „alternativlos“ hinstellen, die niemals zugeben würden, dass sie auch mal einen Fehler gemacht haben, und bei denen man mitunter den Eindruck hat, dass es für sie viel schlimmer ist, wenn die Corona-Zahlen in unserem Land sinken, als wenn sie steigen, weil sie dann ja ihre Entscheidungen noch einmal ganz anders begründen müssten. Schlechte Nachrichten sind da sehr viel willkommener.

Und da sitzen wir nun zwischen all diesen Weltuntergangspropheten, die uns von allen Seiten mit ihren schlechten Nachrichten beschallen, und fragen uns, was wir denn nun selber denken sollen, ob es da nicht doch etwas anderes gibt, woran wir uns halten können, als diese Meldungen, bei denen wir so deutlich ahnen, wie sehr sie interessegeleitet sind. Ja, woran können wir uns halten in diesen Corona-Zeiten, wenn uns so viele scheinbar selbstverständliche Gewissheiten abhandengekommen sind?

Hochaktuell sind auf diesem Hintergrund die Worte unserer heutigen Predigtlesung aus dem 2. Petrusbrief. Da lesen wir nämlich, dass es ganz ähnliche Fragen und Einwände, wie wir sie heute haben, auch schon damals vor knapp 2000 Jahren gab: Auch da fragten sich Leute, ob die Informationen, die ihnen da serviert wurden, nicht doch alle nur Fake News waren, ob da nicht nur Leute ihren eigenen persönlichen Interessen folgten und ihren eigenen persönlichen Vorteil in dem suchten, was sie angeblich als unumstößliche Wahrheit verkündigten. Und auch das ist hochaktuell, dass sich diese kritischen Einwände damals schon gegen die christliche Verkündigung richteten und deren Glaubwürdigkeit in Frage stellten: Sind das nicht alles nur ausgedachte Geschichten, „ausgeklügelte Fabeln“, wie Luther hier übersetzt, die da von den Aposteln verkündigt werden? Haben die Propheten, deren Schriften wir im Alten Testament finden, nicht letztlich doch nur ihre eigene persönliche Meinung zum Besten gegeben und darüber dann noch etwas religiöse Soße gegossen? Warum sollten wir ausgerechnet dem folgen, was sie uns verkündigen?

Die Worte unserer heutigen Predigtlesung sind gerade hier in Deutschland so besonders brisant, weil man ehrlicherweise zugeben muss, dass ein großer Teil der heutigen Kirchenvertreter mittlerweile auf der Seite der Kritiker steht, gegen die sich der Apostel Petrus hier in diesen Versen wendet. Man müsste einmal die Bischöfinnen und Bischöfe der evangelischen Landeskirche in Deutschland fragen, ob sie persönlich wirklich glauben, dass damals Petrus und Jakobus und Johannes auf dem Berg gesehen haben, dass Jesus verklärt wurde und geleuchtet hat wie die Sonne und dazu auch Mose und Elia erschienen sind und mit Jesus geredet haben. Ich denke, ich nehme den Mund nicht zu voll, wenn ich behaupte, dass die meisten kirchlichen Würdenträger versuchen würden, sich um eine klare Antwort zu drücken, sich winden würden wie eine Schlange und versuchen würden, mit dem Abwurf einiger Nebelkerzen diesen Fragen zu entkommen. Und wenn man die Theologieprofessoren an den Universitäten fragt, die die künftigen Pastoren ausbilden, ob sie dies wirklich glauben, dann wird die Antwort in aller Regel noch ehrlicher ausfallen: Nein, sie glauben es nicht; das sind Mythen, „Fabeln“, bei denen es doch nur darum geht, in ihnen einen tieferen Sinn zu entdecken. Und wie dieser tiefere Sinn dann aussehen könnte, das habe ich in dieser Woche mal wieder bei der Lektüre einer beliebten Predigtvorbereitungshilfe gesehen: Da wird den Pastoren geraten, statt über die Verklärung Christi über die Verklärung des Menschen zu predigen, darüber, wie wichtig es doch ist, den unendlichen Wert jedes einzelnen Menschen zu betonen. Dann ist der Schritt auch nicht mehr sehr weit bis dahin, dass man damit dann auch die Absage von Gottesdiensten und die Schließung von Kirchen in diesen Corona-Zeiten begründet: Weil die Menschenleben so wichtig sind, ziehen sich die Kirchen mit ihrer Botschaft lieber für eine Weile oder vielleicht auch gleich ganz aus der Öffentlichkeit zurück.

Doch der Apostel Petrus macht uns hier in unserer Predigtlesung sehr eindrücklich deutlich: Wenn wir uns selber vielleicht auch nicht so ganz sicher sind, ob das nicht alles nur ausgedachte Geschichten sind, die wir da verkündigen, wenn wir die Geschichten der Bibel nur noch als Sprungbrett benutzen, um von ihnen aus den Leuten irgendwelche Allerweltsweisheiten zu verkündigen, auf die sie auch ohne die Verkündigung der Kirche ganz gut gekommen wären, wenn wir die Bibel nur noch als Zusammenstellung der persönlichen religiösen Ansichten verschiedener antiker Personen ansehen, dann können wir in der Tat einpacken, dann haben wir den Leuten wirklich nichts mehr zu sagen und zu bieten, auch und gerade heute nicht in diesen emotional so aufgeladenen Zeiten.

Doch Petrus und mit ihm all die Verfasser des Neuen Testaments machen uns sehr eindrücklich klar, dass sie nicht einfach nur irgendwelche hübschen Geschichtchen erzählen, um bei den Leuten vielleicht irgendwelche schönen religiösen Empfindungen hervorzurufen. Sondern Petrus und die anderen Apostel erheben den Anspruch, von einer Realität zu berichten, die sie persönlich als Zeugen miterlebt haben und die tatsächlich all das, was wir auch und gerade jetzt in unserem Leben im Lockdown erfahren, noch einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Von Christus erzählen die Apostel, nein, nicht von einem Fabelwesen, sondern von einem Menschen, den sie gehört, gesehen, angefasst haben, der keine Idee ist, sondern leibhaftige Realität. Von Christus erzählen die Apostel, der doch zugleich nicht nur wahrer Mensch ist, sondern zugleich auch wahrer Gott, er, Christus, in dem sich Gott, in dem sich der Himmel finden lässt, er, Christus, der mit seinem Kommen in diese Welt deutlich macht, dass diese Welt mit all ihren Nöten und Problemen nicht alles ist, nicht das Letzte ist, sondern dass es da eine ganz andere, eine ganz neue Welt gibt, in die damals Petrus und Jakobus und Johannes schon einmal einen kurzen Augenblick hineinschauen durften, die eben keine Utopie ist, sondern genau dort ist, wo Christus ist. Ja, von Christus erzählen die Apostel, der mit seiner Auferstehung ein Loch in die Wand zwischen unserer dunklen Welt und jener Welt voller Licht gerissen hat, sodass all das, was wir jetzt gerade erfahren, in der Tat nicht alles, nicht die ganze Wirklichkeit ist, sondern nur ein kleiner Teil dessen, was sich einmal als die ganze Wirklichkeit herausstellen wird.

Ja, davon berichten die Apostel, davon haben sie nicht nur mündlich gepredigt, sondern wir haben ihr Wort in der Heiligen Schrift, dürfen davon überzeugt sein, dass ihr Wort wie das Wort der Propheten des Alten Testaments wirklich Gottes Wort ist, gewirkt durch den Heiligen Geist selber.

Nein, wir haben es als Christen nicht nötig, einfach nur das zu wiederholen, was uns andere als letzte Weisheit verkündigen, wir haben es weder nötig, irgendwelchen Verschwörungstheoretikern zu folgen, noch haben wir es nötig, alles, was uns von politischer Seite vorgesetzt wird, ergeben als alternativlos zu akzeptieren. Nein, das haben wir nicht nötig, weil wir uns als Christen nicht an diese Welt als unseren letzten Halt, als unseren letzten Aufenthaltsort klammern, sondern ganz gelassen wissen, dass wir als Christen Migranten sind, Menschen, deren Heimat ganz woanders ist, eben dort, wo das Licht ist, dort, wo Christus ist.

Der Petrus betont das hier so mit Nachdruck, dass er Christus wirklich in seiner ganzen Herrlichkeit gesehen hat, weil er seinen Zuhörern deutlich machen will, dass sie genauso real, wie er damals Christus gesehen hat, auch einmal Christus sehen werden, wenn er wiederkommt, dass auch die Wiederkunft unseres Herrn nicht einfach bloß ein Mythos oder ein netter Gedanke ist, sondern sich als noch viel realer und aussagekräftiger herausstellen wird als jede Corona-Statistik.

Eben darum fallen wir als Christen nicht auf irgendwelche wirren Verschwörungstheorien herein, und eben darum lassen wir uns zugleich auch nicht von irgendwelchen Schreckensmeldungen durcheinanderbringen, sondern nehmen ganz nüchtern wahr, dass wir in dieser Welt Tag für Tag der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus entgegengehen. Nüchternheit und Gelassenheit – das ist es, was wir in diesen Tagen und Wochen brauchen, Nüchternheit und Gelassenheit, die uns davor bewahren, nur noch gelähmt zu sein, und uns im Gegenteil ermöglichen, auf das zu schauen, was den Menschen gerade jetzt dient, was sie gerade jetzt brauchen. Hoffnung wollen wir als Christen mit unserem Reden und mit unserem Handeln verbreiten – Hoffnung nicht auf ein Ende der Pandemie, sondern Hoffnung auf das Licht, das uns am Ziel unseres Lebens erwartet und dem wir doch auch jetzt schon leibhaft begegnen dürfen hier im Heiligen Mahl. Denn auch hier im Heiligen Mahl geht es nicht bloß um irgendwelche frommen Geschichten, nicht bloß um irgendwelche Gedanken und Ideen, sondern um leibhaftige Realität, um den Leib und das Blut desselben Herrn, den Petrus und Johannes und Jakobus damals auf dem Berg schon in seiner ganzen Herrlichkeit geschaut haben und vor dem einmal alle Menschen niederfallen werden, wenn sie ihn einmal mit eigenen Augen schauen werden. Nein, das sind keine Fake News, das ist Hoffnung, die trägt, die sich als tragfähig erweist – auch und gerade in diesen dunklen Lockdown-Wochen. Ja, es geht dem Licht entgegen! Amen.

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