2. Petrus 1,2-11 | Aschermittwoch | Pfr. Dr. Martens

Für unsere Schwestern und Brüder aus dem Iran und Afghanistan war und ist der Fastenmonat Ramadan oftmals eine besonders schlimme Zeit: Wer sich schon im Iran vom Islam abgewandt hatte, hatte es im Ramadan immer besonders schwer, nicht aufzufallen, wenn man bei der islamischen Glaubenspraxis nicht mitmachte, wenn man dann doch heimlich tagsüber etwas trank oder sich nicht am Morgengebet vor Sonnenaufgang beteiligte. Und jetzt hier in Deutschland ist der Ramadan die Zeit, in der konvertierte Christen in besonderer Weise in ihren Asylbewerberheimen bedroht und schikaniert werden, wenn sie sich dort nicht Allahs Willen unterwerfen und die Gesetze des Ramadan einhalten.

Heute beginnt nun die christliche Fastenzeit. Doch vor der muss weder ein Christ noch ein Muslim noch ein Atheist irgendwelche Angst haben. Es geht in der Fastenzeit nicht darum, dass wir irgendwelche kirchlichen Gesetze einhalten müssen, geschweige denn, dass wir diese anderen, die unseren Glauben nicht teilen, aufzwingen würden. Worum es jetzt in der christlichen Fastenzeit geht, macht uns die Epistel aus dem 2. Petrusbrief vielmehr sehr eindrücklich deutlich: Es geht darum, dass wir in dieser Zeit unseren Glauben in besonderer Weise vertiefen. Und dafür gibt uns der 2. Petrusbrief hier gleich eine Reihe von wichtigen Hinweisen an die Hand:

Zunächst und vor allem soll die Fastenzeit dazu dienen, dass wir wieder neu wahrnehmen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Ganz betont setzt der 2. Petrusbrief zu Beginn gleich doppelt mit einem Hinweis auf Gottes Geschenke an: Geschenkt ist uns von Gott alles, was zum Leben und zur Frömmigkeit dient; geschenkt sind uns von Gott die teuren und allergrößten Verheißungen, damit wir dadurch Anteil bekommen an der göttlichen Natur.

Was damit gemeint ist, das müssen wir uns jetzt in dieser Predigt noch einmal genauer klarmachen – und doch reicht natürlich solch eine Predigt gar nicht aus, lohnt es sich, darüber die ganze Fastenzeit immer wieder nachzudenken. Es geht in unserem Leben als Christen nicht zuerst und vor allem um das, was wir alles tun müssen, es geht nicht um die Einhaltung von Gesetzen, nicht darum, dass wir uns etwas erarbeiten müssen, erst recht keinen Platz im Himmel. Sondern es geht tatsächlich darum, dass wir immer wieder neu erkennen, dass alles, was wir als Christen tun, dass vor allem auch der Glaube selber ein Geschenk ist, über das wir immer wieder nur staunen können. Nutze darum diese Fastenzeit, um jeden Tag wenigstens einmal fünf Minuten darüber nachzudenken: Was verdanke ich alles Gott, was hat er mir geschenkt? Da dürfte in den sieben Wochen der Fastenzeit eine ganz schöne Liste zusammen kommen!

Und auf dieser Liste wird dann auch etwas stehen, bei dem wir eigentlich nur noch den Atem anhalten können, wenn wir uns klarmachen, was das eigentlich bedeutet: Wir bekommen Anteil an der göttlichen Natur, so schreibt es der 2. Petrusbrief hier. Hast du dir das einmal klargemacht, was das eigentlich heißt? Wir sind als lutherische Christen gewohnt, die Geschenke, die Gott uns macht, mit uns vertrauten Worten zu beschreiben: Wir bekommen Vergebung der Sünden von Gott, das ewige Leben, Frieden mit Gott, ja sicher noch manches mehr. Aber dass wir Anteil bekommen an der göttlichen Natur, das ist nicht unbedingt das erste, was wir wohl als Geschenk Gottes formulieren würden. Doch diese Formulierung ist, so lesen wir es hier im 2. Petrusbrief, gut biblisch. Du bekommst nicht bloß „etwas“ von Gott; du bekommst ihn selber, du wirst mit Gott eins – und das bleibt nicht ohne Auswirkungen: Gott gibt dir Anteil an seiner Natur. „Vergöttlichung“, so nennen dies die Brüder und Schwestern in den orthodoxen Kirchen, von denen wir an dieser Stelle durchaus einiges lernen können. „Vergöttlichung“ – das bedeutet ja nicht, dass wir allmählich unser Menschsein aufgeben würden, auch nicht, dass wir allmählich unser Sündersein aufgeben würden. Aber es bedeutet in der Tat, dass die Gemeinschaft mit dem wahren Gott Jesus Christus, der in uns lebt, eine Realität in unserem Leben ist, dass wir hier und jetzt schon dem Tag entgegengehen, an dem unser Leib einmal dem Leib des verklärten Christus ganz gleich sein wird.

„Vergöttlichung“ – sie hat schon in der Heiligen Taufe begonnen. Und „Vergöttlichung“ – das ist es, was immer wieder neu geschieht, wenn wir den Leib und das Blut des Herrn im Heiligen Mahl empfangen. Ja, nutze die Zeit, jetzt in diesen Wochen der Fastenzeit noch häufiger, noch regelmäßiger die heilige Speise der Kommunion zu empfangen, und nimm dir dabei zugleich die Zeit, darüber nachzudenken, was das für dich bedeutet, dass Gott dir so nahekommt, dass er in dir lebt, in dir strahlt, in dir wirkt! Ach, da werden die sieben Wochen der Fastenzeit kaum ausreichen, um dies auch nur ansatzweise zu bedenken!

Einen zweiten wichtigen Aspekt zur Gestaltung unserer Fastenzeit spricht der 2. Petrusbrief hier an: Er beschreibt, wie die bewusste Gestaltung unseres Lebens als Christen wieder Rückwirkungen hat auf unseren Glauben, auf unsere persönliche Beziehung zu Gott, auf unsere persönliche Beziehung zu Christus, unserem Herrn.

Wir sind es ja als lutherische Christen gewöhnt, zu betonen, dass die guten Werke Folge des Glaubens sind, aber nicht selber uns den Weg in den Himmel bahnen. Und das ist ja auch völlig richtig und biblisch. Doch das schließt ja gerade nicht aus, dass die Erfahrungen, die wir in unserer Glaubenspraxis machen, uns wiederum eine wichtige Übung und Stärkung für unseren Glauben sein können. Auch der 2. Petrusbrief setzt hier mit dem Glauben an und lässt aus dem Glauben dann alles Mögliche folgen. Aber am Ende sagt er dann, dass all dies, was aus dem Glauben erwächst, uns wiederum nicht faul und unfruchtbar sein lässt in der Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus.

Ich will versuchen, es an einem Beispiel deutlich zu machen. Es ist ein guter Brauch und eine gute Übung in der Fastenzeit, in diesen kommenden Wochen auf etwas zu verzichten, wovon man sonst in seinem Alltag so reichlich Gebrauch macht, dass die Gefahr besteht, dass man davon abhängig werden könnte. Es geht also in der Fastenzeit darum, wieder neu einzuüben, was es heißt, durch die Taufe ein wirklich freier Mensch zu sein, der an Christus hängt und an nichts und niemandem sonst. Das können dann ganz unterschiedliche Dinge sein, auf die man verzichtet: ob es nun Alkohol, Rauchen, Schokolade, Fernsehen oder Computerspiele sind – oder noch etwas ganz anderes: Es gibt da kein Kirchengesetz, sondern das sollte sich jeder selber überlegen, was da bei ihm dran sein könnte.

Aber wenn man dann mit diesem Verzicht in der Fastenzeit beginnt, dann wird man dabei eine Reihe von Erfahrungen machen, die für den eigenen Glauben sehr hilfreich sein können. Es geht los mit der Erfahrung der Versuchung, mit der Erfahrung, wie kreativ der innere Schweinehund in uns sein kann, wenn es darum geht, uns davon abzuhalten, was wir uns so fest vorgenommen hatten. Natürlich ist es keine Sünde, in der Fastenzeit Schokolade zu essen oder den Fernseher anzuschalten. Aber wenn wir es uns denn vorgenommen haben, diesen Verzicht zu leisten, werden wir an solchen Beispielen schnell merken, wie schwach wir sind, solchen Versuchungen Widerstand zu leisten. Ja, wir werden dann auch immer wieder die Erfahrung machen, dass wir in solchen Kämpfen nicht immer als Sieger vom Platz gehen, sondern unser innerer Schweinehund uns vielleicht doch so manches Mal dabei aufs Kreuz legt. Ja, hilfreich sind solche Erfahrungen für unseren Glauben, weil sie uns wieder neu die Augen dafür öffnen, wie verloren wir wären, wenn tatsächlich unser Heil von unserer Willenskraft, von unserem Durchhaltevermögen abhinge, wenn unser Heil davon abhinge, dass wir selber die Kämpfe, die uns auferlegt sind, gewinnen. Immer wieder neu erfahren wir so in der Fastenzeit, wie gut wir es haben, dass ein anderer den entscheidenden Kampf unseres Lebens gewonnen hat: er, unser Herr und Heiland Jesus Christus, der die Strafe für all unsere Schuld, für all unser Versagen auf sich genommen und getragen hat. Und so hilft uns die Glaubenspraxis damit in der Tat wieder neu zur Stärkung des Glaubens, zur Stärkung der Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus.

Aber noch etwas können wir in der Fastenzeit gerade da erfahren, wo wir Mäßigkeit üben, wie es Martin Luther hier übersetzt, man könnte auch formulieren: Selbstzurücknahme, ja, Verzicht: Wir erleben nämlich, wie wir durch solchen Verzicht frei werden in so mancher Hinsicht. Wenn man weniger isst oder gar mit dem Rauchen aufhört, hat man allen Ernstes mehr Geld übrig, das man dann auch abgeben kann. Wenn man den Fernseher ausgeschaltet lässt, dann hat man allen Ernstes deutlich mehr Zeit über, die man für das Studium von Gottes Wort gebrauchen kann, ja, dann erfährt man, dass auch der Kopf freier wird, freier, um sich auf das zu besinnen, was im Leben wirklich wichtig ist. Auch hier erleben wir, wie die Praxis uns eine Hilfe sein kann, die letztlich wieder unserem Glauben selber hilft.

Lassen wir von daher diese Fastenzeit in diesem Jahr für uns eine besondere Zeit sein, lassen wir sie nicht vorübergehen wie jede andere Zeit des Jahres auch. Sie kann uns nicht zuletzt doch auch wieder klarer den Blick auf das Ziel unseres Lebens ausrichten lassen: auf den Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, wie es der 2. Petrusbrief hier so wunderbar formuliert. Denken wir daran gerade auch in diesen kommenden Wochen, wenn uns so vieles andere bewegt, durch den Kopf geht und auch mächtig ärgert: Am Ende ist doch nur eines wichtig, dass wir gemeinsam dort ankommen, wo wir nach Gottes Willen auch ankommen sollen: eben im Reich Christi, an dem Ort, an dem wir einmal endgültig nie mehr bedrängt werden, weder von innen noch von außen, an dem Ort, an dem es einmal endgültig keine Fastenzeit mehr geben wird, sondern nur noch eine einzige große Feier an den reich gedeckten Tischen im Reich unseres Herrn. Amen.

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