2. Samuel 7, 4-6.12-14a | Heilige Christnacht | Pfr. Dr. Martens

Sie war in der Familie schon bekannt und berüchtigt für ihre grausam kitschigen und schwerlich verwendbaren Weihnachtsgeschenke. Doch auch in diesem Jahr ließ es sich die Nenntante der Familie nicht nehmen, persönlich vorbeizukommen und ihre Geschenke vorbeizubringen. Eltern und Kinder packten die Geschenke in ihrer Gegenwart aus, mussten sich wie üblich zusammenreißen, dass sie dabei einigermaßen ernst blieben – und bedankten sich dann, wie immer, überschwänglich für die schönen Geschenke bei der Nenntante. Keiner hätte es gewagt, ihr jemals zu sagen: Bitte packe deinen Kram wieder ein und geh damit nach Hause! So was macht man doch nicht, wenn man ein höflicher Mensch ist!

Vielleicht kennt ihr solche Geschichten auch aus eurem eigenen Leben, habt vielleicht auch bei euch im Keller ein Regal, in das ihr solche Geschenke, die ihr eigentlich gar nicht haben wolltet, jeweils stellen könnt. Und sehr wahrscheinlich habt ihr in eurem Leben das eine oder andere Mal schauspielern müssen, als euch Geschenke überreicht wurden, auf die ihr innerlich liebend gerne verzichtet hättet.

Solch eine ähnliche Geschichte wird uns auch in der Predigtlesung der Heiligen Christnacht erzählt. Da hatte der König David eine richtig gute Geschenkidee gehabt: Er hatte Jerusalem erobert und sich selber einen schönen Palast gebaut – da kam ihm die Idee, dass es doch ganz angemessen wäre, auch dem lieben Gott mal ein schönes Geschenk zu machen: Ein Haus wollte er ihm schenken, ein richtig schönes Haus, in dem man die Bundeslade, das Heiligtum, das den Ort der Gegenwart Gottes markierte, unterbringen konnte. Denn die stand im Augenblick noch in einem provisorischen Zelt herum – wahrlich kein angemessener Rahmen. Und so ganz nebenbei hätte solch ein Haus für Gott dem Königtum Davids auch noch einmal einen besonderen Glanz verliehen, hätte noch einmal deutlicher und sichtbarer zum Ausdruck bringen können, dass David bei allem, was er tat, immer den lieben Gott an seiner Seite hatte.

David bespricht seine Geschenkidee zunächst einmal mit dem Propheten Nathan – und der Nathan findet die Idee auch ganz gut, gibt dem David bei seinen weiteren Planungen freie Hand. Ja, da sollte sich Gott doch freuen, wenn er vom König David solch ein großes Geschenk, solch ein schönes Haus erhält!

Doch Gott reagiert ganz anders, als es die Familie mit den Geschenken der Nenntante tun oder als wir es tun, wenn uns Geschenke überreicht werden, mit denen wir eigentlich gar nichts anfangen können. Gott heuchelt nicht, nimmt das große Geschenk nicht mit gespielter Freude an. Sondern er redet Klartext: Er sagt dem Nathan, dass der dem König David verklickern soll, dass er dieses Geschenk nicht haben will, dass er es auch nicht braucht, dass er nicht auf menschliche Geschenke angewiesen ist, um eine angemessene Behausung zu finden. Gott steht nicht auf repräsentative Immobilien. Ein Zelt hatte es über lange Zeit auch getan; daran braucht sich so schnell nichts zu ändern.

Doch dann dreht Gott den Spieß um: Nicht David soll ihm etwas schenken – wozu auch? Sondern Gott schenkt dem David etwas viel Größeres, ein Versprechen, das bis in die Ewigkeit reicht. Einen Nachkommen verspricht Gott dem David, der nicht allein die Erlaubnis erhält, Gott ein Haus zu bauen, sondern der in Ewigkeit regieren wird, ja von Gott selber als sein Sohn anerkannt sein wird. Was für ein Versprechen!

In der Tat: Nach dem Tode Davids baute Salomo den Tempel in Jerusalem, ein großes, repräsentatives, scheinbar angemessenes Haus für Gott, gebaut mit Gottes ausdrücklicher Zustimmung. Doch der eine König, der in Ewigkeit regieren sollte, war auch Salomo nicht, und die Könige, die nach ihm in Jerusalem regierten, waren es alle auch nicht. Kein Wunder, dass sich die Menschen in Israel beinahe 1000 Jahre lang immer weiter nach diesem einen König sehnten, in dem Gott selber erfüllen würde, was er David einst versprochen hatte.

Und dann kommt er tatsächlich, dieser eine angekündigte König, dieses eine große Geschenk, das Gott nicht nur dem David damals, sondern allen Menschen macht. Und als er geboren wird, wird wieder einmal klar, wie Gott seine Versprechen erfüllt: Er hält nicht allein, was er versprochen hat, sondern er überbietet in der Erfüllung seine Versprechen noch um ein Vielfaches. Ja, da wird er geboren, der König, der in Ewigkeit regieren wird. Und der wird nun tatsächlich dafür sorgen, dass Gott ein Haus bekommt, ein angemessenes Haus. Doch dieses Haus besteht nicht aus Steinen, nicht aus Gold und Marmor, sondern dieses Haus, dieser Tempel, ist er selber in Person. In diesem Kind, das da geboren wird, werden Gott und der König selber eins. Und in diesem Kind bleibt Gott sich selber auch treu, was seine Einstellung zu Immobilien angeht: Dieses Kind kommt nicht in einem Palast zur Welt, dient nicht zur Bestätigung irgendwelcher politischer Machtansprüche, sondern es wird in einem Stall, in einer Höhle geboren, ganz unbehaust, und doch so, dass es jeden Ort, wo dieses Kind, wo dieser König ist, zu seinem Tempel, zu seiner Kathedrale macht. Genau das feiern wir heute Nacht, darüber staunen wir in dieser Nacht wieder neu: Gott hält, was er verspricht, Gott selber schenkt nicht allein dem David, sondern allen Menschen einen Ort seiner Gegenwart, der allen ohne Ausnahme offensteht.

Schwestern und Brüder: Ich weiß, in dieser Geschichte, die wir heute Nacht in dieser Predigt vernommen haben, kommen keine Engel vor und keine Hirten, noch nicht einmal eine Krippe, von leise rieselndem Schnee oder niemals süßer klingenden Glocken ganz zu schweigen. Und doch bringt diese Geschichte in einer ganz wunderbaren Weise zum Ausdruck, worum es zu Weihnachten eigentlich geht:

Da denken wir Menschen immer wieder, wir müssten etwas für Gott tun, wir müssten irgendwelche religiösen Regeln und Gesetze einhalten, immer brav und anständig sein, nett und hilfsbereit, ja wir müssten überhaupt alle möglichen guten Werke tun, und dann können wir das am Ende dem lieben Gott präsentieren, und dann freut der sich darüber, was wir für ihn alles gemacht haben, und lässt uns in den Himmel. Doch Gott sagt es auch zu uns ganz deutlich: So läuft das nicht, so läuft das überhaupt nicht. Ihr glaubt allen Ernstes, ihr könntet etwas für mich tun, ihr könntet mir etwas geben, was ich brauche? Nein, solche Geschenke will ich nicht, solche Geschenke brauche ich nicht.

Aber dann macht Gott eben noch etwas anderes, und das ist das eigentlich Wichtige: Er macht uns sein großes Geschenk, schenkt uns seinen Sohn Jesus Christus, lässt ihn auch für uns im Stall von Bethlehem geboren werden, lässt ihn auch für uns am Kreuz sterben. Und dieses Geschenk hat er jedem von uns ganz persönlich überreicht am Tag seiner Taufe. Nein, das ist kein überflüssiges, kitschiges Geschenk, das man das ganze Jahr über in den Keller packen kann und dann einmal im Jahr am Heiligen Abend als Weihnachtsdekoration wieder hervorholen kann. Dieses Geschenk ist das Allerwichtigste in unserem Leben; davon sollen und dürfen wir jeden Tag Gebrauch machen.

Nicht wir bauen Gott ein Haus, nicht wir bestimmen, wo wir ihn antreffen können. So stellen wir uns das ja gerne vor: Der liebe Gott, den haben wir bei uns im Wohnzimmer, oder den finden wir vielleicht auch draußen bei einem Spaziergang im Grunewald. Wo wir Gott antreffen, das bestimmen wir. Doch Gott sagt: So ist es nicht. Ich sage euch, wo wir uns treffen, ich sage euch, wo ich euch die Geschenke gebe, die ihr für euer Leben wirklich braucht. Ihr bekommt sie da, wo mein Sohn Jesus Christus ist, wo sein Leib ist, eben der Tempel Gottes. Und seinen Leib, den findest du nicht da, wo du willst, sondern wo ich es dir sage. Den findest du in einem Stück Brot, wenn hier das Heilige Mahl gefeiert wird, und sein Blut findest du in einem Kelch mit Wein, der dir hier an diesem Altar ausgeteilt wird. Ja, Gott hat es bis heute nicht mit Immobilien: Brot und Wein reichen ihm auch heute als Ort seiner Gegenwart aus. Aber damit wir zu diesem Tempel Gottes kommen können, damit wir uns die Geschenke abholen können, die wir für unser Leben so dringend brauchen, ist solch eine Kirche schon eine ganz feine Sache, und wir können von Herzen froh sein, dass wir uns in ihr immer wieder versammeln können. Ja, hier wartet Christus auf dich, hier will er dich beschenken. Er ist keine Nenntante, er ist dein Herr, der dich retten, der dir ewiges Leben schenken will. Und wenn Gott etwas verspricht, wenn er, dein Herr, dir etwas verspricht, dann hält er es auch – 100%. Genau darum geht es in dieser Nacht: nicht um das, was du für Gott tust, sondern was Gott für dich tut. Das feiern wir an Weihnachten. Amen.

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