2.Thessalonicher 3, 6-13 | Mittwoch nach 20. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Wahrscheinlich waren da einige Gemeindeglieder in Thessalonich so richtig sauer: Sie waren keine große, starke Gemeinde, sondern immer noch eine ziemlich überschaubare Gruppe von Christen, die sich da unter der Verkündigung des Evangeliums zusammengefunden hatte. Selbstverständlich war es für die Gemeindeglieder, dass sie nicht nur zum Gottesdienst zusammenkamen, sondern auch darüber hinaus christliche Gemeinschaft pflegten, füreinander da waren, einander halfen und unterstützten, wo es nötig war.

Doch nun war offenbar einigen aus der Gemeinde der Kragen geplatzt: Ja, sie waren immer gerne dazu bereit gewesen, für die anderen da zu sein und ihnen beizustehen. Aber nun gab es einige in der Gemeinde, die sich offenbar für besonders fromm hielten: Sie warteten inständig auf die Wiederkunft des Herrn – und angesichts des baldigen Kommens des Herrn sahen sie es nicht mehr als nötig an, zu arbeiten und damit auch ihren finanziellen Beitrag für das Zusammenleben in der Gemeinde zu leisten. Wenn der Herr doch bald schon allem Irdischen ein Ende setzen würde, war es doch allemal angebrachter, sich der geistlichen Vorbereitung auf sein Kommen zu widmen, statt sich in irdischer Arbeit zu verlieren! Doch in der Zwischenzeit ließen sich diese frommen Geschwister dann ganz gerne von den nicht ganz so frommen anderen Gemeindegliedern durchfüttern, die weiter ihrer Arbeit nachgingen und damit das Geld verdienten, um auch diejenigen zu unterstützen, die vor lauter Sehnsucht nach dem Herrn mit der Arbeit aufgehört hatten. Ja, kein Wunder, dass da die Gemeindeglieder, die Tag für Tag ihrer Arbeit nachgingen, langsam aber sicher auf die anderen sauer wurden.

Schwestern und Brüder: Die Situation der Christen damals in Thessalonich ist nicht mehr unbedingt unsere Situation. In aller Regel ist die Gemeinde nicht mehr dazu da, bestimmte Gemeindeglieder mit ihren Gaben vor dem Verhungern zu bewahren. Wenn jemand nicht arbeitet und nicht selber Geld verdient, gibt es ein gutes soziales Netz in unserem Land – und wenn jemand nicht arbeiten will, dann hat das Jobcenter seine eigenen Methoden, um die Leute zur Arbeit zu bewegen; da muss nicht erst ein Apostel einen Brief schreiben, um den Leuten ein wenig Feuer unter dem Hintern zu machen.

Doch wenn wir genauer hinschauen, sind uns Situationen wie die damals in Thessalonich vielleicht doch nicht so ganz unbekannt. Vielleicht habt ihr das irgendwann auch einmal in einer Gemeinde erlebt, dass es da Gemeindeglieder gab, die einfach zu fromm waren, um sich um die alltäglichen Aufgaben in der Gemeinde zu kümmern: Sie mussten sich dem Gespräch mit dem Herrn oder der Lektüre des Wortes Gottes widmen, sich ganz auf die geistliche Besinnung konzentrieren,  und überließen dann die Reinigung der Küche und der Toiletten sehr gerne denen, die nicht ganz so geistlich waren wie sie.  Und vielleicht habt ihr auch schon einmal das Gefühl gehabt, von anderen in der Gemeinde ausgenutzt worden zu sein, weil sie euch mit scheinbar ganz geistlichen Argumenten moralisch so unter Druck gesetzt hatten, dass ihr nachher für sie getan hattet, was die doch eigentlich überhaupt nicht verdient hatten.

Und wenn wir noch mal genau hinschauen, dann stellen wir fest: Ja, das gibt es tatsächlich auch bei uns, dass Gemeindeglieder ganz und gar davon abhängen, dass wir sie mit Essen und Trinken und allem Lebensnotwendigen versorgen, Woche für Woche, Monat um Monat. Ja, unsere Kirchenasylanten bekommen kein Geld von woanders; wir müssen für sie eintreten mit unseren Gaben, mit dem, was wir ihnen abgeben.

Handeln unsere Kirchenasylanten also gegen die Heilige Schrift, wenn sie sich ganz und gar von uns versorgen lassen? Wenn wir genauer hinschauen, stellen wir fest: Nein, das tun sie natürlich nicht. Der Apostel Paulus schreibt hier an die Thessalonicher: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Unsere Kirchenasylanten würden viel lieber draußen sein, arbeiten, ihr Geld selber verdienen. Sie sind nur hier bei uns, weil ihnen ansonsten Gefahr an Leib und Leben drohen würde, wenn sie in ein Land abgeschoben würden, das ihre Hinwendung vom Islam zum christlichen Glauben nicht anerkennt oder ganz offen Flüchtlinge foltert und misshandelt. Das ist etwas ganz anderes. Da haben wir als Christen für andere einzustehen, haben zu zeigen, dass wir als Christen füreinander da sind, ja auch für andere Menschen, denen eine Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte droht. Unsere Kirchenasylanten leben nicht unordentlich, wie es der Apostel Paulus hier formuliert, und in unserem Gemeindezentrum und hier in unserer Kirche sähe vieles nicht so sauber aus, wenn unsere Kirchenasylanten nicht immer wieder für Ordnung und Sauberkeit sorgen würden.

Doch natürlich erleben wir es in unserer Arbeit hier in der Gemeinde durchaus auch, dass hier Menschen zu uns kommen, die uns tatsächlich ausnutzen wollen, die sich hier bei uns auch durchfuttern wollen, damit sie ihr Geld für andere Zwecke verwenden können. Natürlich erleben wir es in unserer Arbeit in der Gemeinde auch, dass Menschen meinen, sie könnten uns moralisch damit unter Druck setzen, dass wir als Christen ihnen doch helfen müssten, auch wenn sie es mit etwas Mühe eigentlich auch allein ganz gut hinbekämen.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Deutlichkeit der Apostel damals in der Gemeinde in Thessalonich den scheinbar so frommen Faulpelzen die Leviten las: Er geht so weit, dass er die Gemeinde auffordert, solche Leute vor die Tür zu setzen, bis sie wieder zur Besinnung gekommen sind und erkannt haben, was für eine Aufgabe auch sie selber in der Gemeinde haben. Wer dazu in der Lage ist zu arbeiten, der soll arbeiten, nicht nur für sich selber, sondern um damit auch andere unterstützen zu können. Das macht Paulus immer wieder in seinen Briefen deutlich. Es gibt keine fromme Ausrede für Faulheit, es gibt keine fromme Ausrede dafür, anderen in der Gemeinde die Drecksarbeit zu überlassen und sich selber höheren geistlichen Aufgaben zu widmen.

„Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen“ – ja, das ist eine Weisung, die nicht nur in der Kirche gilt, sondern die der Wille Gottes auch für das Zusammenleben in der Gesellschaft ist. Es ist nicht okay, dass Menschen, die arbeiten könnten, sich weigern zu arbeiten und lieber davon leben, dass andere Menschen für sie mitarbeiten und ihre Faulheit unterstützen. Aber wohlgemerkt: Wer nicht arbeiten will, sagt der Apostel, nicht etwa: Wer nicht arbeitet. Es gibt so viele Menschen, die arbeiten wollen, aber keine vernünftige Arbeit in unserem Land finden. Es gibt so viele Menschen in unserem Land, die tatsächlich arbeiten und trotzdem kaum genug Geld zum Essen haben, weil sie in ihrer Arbeit in übelster Weise ausgebeutet und ausgenutzt werden. Und es gibt so viele Menschen in unserem Land, die einfach nicht arbeiten können, weil sie krank sind, weil ihre Seele es ihnen unmöglich macht, das zu tun, was sie eigentlich gerne wollten. Wie gut, dass wir in unserer Gesellschaft füreinander einstehen, dass wir diese Menschen mittragen! Und noch besser wäre es, wenn wir darauf achthaben würden, dass Menschen in unserem Land von dem, was sie mit ihrer Hände Arbeit erwirtschaften, auch tatsächlich leben können. Ja, besser wäre es auch, wenn wir Menschen, die dem Stress eines normalen Berufslebens nicht gewachsen sind, einfach noch mehr Möglichkeiten bieten würden, sich anderweitig in unsere Gesellschaft einzubringen. Und wie schön ist es, wenn so mancher, der ansonsten keine Arbeit hat, sich dafür mit seinen Gaben hier in unsere Gemeinde einbringt!

Dass diejenigen, die kräftig arbeiten, die gerade auch in der Gemeinde kräftig arbeiten, vielleicht dazu auch noch kräftig abgeben, von dem, was sie selber haben und besitzen, dass solche Leute mitunter sich dann doch ausgenutzt fühlen, enttäuscht sind, wenn andere in der Gemeinde sich nicht so verhalten, wie sie es erhofft hatten, ist verständlich. Dass man enttäuscht sein kann, wenn man so wenig Dank für den eigenen Einsatz zurückbekommt und mitunter hier in der Gemeinde auch einfach alles hinschmeißen würde, wenn man den Eindruck hat, man würde von den anderen nur für dumm verkauft, ist ebenfalls verständlich. Der Apostel Paulus wusste schon damals von solchen Gedanken von Gemeindegliedern. Und so schließt er hier mit einem so tröstlichen, ermutigenden Satz, den auch wir in unserer Gemeindearbeit immer wieder so gut gebrauchen können: „Ihr aber, liebe Brüder – und da sind die Schwestern natürlich immer mit eingeschlossen –, lasst’s euch nicht verdrießen, Gutes zu tun.“ Schaut nicht darauf, ob es euch die Leute danken, was ihr tut, geht das Risiko ein, auch mal ausgenutzt zu werden! Schaut auf euren Herrn Jesus Christus. Der ist auch für uns ans Kreuz gegangen, ohne die Gewähr dafür zu haben, dass die Menschen ihm das danken, dass sie sich dann auch so verhalten, wie es seinem Opfer entspricht. Christus wusste: Die Menschen brauchen dringend, was ich für sie tue. Und darum hat er es getan. Und so sollen und dürfen auch wir Gutes tun für andere. Wir brauchen sie nicht zu retten. Das hat Christus schon für uns erledigt. Aber anderen Menschen etwas Gutes zu tun, das kann niemals falsch sein, ganz gleich, wie diejenigen, die das Gute empfangen, damit auch umgehen.

Packen wir also auch weiter fröhlich an in der Gemeinde, ziehen wir uns niemals mit frommen Ausreden zurück, denken wir daran: Wir werden von den anderen, von der Gemeinschaft der Gemeinde gebraucht! Lassen wir uns durch keine Enttäuschung davon abbringen, zu tun, was Christus von uns erwartet! Schauen wir nur auf ihn, unseren Herrn! Dann wird uns nicht verdrießen, das zu tun, was ihn, unseren Herrn, erfreut! Amen.

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