Jeremia 16,16-21 | Tag der Apostel St. Petrus Und Paulus | Pfr. Dr. Martens

Doppelspitzen sind zurzeit ja in. Jetzt haben wir kürzlich erfahren, dass Gesine Schwan und Kevin Kühnert als neues Dreamteam die SPD vor dem Untergang zu retten versuchen. Gesine Schwan und Kevin Kühnert – sie sprechen ein durchaus unterschiedliches Wählerklientel an; aber gerade so erhofft man sich offenbar, ganz unterschiedliche Wählerschichten wieder an die Partei binden zu können. Die Frage bleibt allerdings, was diese beiden sehr unterschiedlichen Menschen überhaupt miteinander verbindet, abgesehen von dem gemeinsamen Parteibuch.

Doppelspitzen als der Versuch, verschiedene Strömungen in einer Partei einzubinden – das ist eine Strategie, die durchaus Erfolg haben kann, wenn es denn dadurch gelingt, eine Partei trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Mitglieder zu einen. So ganz fürchterlich lange geht das allerdings oftmals nicht gut.

Eine Doppelspitze ganz besonderer Art hat es auch schon in der Kirche seit langer Zeit gegeben. Wir feiern sie am heutigen Tag, feiern den Tag der heiligen Apostel Petrus und Paulus, der beiden bedeutendsten Apostel, auf denen die Kirche auch nach 2000 Jahren gegründet bleibt. Dabei handelt es sich allerdings um eine ganz andere Doppelspitze als bei den politischen Parteien heutzutage. Das liegt nicht bloß daran, dass diese Doppelspitze politisch denkbar unkorrekt ist, weil sie nur aus zwei Männern und nicht aus mindestens einer Frau besteht. Sondern der entscheidende Unterschied zu üblichen Doppelspitzen besteht darin, dass die beiden nicht vorhatten, von irgendjemandem gewählt zu werden. Sie präsentierten sich auch nicht als Personalangebot für bestimmte zu besetzende Stellen. Sondern sie waren beide auf sehr unterschiedliche Weise von der eigentlichen Spitze der Kirche, von Jesus Christus selbst, dazu berufen worden, in seiner Kirche ganz besondere, grundlegende Tätigkeiten zu übernehmen. Nein, Christus hatte die beiden nicht als Team berufen, sondern je für sich: zuerst am See Genezareth den Fischer Simon, dem er später dann den Namen Kephas, Petrus, gab, und dann sehr viel später, nach seiner Auferstehung, an der Straße nach Damaskus den gelehrten Rabbi Saulus, mit lateinischem Namen Paulus. Von Anfang an hatte Christus ihnen unterschiedliche Aufgaben gegeben: Petrus war zuständig für die Mission unter Menschen, die aus dem Judentum stammten, und Paulus wurde von Christus vor allem zu den Menschen geschickt, die keinen jüdischen Hintergrund hatten. So ganz sauber ließen sich diese Aufgaben allerdings auch wieder nicht trennen. Der Petrus wurde von Gott auch dazu beordert, einen römischen Hauptmann zu taufen – und Paulus ging bekanntlich auf seinen Missionsreisen immer zuerst in die jüdischen Synagogen, weil auch für ihn galt, dass immer zuerst die Juden das Evangelium hören sollten.

Dennoch gab es grundsätzlich diese Arbeitsaufteilung, so schildert es uns Paulus im Galaterbrief. Dort macht er allerdings auch sehr deutlich, dass er und Petrus nicht unbedingt als „Dreamteam“ funktionierten, sondern es zwischen ihnen ganz gewaltig geknirscht hat. Als der Petrus dem Paulus in seiner Arbeit in Antiochia in die Quere kam, da „widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er hatte sich ins Unrecht gesetzt“, so schreibt es Paulus im Galaterbrief. Nein, von gespielter Harmonie nach außen haben Paulus und Petrus offenkundig nichts gehalten.

Warum feiern wir also gerade heute am 29. Juni das Fest dieser beiden Apostel? Ganz einfach: Es ist der Tag, an dem vor fast 1700 Jahren die Gebeine des heiligen Paulus gemeinsam mit Gebeinen des heiligen Petrus in eine neue Kirche überführt wurden. Richtig nahegekommen sind sich Petrus und Paulus also erst, als sie gemeinsam in einen Reliquienkasten passten. Doch der Grund für die Verehrung ihrer Reliquien bestand ja darin, dass beide für ihren Glauben, für ihre Christuspredigt, für ihr Bekenntnis zu Christus in Rom die Todesstrafe erlitten, wobei es der Paulus noch ein wenig besser hatte, da er als römischer Bürger einfach nur enthauptet wurde, während Petrus der Überlieferung zufolge wie sein Herr schließlich am Kreuz starb.

Und damit sind der Petrus und der Paulus wiederum sehr nahe dran an dem Jeremia, aus dessen Prophetenbuch die Worte unserer heutigen Predigtlesung entnommen sind. Der Jeremia hatte genau dieselbe Erfahrung gemacht wie Petrus und Paulus nach ihm: Wenn Gott beruft, dann hat man gar keine Wahl mehr, dann kann man nur diesem Ruf folgen, auch wenn die Aufgabe, die man zu übernehmen hat, alles andere als angenehm ist. Jeremia wurde für seine Verkündigung angefeindet, musste dafür ins Gefängnis, genau wie später Petrus und Paulus auch. Denn was er im Auftrag Gottes verkündigte, das passte den Leuten damals gar nicht: Er verkündigte Gottes Gericht über sein Volk, das sich von Gott abgewandt und falschen Götzen zugewandt hatte. Er verkündigte, dass die Babylonier bald kommen würden wie Fischer und Jäger und alle Bewohner des Reiches Juda einsammeln und verschleppen würden. Mit solch einer Botschaft machte man sich nicht viel Freunde. Auch Petrus und Paulus haben mit ihrer Botschaft bei den Zuhörern gewaltigen Widerspruch hervorgerufen – und auch sie verschwiegen dabei nicht, dass wir Menschen dem Gericht Gottes entgegengehen, ja, dieses Gericht Gottes verdient haben. Aber Petrus und Paulus durften dann zugleich schon erleben, was Jeremia damals nur als zukünftiges Geschehen ankündigen konnte: Sie durften erleben, wie Menschen auch aus anderen Völkern sich dem Gott Israels zuwandten, ihn als den einzig wahren Gott anbeteten – als den Gott, der sich allen Menschen zu erkennen gegeben hat, indem er seinen Sohn Jesus Christus zu den Menschen geschickt hat. Ja, Petrus und Paulus durften das Heil und die Rettung verkündigen, die mit dem Kommen Jesu Christi in diese Welt nunmehr allen Menschen galt und gilt. Und auch wenn sie in vielem so unterschiedlich waren: Es war schließlich doch dasselbe Evangelium, das sie verkündigt haben und das wir nun auch in den Schriften des Neuen Testaments aufgezeichnet finden.

Die Fischer, die Jeremia damals den Israeliten ankündigte, waren Vollstrecker des Strafgerichts Gottes, verschleppten die Israeliten in die Verbannung nach Babylon. Petrus bekam als Fischer einen anderen Auftrag: Menschen aus dem Gericht Gottes zum ewigen Leben in der Gemeinschaft mit Gott zu sammeln. Gesammelt haben Petrus und Paulus, gesammelt haben diejenigen, die nach ihnen ihren Dienst übernommen haben, gesammelt wird bis heute, auch hier in Steglitz. Gott macht bis heute wahr, was er durch Jeremia damals angekündigt hat: Er führt Menschen dahin, dass sie erkennen, wo der eine wahre Gott zu finden ist. Und er lässt Menschen bis heute erfahren: Das waren nicht wir, die zu dieser Erkenntnis gekommen sind, das war allein die Kraft Gottes, die uns zu diesem Glauben geführt hat. Und diese Kraft entfaltet Gott bis heute da, wo das Evangelium verkündigt wird, das uns Petrus und Paulus damals grundlegend verkündigt haben, denn, so sagt es Paulus selber: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.“ Ja, dieses Evangelium haben uns Petrus und Paulus auf je ihre Weise verkündigt – aber es ist und bleibt dasselbe Evangelium, dessen Kraft wir auch heute erfahren. Und dafür steht sie auch noch nach zweitausend Jahren Seite an Seite ein: die apostolische Doppelspitze Petrus und Paulus, der es doch immer nur um dies eine ging: Dass wir selig werden. Amen.

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