Jesaja 26,13+14+19 | Heilige Osternacht | Pfr. Dr. Martens
Da stand er, der koptisch-orthodoxe Priester: Seine Kleidung war befleckt mit dem Blut seiner Gemeindeglieder, die gerade eben in seiner Kirche in Ägypten durch einen islamistischen Anschlag ermordet, zerfetzt worden waren. In seinem Gesicht konnte man das Entsetzen über das ablesen, was er soeben erfahren hatte. Ob ihm in diesem Augenblick schon klar war, dass auch sein eigener Sohn zu den Todesopfern dieses Anschlags gehörte?
So hilflos kommt man sich vor, wenn man sich das Bild dieses ehrwürdigen Priesters in seinen blutdurchtränkten Gewändern anschaut: Was soll man bloß machen gegen die Übermacht des Todes, die dieser Mann und mit ihm seine Gemeinde gerade erfahren hat? Was soll man bloß machen gegen die Übermacht einer Religion des Todes, der diejenigen huldigen, die auch nicht davor zurückscheuen, Frauen und Kinder im Namen ihres barbarischen Gottes niederzumetzeln? Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die, deren Blut den Fußboden der Kirche bedeckte, die sind und bleiben tot; wir haben keine Möglichkeit, das Schreckliche wieder rückgängig zu machen, das dort und an so vielen anderen Orten dieser Welt geschieht.
HERR, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du. O ja, das merken die Christen in Ägypten und in so vielen anderen islamischen Ländern sehr deutlich. Sie erleben sehr deutlich, wie sie das Bekenntnis zu ihrem Herrn Jesus Christus das Leben kosten kann, wie sie gegenüber der Übermacht einer ihnen feindlich gesonnenen Religion nicht die geringste Chance zu haben scheinen. Und wir ahnen es hier in Europa allmählich auch, wie diese Religion des Todes auf dem Vormarsch ist und keiner weiß, wann sie vielleicht auch ihn schon zu treffen vermag.
„Tote werden nicht lebendig.“ Das gilt für die Opfer der Terroranschläge in Kairo, in Stockholm und Berlin. Das gilt auch für die lieben Menschen, von denen wir in unserem Leben schon Abschied nehmen mussten. Und das gilt auch für uns selber. Wir haben gegen den Tod keine Chance, wir tragen kein Überlebensgen in uns, das uns irgendwie ermöglicht, nach dem Tod doch noch weiter zu existieren. Wenn wir tot sind, dann sind wir tot, und keine Macht dieser Welt kann daran irgendetwas ändern. Der Tod – er ist der wahre Herrscher dieser Welt. Und wir, wir schaffen es nur für eine kurze Zeit, ihm noch von der Schippe zu springen.
„Tote werden nicht lebendig.“ Das ist naturwissenschaftlich erwiesen, das entspricht unserer Erfahrung, das ist ein Satz der Bibel, dem auch jeder Atheist und Humanist, dem auch jeder andere zustimmen kann, der sich auch nur im Entferntesten einmal mit dem Tod beschäftigt hat, ihn vielleicht gar direkt in seiner unmittelbaren Umgebung miterlebt hat.
„Tote werden nicht lebendig.“ – Ja, die Heilige Schrift hat recht auch an diesem Punkt, gar keine Frage.
Doch dann folgt gleich darauf ein Wort, das alles anders macht. Dieses Wort bestreitet nicht die Wahrheit des Satzes: „Tote werden nicht lebendig.“ Aber es eröffnet doch zugleich einen ganz neuen Blick. Und dieses eine Wort ist das Wort: „Deine“: „Deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen.“ Jawohl, Tote werden nicht lebendig. Aber wenn man Gottes Toter ist, dann hat man teil an einer Wirklichkeit, die über dieses Bekenntnis hinausführt, dass Tote nicht lebendig werden. Ja, das macht den entscheidenden Unterschied aus: Hauptsache, ich bin Gottes Toter.
„Deine Toten werden leben.“ Genau das feiern wir in dieser Nacht. Wir feiern den ersten, der mit Fug und Recht Gottes Toter genannt werden kann, wir feiern ihn, unseren Herrn Jesus Christus, der in der Tat entgegen aller Erfahrung, entgegen aller selbstgebastelten Seriosität lebt, auferstanden ist – eben darum, weil er Gottes Toter schlechthin war, weil Gott mit ihm begonnen hat, aus dem Punkt hinter der Feststellung „Deine Toten werden leben“ einen Doppelpunkt zu machen, als er ihn, Jesus Christus, als ersten von den Toten auferweckt hat. Jesus Christus ist Gottes Toter – und darum lebt er. Und du – du bist eingeladen, auch Gottes Toter zu werden. Ach, was sage ich: Du bist es doch schon längst: Gottes Toter. Du bist es, seit du in deiner heiligen Taufe mit Christus gestorben bist, seit du schon in der Heiligen Taufe erfahren hast, dass du schon auferstanden bist mit ihm, dem ersten Toten Gottes, mit ihm, Christus, deinem Herrn.
Und genau darum geht es nun in deinem ganzen Leben: Dass du so mit Christus verbunden bleibt, dass du schließlich auch ein Toter Gottes bist und bleibst, dass auch dir die Zusage gilt: Deine Toten werden leben. Ganz gleich, wann und wie dein Leben enden wird – ob im Sterbebett oder durch die Hand von irren Terroristen: Wenn du Gottes Toter bist und bleibst, dann wirst auch du leben, leben in alle Ewigkeit. Lass dich darum von all den anderen Herren dieser Welt, lass dich darum von all denen, die dir mit ihren Drohungen Angst vor dem Tod einjagen wollen, nicht erschrecken. Sieh nur darauf, dass du schließlich ein Toter Gottes wirst, einer, der bei Christus geblieben ist bis in die letzte Stunde seines Lebens! Bleibe dran an Christus, deinem Herrn, empfange nun auch gleich wieder seinen Leib und sein Blut und denke dabei an die Zusage deines Herrn: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.“ Ja, deine Toten werden leben, du auch, so gewiss Christus in dir lebt mit seinem Leib und Blut. „HERR, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du, aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens.“ Ja, genau das geschieht gleich im Heiligen Mahl: Es ist ein öffentlicher Spott über den Tod, der uns in seine Gewalt zu bringen versucht. Nichts und niemand wird uns davon abhalten können, bei diesem Jesus Christus zu bleiben, ganz gleich, was uns in unserem Leben auch erschrecken und Angst einjagen mag. Christus lebt – und will nur dies eine von uns: Dass wir seine Toten sind und bleiben. Darum kommt und begegnet nun gleich wieder eurem auferstandenen Herrn unter den Gestalten von Brot und Wein, kommt und feiert das österliche Freudenmahl mit dem, der schon am eigenen Leibe erfahren hat, dass Gottes Tote leben! Denn er, der Herr, ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.