Jesaja 55,1-5 | 2. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Habt ihr euch schon für das Wochenende vom 13.-15. September hier in Berlin etwas vorgenommen? Da findet hier in Berlin die diesjährige Esoterikmesse „Spiritualität und Heilen“ statt mit einer Verkaufsausstellung mit Angeboten zu geistigem Heilen, ayurvedischen Lebensmitteln, Handanalysen, Klangmassagen, Astrologie, Aura-Analysen, Energiebehandlungen, Schamanismus, Magnetschmuck, Matrix-Quantenheilung, Feng-Shui, Räucherwerk und Trommeln und vielem anderen mehr. Ja, der Markt für solche pseudoreligiösen Angebote boomt, die Menschen sind dazu bereit, Millionen von Euro dafür auszugeben, in der Hoffnung, dass ihnen dies für ihr Leben hilft und ihnen Gesundheit schenkt.

Religion muss etwas kosten, sonst ist sie eigentlich nichts wert – dieses Denken ist heutzutage weit verbreitet. Der Kölner Psychiater Manfred Lütz hat in einem seiner lesenswerten Bücher von der „Gesundheitsreligion“ gesprochen, die heute zu einer herrschenden Religion im Lande geworden ist: Man gibt Geld für alle möglichen Angebote aus, die angeblich gesund machen und die Gesundheit fördern: für Bücher etwa, die einen davor warnen, was für Essen uns alles krank macht – dem neusten Bestseller zufolge machen uns besonders auch Gurken und Tomaten krank und sollten darum unbedingt gemieden werden. Man gibt Geld aus für irgendwelche angeblich supergesunden Lebensmittel, die im Zweifelsfall auch eine Krebserkrankung verschwinden lassen, man gibt Geld dafür aus, dass man sich fit hält, ja, je teurer etwas ist, desto wirkungsvoller muss es doch eigentlich sein.

Mittlerweile nimmt auch der Klimaschutz immer stärker die Züge einer Religion an: Es werden rechtgläubige Klima-Bekenntnisse verlangt, und wer diese nicht ablegt, der wird aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, und zu dieser Religion gehört eben auch ein blühender Ablasshandel, dass man sich von Klimasünden durch finanzielle Kompensationen freikaufen kann. Ja, auch diese Religion kostet mittlerweile eine ganze Menge.

Was für ein Kontrastprogramm vernehmen wir dagegen in der alttestamentlichen Lesung des heutigen Sonntags: Ja, auch der Prophet Jesaja betätigt sich hier als Marktschreier, wirbt für seine Angebote – aber mit einem entscheidenden Unterschied: „Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst!“ – So ruft er, und fährt gleich fort: „Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht?“

Für Jesaja ist das, was er anzubieten hat, gerade kein Geschäft zum eigenen Vorteil. Er will gerade nicht das Beste von denen haben, zu denen er spricht, nämlich: ihr Geld. Sondern er will das Beste austeilen, was nicht er produziert und entwickelt hat, sondern das er austeilen lässt als Gabe dessen, der ihn beauftragt hat, als Gabe Gottes selber.

Jesaja weiß, was er anzubieten hat. Und von daher tut es ihm geradezu weh, dabei zuzuschauen, für was für einen religiösen Schrott Menschen ihr Geld ausgeben – damals genauso wie heute. Ja, gleich doppelt weh tut dies Jesaja: Es tut ihm weh, dass Menschen auf religiöse Angebote hereinfallen, die doch in Wirklichkeit hohl und leer sind und am Ende doch nicht satt machen, weil sie kein wahres, bleibendes Leben zu geben vermögen. Und es tut ihm weh, dass die Menschen für diese religiösen Angebote auch noch Geld ausgeben, das sie doch sehr viel sinnvoller einsetzen könnten als für eine Religion als Geschäftsmodell.

Nein, du kannst dir deine Zukunft, dein ewiges Leben nicht kaufen. Du kannst dir nicht ein Leben kaufen, in dem du wirklich satt wirst, nicht nur äußerlich, sondern im Tiefsten deiner Seele. Dieses Leben kann dir wirklich nur geschenkt werden. Und es wird dir geschenkt, wenn du hörst, was Gott dir in seinem Wort sagt, mit den Worten des Propheten: „Höret, so werdet ihr leben!“ Wunderbares lässt uns Gott hören in seinem Wort. Er sagte damals den Israeliten im Exil in Babylon: Ihr denkt, dass eure Geschichte ans Ende gekommen ist, dass die Versprechen, die ich damals dem König David gegeben habe, nicht mehr gelten. O doch, sie gelten weiter, ja mehr noch: Das, was ich damals dem David versprochen habe, das soll in Zukunft euch allen gelten: Ihr alle sollt Königskinder sein, ihr alle sollt in Ewigkeit mit mir leben. Ja, ihr werdet es erleben, dass Menschen zu euch hinzukommen, mit denen keiner gerechnet hat, aus Völkern, die doch eigentlich scheinbar so gar nichts mit dem Gott Israels zu tun hatten.

Ja, genau so erleben wir es hier in unserer Mitte, wie Gott auch heute noch in seinem Wort hält, was er damals durch seinen Propheten seinem Volk verkündigt hatte: „Höret, so werdet ihr leben!“ Diese Verheißung gilt auch uns, wann immer wir hier zusammenkommen, um Gottes Wort zu hören. Es ist nicht nur eine interessante Information. Es ist voll von Leben. Wir erleben es in der Taufe, wie Gott mit einem jeden Getauften, genau wie mit der kleinen Nilay heute Morgen, seinen Bund schließt, wie einst mit David, wie er jeden Getauften zum Königskind, zum Erben des ewigen Lebens macht. Wir erleben es in unserer Mitte, wie Völker, die den Gott Israels nicht kannten, nun zu uns laufen, um diesen Gott Israels als ihren Vater zu erkennen und ihn anzubeten.

Ja, wir erleben es, dass Gott auch heute niemanden zur Annahme seiner Geschenke zwingt. Er sendet auch heute noch seine Marktschreier aus, seine Pastoren, die im Auftrag Gottes die größten Geschenke auf Erden kostenlos austeilen sollen. Ja, Gott ist sich nicht zu vornehm, allein durch Bitten und Einladen unser Herz zu gewinnen und nicht mit irgendwelchen zusätzlichen Tricks oder Mitteln, erst recht nicht mit Gewalt. „Kommt her, kommt her!“ – So ruft er immer wieder. Und dann muss er es erleben, so haben wir es im Heiligen Evangelium gehört, dass immer wieder Menschen ihm erklären, sie hätten keine Zeit, seiner Einladung zu folgen, sie hätten jetzt so viele andere wichtige Dinge zu tun. Ja, Gott muss es erleben, dass Menschen auch heute noch immer wieder allen möglichen hohlen Angeboten eher folgen als dem einzigen Geschenk, das wirklich Leben vermittelt.

Aber Gott erlebt es eben auch, und wir erleben es hier miteinander, wie Menschen dann doch immer wieder seinem Ruf folgen: Kommt, kommt, denn es ist alles bereit! Kommt, esst und trinkt! Und dann versammeln sich die, die diesen Ruf hören, hier am Altar. Und dann gibt es hier am Altar keinen Unterschied zwischen arm und reich, zwischen deutsch und iranisch und afghanisch und pakistanisch. Alle miteinander empfangen wir dieselbe Gabe umsonst: den Leib und das Blut des Herrn. Aber es ist eben kein Zufall, dass die, die kein Geld haben, hier am Altar besonders vertreten sind, diejenigen, die wissen, dass sie wirklich auf nichts anderes in ihrem Leben vertrauen können als auf Gottes Geschenk, auf Jesus Christus allein. Es sind gerade die Mühseligen und Beladenen, die dem Ruf unseres Herrn folgen, die staunend erkennen: Ja, Gott will mich, ausgerechnet mich mit dabeihaben – und er will mir hier das schenken, was ich mit keinem Geld der Welt jemals erwerben könnte.

Schwestern und Brüder: Ich weiß, heute an diesem heißen Tag seid ihr alle miteinander durstig, und darum halte ich die Predigt heute auch kürzer. Aber Gott geb’s, dass ihr euer Leben lang durstig bleibt nach dem Wasser des Lebens, das Christus uns schenkt, dass ihr hungrig und durstig bleibt nach dem Leib und dem Blut des Herrn. Ja, Gott geb’s, dass ihr euer Leben lang wisst, wo ihr diesen Hunger und Durst stillen könnt – eben hier am Altar, wo ihr schon einen Vorgeschmack bekommt von dem großen Festmahl in Gottes neuer Welt, dort, wo uns einmal die Sonne nie mehr stechen wird. Amen.

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