Jesaja 66, 13 | Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu (Neujahr) | Pfr. Dr. Martens

In dieser Woche hat sich die japanische Regierung 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bei den Koreanern endlich in aller Form entschuldigt für den Einsatz von sogenannten „Trostfrauen“ während des Krieges. „Trostfrauen“ – was für ein schrecklich geschmackloser Name für Frauen, die zu Zehntausenden, wenn nicht gar zu Hunderttausenden während des Krieges gezwungen wurden, den japanischen Soldaten als Prostituierte zur Verfügung zu stehen.

Was für ein Irrsinn, in diesem Zusammenhang das Wort „Trost“ zu gebrauchen! Nein, ich kann mich eben niemals selber trösten, und erst recht nicht dadurch, dass ich andere Menschen als angebliche Trostspender benutze und missbrauche. Was für mich Trost ist, das kann ich eben nicht selber bestimmen und entscheiden, das muss ich mir schon von jemand anders sagen lassen, der mich trösten will und trösten kann. Trost setzt voraus, dass ich dazu bereit bin, mich einem anderen in meiner Not zu öffnen, ihm zu vertrauen, mir von ihm etwas sagen zu lassen, anzuerkennen, dass er etwas mit mir machen kann, was ich selber nicht kann.

Und damit sind wir schon bei der wunderbaren Jahreslosung dieses neuen Jahres 2016. Da ist auch von einer Trostfrau die Rede, aber eben von einer, die diesen Namen wirklich mit Recht verdient, der Trostfrau schlechthin, der Mutter. Dass Menschen wissen, wie eine Mutter tröstet, das setzt Gott in diesem wahrlich tröstlichen Wort voraus, und auf dem Hintergrund dessen, was wir gerade eben noch einmal zum Thema „Trost“ bedacht haben, fangen die Worte der Jahreslosung noch einmal ganz besonders an zu leuchten.

Wenn ich Trost brauche, kann ich mich nicht selber trösten. Das ist so selbstverständlich, und doch müssen wir es uns immer wieder neu klarmachen. Wir haben uns ja heute in so vielen Bereichen unseres Lebens daran gewöhnt, uns per Selbstbedienung alles holen zu können, was wir wollen. Aber ich kann mir eben nicht per Selbstbedienung Trost holen oder Trost zusprechen. Da bin ich immer auf jemand anders angewiesen. Und der, der mich tröstet, muss auch dazu in der Lage sein, mich tatsächlich trösten zu können, mich nicht bloß zuzutexten oder zuzulabern, sondern mir etwas zu sagen und mit mir etwas zu tun, was ich selber mir nicht sagen und selber nicht tun kann. Darum geht es, wenn Gott zu uns sagt: „Ich will euch trösten!“ Er sagt zu uns: Ich weiß, wie es dir geht. Ich kenne deine Lage, ich kenne deine Traurigkeit, ich weiß, wo du in deinem Leben selber einfach nicht mehr weiterkommst. Und ich weiß auch, dass andere mit ihrem Trost bei dir nicht sehr weit kommen werden.

Ja, natürlich ist das schön und wunderbar, wenn man einen besten Freund oder eine beste Freundin hat, die bei einem sind, wenn es einem nicht gut geht. Natürlich ist das schön und wunderbar, wenn man eine Mutter hat, die bei einem ist, die einen versteht, wenn man in seinem Leben Angst hat und nicht mehr weiterweiß. Aber es gibt immer wieder Situationen in unserem Leben, in denen uns Menschen nicht mehr trösten, uns nicht mehr weiterhelfen können. Wie gut, dass wir darum wissen dürfen, dass wir einen Vater im Himmel haben, der zugleich solch mütterliche Züge hat, der zu trösten vermag, wie nur Mütter zu trösten vermögen!

Doch, wie gesagt: Gott lässt sich nicht von uns benutzen, damit wir von ihm den Trost bekommen, den wir gerade haben wollen. Gott ist nicht dazu da, unsere Wünsche zu befriedigen, die wir haben. Wenn wir seinen Trost empfangen wollen, dann setzt dies voraus, dass wir ihm vertrauen, dass er einen besseren Blick auf unser Leben, auf unsere Lage hat als wir selber. Gott tröstet uns, indem er uns hilft, unsere Lage aus seiner Sicht wahrzunehmen, indem er uns herausholt aus unserem Kreisen um uns selbst und unsere Probleme. Ja, wenn wir uns von Gott trösten lassen wollen, dann setzt dies voraus, dass wir ihn handeln lassen in unserem Leben, dass wir ihm das Kommando unseres Lebens überlassen. Ach, er macht’s ja ohnehin, ist nicht von unserer Entscheidung, von unserer Zustimmung abhängig. Aber wie gut, wenn wir dazu fröhlich und getrost Ja sagen können, uns seiner Führung, seinem Rat, seinem Zuspruch überlassen können. Dann werden wir erfahren können, wie Gott zu trösten vermag – eben so, wie kein Mensch jemals trösten kann.

Wie eine Mutter tröstet Gott, so verspricht er es uns selber. Mit einer Mutter verbindet uns etwas ganz Elementares: Sie hat uns geboren – und das schafft eine Bande, die fester ist als alles, was es sonst in der Welt an menschlichen Verbindungen geben kann. Eine solche Verbindung haben wir auch mit Gott: Auch er hat uns geboren, so sagt die Heilige Schrift, hat uns neu geboren zu einem neuen Leben in der Gemeinschaft mit ihm, das niemals zu Ende gehen wird, das niemals zerstört werden kann. Wir haben eine ganz feste persönliche Verbindung mit Gott, die auf unserer Wiedergeburt in der Taufe beruht. Das ist die Grundlage, auf der wirklicher Trost möglich ist. Gott ist niemals ein Fremder für uns, niemals ein ferner Gott, der auf Distanz zu uns bleibt. Seit dem Tag unserer Geburt durch Wasser und Geist ist und bleibt er uns ganz nahe.

Wie tröstet denn nun eine Mutter? Sie tröstet zunächst einmal schlicht und einfach dadurch, dass sie da ist. Sie muss noch nicht einmal ein Wort sagen. Wenn das Kind weiß: Die Mutter ist da, dann ist es gut, dann kann es ruhig schlafen, dann weiß es: Ich bin umsorgt und behütet. So ist das auch mit dem Trost, den Gott spendet: Er macht uns gewiss: Er ist da, bei uns, umgibt und umfängt uns von allen Seiten, ganz gleich, ob wir uns im Asylbewerberheim, in der Schule, im Krankenbett oder in der Schlange vor dem LaGeSo befinden. Nein, das löst nicht unsere Probleme, aber es hilft uns, sie noch einmal anders wahrzunehmen: Der, der mein Leben in seiner Hand hält, ist bei mir, hält mich fest.

Und dann tröstet eine Mutter natürlich auch durch ihr Wort. Sie muss einfach nur sprechen; die vertraute Stimme schenkt dem Kind Ruhe, tröstet es im Hören auf das, was ihm gesagt wird. So ist das auch mit Gott. Ich finde eben Gott nicht einfach tief in mir drin oder in meinen Gefühlen. Was von da kommt, wird mich in aller Regel nicht trösten. Nein, ich brauche Trost, der von außerhalb meiner selbst kommt, Trost, den ich hören kann, Trost, der mir von anderen aus Gottes Wort zugesprochen wird. Hört darum auf dieses Wort Gottes auch jetzt in diesem neuen Jahr, entdeckt jeden Tag neu, wie viel Trost in diesem Wort Gottes der Heiligen Schrift steckt! Und erfahrt dabei, wie euch der, der in diesem Wort zu euch spricht, dadurch immer lieber und vertrauter wird, je mehr ihr sein Wort hört und darin seine Stimme vernehmt! Ja, Gott will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!

Aber nun müssen wir zum Abschluss noch etwas ganz Entscheidendes bedenken: Wenn die Heilige Schrift vom Trost spricht, dann meint sie damit nie bloß irgendwelche mehr oder weniger beruhigenden, aber letztlich doch leeren Worte. Sondern wenn die Heilige Schrift vom Trost spricht, dann meint sie, dass Gott tatsächlich etwas tut, um unsere Lage, in der wir uns befinden, zu ändern. Gott tröstet dadurch, dass er etwas in unserem Leben grundlegend verändert, uns damit eine ganz neue Lebensperspektive schenkt. Der tiefste Trost, den Gott uns schenkt, ist die Hingabe seines Sohnes Jesus Christus am Kreuz. Da hat er tatsächlich alles verändert, hat uns aus Menschen, deren Lebensperspektive der ewige Tod war, zu Menschen gemacht, deren Schuld getilgt und weggetragen ist, die frei sind für ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Wenn Mütter trösten, dann ist das oft genug mit eigenem persönlichen Verzicht verbunden. Gott hat auf alles verzichtet, was er hatte, nur um uns mit unserem Leben in eine neue Lage zu versetzen, um uns eine Hoffnung zu schenken, die auch über das Ende unseres irdischen Lebens hinausreicht. Gott tröstet uns, indem er uns die Tür zum Himmel aufschließt, indem er uns jetzt schon einen Blick werfen lässt auf seine neue Welt, in der er einmal alle Tränen von unseren Augen abwischen wird. Das ist wirklicher Trost, der stärker ist als aller Trost, den wir uns jemals selber zusammenbasteln könnten. Mit diesem Trost dürfen wir heute getröstet in ein neues Jahr gehen, getröstet durch ihn, unseren Gott, der uns tröstet, wie einen seine Mutter tröstet. Amen.   

Zurück