Jesaja 7,10-14 | Tag der Ankündigung der Geburt des Herrn (Mariae Verkündigung) | Pfr. Dr. Martens
Immer dichter rückte die Bedrohung an ihn heran. Scheinbar ohnmächtig stand er ihr gegenüber, und es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis seine Stunde gekommen war, bis sie auch über ihn hereinbrach. Kein Wunder, dass er vor Angst wie gelähmt war, dass er und die, die zu ihm gehörten, zitterte, wie die Bäume im Walde beben vom Winde, so heißt es im 7. Kapitel des Jesajabuches.
Nein, ich berichte hier nicht von den Erfahrungen, die wir in diesen Tagen mit der Bedrohung durch das Corona-Virus machen, von den Ängsten davor, dass es immer dichter an uns heranrückt. Sondern ich schildere hier, was der Prophet Jesaja über den König Ahas zu berichten weiß. König von Judäa und Jerusalem ist er, ein Nachkomme des Königs David, dessen Thron nach Gottes Verheißung doch für immer Bestand haben soll. Doch nun scheint dieser Thron in akuter Gefahr zu sein: Der König des Nordreichs Israel und der König von Syrien hatten sich miteinander verbündet und wollten gegen das kleine Südreich Judäa und seinen König in den Krieg ziehen. Menschlich gesprochen war die Lage für den König Ahas aussichtslos. Gegen diese Allianz hatte er militärisch nicht die geringste Chance. Doch Gott schickt den Propheten Jesaja zu Ahas und lässt ihm ausrichten: Warum fürchtest du dich? Ich habe doch auch dir mein Versprechen gegeben, dass du auf dem Thron Davids bleiben wirst. Vertraue meinem Wort mehr als dem, was dir jetzt vor Augen steht! Doch wenn du mir nicht vertraust, wird das Konsequenzen haben: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“
Doch die Angst vor dem, was ihm vor Augen steht, ist bei Ahas größer als das Vertrauen auf Gottes Versprechen. Und so gibt ihm Gott noch eine Hilfestellung für seinen Glauben: Er darf sich jedes beliebige Zeichen aussuchen, mit dem Gott ihm bekräftigen soll, dass er wirklich da ist, dass er wirklich tut, was er versprochen hat. Was für ein ungewöhnliches Angebot! Doch der Ahas kneift. Wenn Gott ihm dieses Zeichen geben sollte, dann müsste er sich ja auch wirklich ganz ohne Einschränkungen auf das Versprechen verlassen, das Gott ihm gegeben hat. Aber das kann er doch nicht: Was soll schon das Wort Gottes ausrichten, wenn er die verbündeten Heere nun schon bald vor seiner Stadtmauer sehen wird?
Und da reicht es dem Propheten Jesaja: Wenn du immer noch nicht bereit bist, Gott zu vertrauen, dann sage ich dir jetzt schon, was in Zukunft passieren wird: Es wird nicht lange dauern, bis ein Sohn geboren werden wird, der den Namen Immanuel, Gott mit uns, bekommen wird, als Zeichen der Dankbarkeit für die Errettung vor der Gefahr, die dir jetzt noch so unüberwindlich erscheint. Gott selber wird dich einmal in deinem Kleinglauben beschämen, wird dir zeigen, dass du gut daran getan hättest, ihm ganz zu vertrauen.
Mehr als 700 Jahre später wird wieder ein Mensch herausgefordert zum Glauben, zum Glauben gegen allen Augenschein. Diesmal ist es nicht ein König, sondern eine junge Frau, die gefordert ist, Gottes Wort zu vertrauen, obwohl dies vollkommen unvernünftig erscheint. Heute, am 25. März, genau neun Monate vor Weihnachten, feiern wir den Tag der Ankündigung der Geburt des Herrn, auch Mariae Verkündigung genannt. Maria ist die junge Frau, der dieser Glaube zugemutet wird:
Glauben soll sie, dass sie schwanger ist, obwohl sie noch nie mit einem Mann zusammen war. Glauben soll sie, dass das Kind, das sie unter ihrem Herzen trägt, nicht irgendein Kind ist, sondern kein Geringerer als der Sohn Gottes selber, Immanuel, Gott mit uns, in ganz wörtlichem Sinn. Glauben soll sie, dass Gottes Heiliger Geist an ihr und in ihr bewirkt, was sie keinem Außenstehenden wird erklären können. Glauben soll sie, dass Gott es in all dem gut mit ihr meint, obwohl er ihr mit dieser Schwangerschaft alle möglichen Probleme bereitet. Doch Maria ist anders als Ahas. Sie fragt nach, aber sie zögert nicht, sie zweifelt nicht, sondern verlässt sich ganz auf das Wort des Herrn: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Und so bringt sie ihn zur Welt, ihn, den Immanuel, den Gott mit uns, in dem Gott zeigt, dass auf sein Wort Verlass ist, ja, dass der Thron Davids tatsächlich in alle Ewigkeit Bestand haben wird, der Thron, auf dem der eine Nachkomme Davids für immer sitzen wird, Jesus von Nazareth, der zugleich Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott ist.
Von Maria können wir Glauben lernen, gerade auch in diesen Corona-Tagen. Gewiss, wir müssen uns darüber klar sein, was Gott uns versprochen hat und was er uns nicht versprochen hat. Gott hat uns nicht versprochen, dass wir als Christen von Corona verschont bleiben. Gestern Abend las ich im Internet, dass allein in Italien schon mehr als 50 Priester an dem Corona-Virus erkrankt und gestorben sind, gerade deshalb, weil sie ihrem Auftrag, die Sterbenden zu begleiten, so gewissenhaft nachgekommen sind. Gott hat uns auch nicht versprochen, dass nach Corona in unserem Land einfach alles wieder gut wird. Doch er hat uns andere Versprechen gegeben: Er hat uns in unserer Taufe versprochen, dass der Tod von nun an in unserem Leben schon hinter uns liegt, dass das Ende unseres Lebens fortan nur noch ein Durchgang ins ewige Leben ist. Er hat uns in unserer Taufe versprochen, dass wir seine Kinder sind und bleiben, dass er als unser Vater immer ein offenes Ohr für uns hat. Er hat uns in unserer Taufe versprochen, dass der Immanuel, der Gott mit uns, tatsächlich jeden Tag unseres Lebens an unserer Seite bleiben wird, dass wir uns darum nicht zu fürchten brauchen, was auch auf uns zukommen mag.
Ja, ein Zeichen hat er uns gegeben, als er Maria schwanger werden ließ, bevor sie mit einem Mann zusammen war. Ein Zeichen dafür, dass seine Möglichkeiten unendlich weiterreichen als unsere Vorstellungen und Befürchtungen. Ein Zeichen dafür, dass er tatsächlich in die Geschichte dieser Welt, in unser Leben eingreifen kann und tatsächlich eingreift, dass er uns so nahekommt, dass er, der lebendige Gott, sich im Leib eines Embryo finden lässt, dass er sich anfassen, berühren lässt. Er, der Gott mit uns, der Immanuel, trägt nicht nur einen schönen Namen, sondern dieser Name ist Programm:
Gott mit uns, ja, auch mit dir, auch in dem Zimmer deines Asylbewerberheims, in dem du im Augenblick eingesperrt bist. Gott mit uns, auch in deiner Wohnung, in der dir allmählich die Decke auf den Kopf fällt. Gott mit uns, auch wenn du erfährst, dass in deiner unmittelbaren Umgebung ein Mensch am Corona-Virus erkrankt ist, wenn aus der abstrakten Bedrohung mit einem Mal eine ganz konkrete wird. Ja, Gott mit uns, auch wenn wir selber erkranken, ja auch, wenn wir selber am Beatmungsgerät hängen. Er hat es dir versprochen in deiner Taufe, und er steht dazu. Zögere nicht wie Ahas; vertraue seinem Wort, wie Maria dem Wort des Engels vertraut hat! Halte dich an das Zeichen, das Gott dir gegeben hat, halte dich an das Kreuz seines Sohnes Jesus Christus! Dort hat er, der Gott mit uns, gerufen: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? – Damit er, der Gott mit uns, für immer bei dir bleibt, dich für immer in seinen Armen hält. Darum fürchte dich nicht! Amen.