Kolosser 2,12-15 | Mittwoch nach Quasimodogeniti | Pfr. Dr. Martens

Manchmal denke ich, dass es doch alles keinen Zweck hat. Die eigenen Kräfte werden weniger, reichen einfach nicht aus, um all das noch bewältigen zu können, was eigentlich angegangen werden müsste. Und wieviel Mühe ich mir auch geben mag – gegen die entscheidenden Mächte komme ich doch sowieso nicht an. Früher oder später erweist sich doch der Tod als Sieger, scheinen alle Bemühungen zuvor im Leben am Ende doch vergeblich zu sein.

Manchmal denke ich, dass es doch alles keinen Zweck hat. Das eigene Versagen ist so klar erkennbar, dass sich da doch nichts wiedergutmachen lässt, dass die Folgen nicht auszulöschen sind.

Manchmal denke ich, dass es doch alles keinen Zweck hat. Da habe ich mit Mächten und Gewalten zu kämpfen, die so viel stärker sind als die eigenen Möglichkeiten und gegen deren Zynismus ich einfach nur machtlos bin. Was soll es da eigentlich, diese Kämpfe immer noch weiterzuführen – sollte ich nicht einfach nur alles hinschmeißen, mich in den eigenen Wohlfühlbereich zurückziehen und eingestehen, dass alles andere doch sinnlos wäre, mich nur selber kaputt macht?

Ja, manchmal denke ich so, weil ich das, was ich um mich herum und an mir erfahre, für die eigentliche und letzte Wirklichkeit halte, der ich mich zu beugen habe, weil es nur sie und nichts anderes gibt. Doch wie gut, dass uns Gottes Wort dazu anleitet, die Realität, in der wir leben und von der wir umgeben sind, noch einmal mit ganz anderen Augen wahrzunehmen!

Was unser Leben wirklich ausmacht und bestimmt, ist nicht das, was wir können oder nicht können, ist nicht unser Tod, dem wir entgegengehen. Was unser Leben wirklich ausmacht und bestimmt, ist nicht das, was wir erreicht oder eben auch nicht erreicht haben, ist nicht unsere Schuld und unser Versagen. Und was unser Leben wirklich bestimmt, sind auch nicht die Mächte, die uns und anderen die Luft zum Leben und zum Atmen zu nehmen versuchen, wie wir es gerade auch in unserer Arbeit hier beinahe Tag für Tag erleben.

Sondern was unser Leben wirklich ausmacht und bestimmt, ist das, was am Tag unserer Taufe an uns geschehen ist, so macht es uns St. Paulus in der Predigtlesung des heutigen Abends deutlich. So unscheinbar dieses Geschehen der Taufe auch sein mag – in Wirklichkeit ist es so viel bedeutsamer als alles andere, was uns zu erdrücken scheint, was uns scheinbar in die Resignation treibt.

Dabei ist die Taufe alles andere als eine harmlose Sache, so zeigt es uns der Apostel hier. Jede Taufe ist ein Begräbnis, ein Abschied, bei dem das Ende eines Lebens definitiv festgemacht wird. Ja, wir haben unsere eigene Beerdigung tatsächlich schon hinter uns, so macht es der Apostel deutlich. Wir haben die Konsequenzen unserer Trennung von Gott in der Taufe in der Tat erlitten, als wir dort begraben worden sind, als unser Leben in der Trennung von Gott sein Ende fand. Aber, so betont es der Apostel: Die Taufe war eben nicht nur eine Beerdigung, nicht nur ein Begräbnis. Sondern in der Taufe sind wir jetzt schon auferstanden, sind jetzt schon lebendig gemacht worden, haben dadurch schon jetzt Anteil an dem neuen, unzerstörbaren Leben erhalten, in das Christus auferstanden ist. Denn in der Taufe sind wir so eng mit Christus verbunden worden, dass wir mit Christus begraben und mit ihm auferstanden sind, dass sein Geschick nun auch ganz unser Geschick geworden ist.

Ja, es lässt sich nicht leugnen: Unsere Kräfte werden weniger, unser Körper wird nicht stärker, und letztlich gehen wir tatsächlich unserem leiblichen Tod entgegen. Und doch ändert das nichts daran, dass wir jetzt schon zugleich unseren Tod hinter uns haben, schon begraben und auferstanden sind mit Christus. Keine Schwäche, keine Krankheit, kein Sterben kann daran noch etwas ändern, dass wir schon teilhaben an dem neuen Leben, das uns Christus geschenkt hat. Im Gegenteil: Gerade da, wo wir schwächer werden, wo wir dem Tod entgegengehen, wird Christus umso größer und stärker in unserem Leben, erfahren wir immer deutlicher, dass alles an Christus und letztlich nichts an uns selber hängt.

Und ebenso verhält es sich mit unserer Schuld und unserem Versagen: Es lässt sich nicht leugnen. Und doch bestimmt unsere Schuld und unser Versagen eben nicht mehr unser Leben. Denn in der Taufe haben wir die Vergebung aller unserer Sünden empfangen – und was das heißt, das macht der Apostel hier in einem Bild sehr schön anschaulich: Wir waren belastet mit einem Schuldbrief, der uns mit seinen Forderungen früher oder später erdrückt hätte, den wir niemals hätten begleichen können. Doch Gott hat uns diesen Schuldbrief weggenommen und hat ihn an das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus geheftet. Damals wurde ja über einem Gekreuzigten immer die Schuld auf einem Schild geschrieben, weswegen der Betreffende die Todesstrafe erleiden musste. Und nun dürfen wir wissen: Die Schuld und das Versagen, das uns so sehr belastet – sie bringen nicht länger uns den Tod und die Verdammnis ein, sondern ihre Folgen erkennst du, wenn du auf den gekreuzigten Christus schaust. Da bei ihm ist deine Schuld nun zu finden, angeheftet an das Kreuz, nicht mehr bei dir selber, seit Christus sich in der Taufe mit dir verbunden hat. Nein, nicht wir müssen unser Versagen wiedergutmachen – Christus ist es, der all die Folgen deines Versagens getragen hat und dir damit die Möglichkeit zu einem neuen Anfang geschenkt hat. Um dieser Vergebung willen brauchen wir nicht aufzugeben, brauchen wir uns von unserem Versagen nicht erdrücken zu lassen. Christus hat bezahlt, was wir niemals hätten bezahlen können. Die Schulden sind weg – ein für alle Mal!

Und dann gebraucht der Apostel Paulus hier noch ein wunderbares Bild: Er stellt uns einen Triumphzug vor Augen, bei dem all die Mächte, die uns in unserem Leben jetzt noch so unter Druck setzen, uns verzagen und verzweifeln lassen wollen, als Besiegte vorgeführt werden, die endgültig vernichtet und geschlagen sind.

Nein, auch das soll nicht nur Zukunftsmusik sein – sondern diese Aussicht ragt jetzt schon in unsere Gegenwart hinein, lässt uns schon jetzt das, was in unserem Leben geschieht, noch einmal mit anderen Augen wahrnehmen.

Wir dürfen den Triumphzug jetzt schon vor Augen haben, in dem einmal all die Mächtigen und Gewaltigen zur Schau gestellt werden, in dem einmal erkennbar werden wird, dass ihre Macht endgültig gebrochen sein wird: Da werden wir sie sehen: Herrn Khomeini und die Taliban. Da werden wir sie sehen: Die Entscheider, die jetzt noch über den Glauben von Christen Hohn und Spott ausgießen und sich dabei so mächtig vorkommen und die doch einmal erfahren werden, wie furchtbar sie ihre Macht missbraucht haben. Da werden wir sie sehen: Die Herren und Frauen Politiker, die ihre Augen vor dem Leid der Unterdrückten verschlossen haben, die alles versucht haben, um nur ja selber an der Macht bleiben zu können. Ja, mehr noch: Wir werden in diesem Triumphzug den Teufel selber mit seinen Engeln sehen, der jetzt noch hier auf so vielfältige Weise Menschen für seine Zwecke benutzt und missbraucht. Auch mit seiner Macht wird es einmal ein Ende haben.

Und wir – wir werden uns nicht der Schadenfreude hingeben, sondern ganz damit befasst sein, uns mit Christus, dem Sieger, zu freuen, sollen und dürfen jetzt schon aufatmen, wenn doch scheinbar nur Grund zur Resignation zu bestehen scheint. Was wir hier und jetzt an Skandalösem in unserem Land gerade auch im Umgang mit christlichen Flüchtlingen erleben, ist nicht das Letzte. Christus selber wird für die eintreten, die jetzt noch von allen Parteien und allen Lobbygruppen verlassen erscheinen. Ja, das hat er euch allen in der Taufe fest zugesagt. Am Ende wird die große Siegesfeier stehen. Und bis dahin werden wir weitermachen – weil wir getauft sind, weil sich eben darum jeder Einsatz lohnt. Amen.

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