Offenbarung 2, 12-17 | Mittwoch nach dem zweiten Sonntag im Advent | Pfr. Dr. Martens

Er wird wahrscheinlich noch die nächsten sieben Jahre nicht zu sehen sein – der Pergamonaltar im gleichnamigen Museum in Berlin-Mitte. Und wenn man daran denkt, wie sich Baumaßnahmen in Berlin zu entwickeln gedenken, weiß ich nicht, ob ich diesen Pergamonaltar hier in Berlin vor meiner Verabschiedung in den Ruhestand noch einmal live sehen werde.

Für die Christen in Pergamon am Ende des 1. Jahrhunderts nach der Geburt Christi war dieser Pergamonaltar allerdings nicht einfach bloß ein interessantes Kunstwerk. Tagtäglich erlebten sie mit, wie Pilgerströme in die Stadt zogen, um eben auf diesem Altar und im Heiligtum des Asklepios ihre Opfergaben darzubringen. Hochgradig religiös aufgeladen war die Stimmung in der Stadt, die ganz wesentlich auch von diesen Pilgerströmen lebte. Wer da nicht mitmachte, wer vielleicht gar den Sinn dieser Verehrung der griechischen Götter grundlegend in Frage stellte, der bekam Probleme, der musste damit rechnen, ausgegrenzt, angegriffen, ja, wie im Falle von Antipas, sogar getötet zu werden.

Und an diese Christen in Pergamon richtet der auferstandene Christus nun hier in den Versen unserer Predigtlesung ein Schreiben, das sehr direkt auf ihre Situation eingeht und das sich zugleich doch auch heute noch als so aktuell erweist. Dreierlei macht Christus den Christen in Pergamon, macht er auch uns heute deutlich:

  • Ich weiß, wo du wohnst.
  • Ich weiß, was bei dir verkündigt wird.
  • Ich weiß, wie das Ziel deines Lebens aussieht.


I.

Ich weiß, wo du wohnst! Das ist das Erste, was Christus den Christen in Pergamon damals deutlich machte. Ich weiß genau, was es für dich heißt, als Minderheit bedrängt zu werden, von einer religiösen Mehrheitsgesellschaft unter Druck gesetzt zu werden, ja, auch mit politischen Mitteln bedrängt und bekämpft zu werden. Ich weiß, dass es für dich nicht bloß um ein paar Unannehmlichkeiten geht, sondern dass sich hinter diesem religiösen Druck, dem du ausgesetzt bist, kein Geringerer als der Teufel selber verbirgt, der dich unter dem Mäntelchen der Religiosität bekämpft, dich und deinen Glauben vernichten will. Und ich weiß, dass du dich von all diesen Widerständen nicht hast beirren lassen, dass du mir treu geblieben bist, auch öffentlich zu mir gestanden hast, auch wenn du dafür noch so angegriffen wurdest. Ja, ich weiß, wo du wohnst.

Ich weiß, wo du wohnst – was für eine tröstliche Botschaft ist das auch für uns heute Abend! Christus kennt das Umfeld, in dem wir wohnen, ebenfalls ganz genau, und er kennt auch all die Schwierigkeiten, denen Christen, Konvertiten vom Islam zum christlichen Glauben allemal, heute ausgesetzt sind. Ich weiß, wo du wohnst – in einer Umgebung, in der sich alle möglichen Menschen für Christen und Spezialisten in Fragen des christlichen Glaubens halten, obwohl sie mitunter kaum das Apostolische Glaubensbekenntnis vom Vaterunser unterscheiden können. Ich weiß, wo du wohnst – in einer Umgebung, in der man sofort von allen möglichen Seiten angegriffen wird, wenn man Jesus Christus als den einzigen Weg zu Gott bekennt und bezeugt. Ich weiß, wo du wohnst – in einer Umgebung, die nur mit Unverständnis reagiert, wenn ein Christ erzählt, dass er vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert ist: Das ist doch eigentlich alles dasselbe, die glauben doch alle an denselben Gott! Und weh dem, der dieser allgemeinen zivilen Religion zu widersprechen droht! Der wird mit Stempeln versehen und ausgegrenzt, den versucht man sehr schnell mundtot zu machen! Und wenn christliche Asylbewerber in ihren Anhörungen an die falschen Leute geraten, dann müssen sie eben auch damit rechnen, dass ihnen dasselbe Schicksal wie dem Antipas, wenn auch indirekt, droht, wenn sie in ihre Heimat zurückgeschickt werden, weil eine Entscheiderin meint, sie könnten keine Christen sein, weil sie das Datum des Weihnachtsfestes nicht richtig bestimmen konnten. Ich weiß, wo du wohnst! Christus weiß, wie es den Christen auch hier in Deutschland geht, und er sieht genau hin, erkennt, wo Christen ihrem Herrn auch dann treu bleiben, wenn sie damit gegen den Strom schwimmen müssen, wenn ihnen der Wind gesellschaftlicher Stimmungen und Meinungen gewaltig ins Gesicht bläst. Ich weiß, wo du wohnst – was für eine tröstliche Adventsansage unseres Herrn!


II.

Doch nun übt Christus zugleich auch ziemlich deutliche Kritik an der Gemeinde in Pergamon: Ja, die Christen in dieser Gemeinde haben auch unter schwierigen Bedingungen zu ihrem Glauben gestanden. Aber sie haben es zugleich auch zugelassen, dass Irrlehrer in ihre Gemeinde eingedrungen sind, Menschen, die verkündigten, dass der christliche Glaube nur etwas mit unserem Kopf und unserem Herz zu tun hat, aber nichts mit unserem Körper. Mit unserem Körper können wir machen, was wir wollen; der ist eigentlich nur ein Gefängnis für den göttlichen Funken in uns! Und das Spannende ist nun: Das ist dem auferstandenen Christus nicht egal, was da in der Gemeinde gelehrt und entsprechend dann auch von den Gemeindegliedern praktiziert wird! Der Jesus, der sich uns hier in diesem Schreiben an die Gemeinde in Pergamon zu erkennen gibt, ist kein Kuscheljesus, der für jedes und alles Verständnis hat, was in der Kirche geschieht, der die Verkündigung nur daran bemisst, ob die Leute sie auch gut finden und sich dabei wohlfühlen. Jesus Christus hasst falsche Lehre im Gottesdienst, in der Gemeinde; er lässt sich nicht dadurch besänftigen, dass diese falsche Lehre gut bei den Leuten ankommt und man das ja alles wohl nicht ganz so eng sehen muss! Wenn der Leib in unserem christlichen Glauben keine Rolle mehr spielt, dann wird Jesus letztlich doch wieder nur zu einem Lehrer oder Propheten, dann kann man letztlich mit seinem Tod am Kreuz nichts mehr anfangen, nichts mit den leiblichen Mitteln seiner Gegenwart in der Taufe, im Heiligen Mahl! Das ist dann tatsächlich eine ganz andere Religion, auch wenn man noch so oft den Namen von Jesus im Munde führt! Ach, wie aktuell sind auch diese Worte unseres Herrn! Ja, wie quer liegen sie zu dem, was heute so oft verbreitet wird, als ob das, was wir mit unserem Körper machen, Jesus nichts angeht, als ob er das schon ganz okay findet, wenn wir Religionen fröhlich durcheinander mixen und in Kirchen Koranverse, ja den Ruf des Muezzin erschallen lassen. Ach, wie aktuell ist die Ankündigung unseres Herrn: Tue Buße; wenn aber nicht, so werde ich bald über dich kommen und gegen sie streiten mit dem Schwert meines Mundes! Ach, dass die, die sich jetzt noch immer wieder so gerne am Applaus der Mehrheiten orientieren, rechtzeitig aufwachen und erkennen mögen, vor wem sie sich am Ende einmal in Wahrheit werden verantworten müssen!


III.

Doch Christus lässt seine Warnung an die Gemeinde nicht sein letztes Wort sein. Er macht ihr noch ein Drittes deutlich: Ich weiß, wie das Ziel deines Lebens aussehen wird. Das Ziel deines Lebens wird nicht dunkel, sondern hell sein. Am Ziel deines Lebens wird die Feier des Heiligen Mahles, die du jetzt schon in jedem Gottesdienst erlebst, einmal einmünden in die Teilhabe an dem Brot des ewigen Lebens, an dem verborgenen Manna, an dem Festmahl, das einmal kein Ende mehr kennen wird. Ja, du wirst mit dabei sein! Die, die zu Jesus gehören, deren Name bei der Taufe genannt worden ist, die werden am Ende nicht vor einer verschlossenen Tür stehen, die werden hereingelassen werden zu dem großen Fest.

Alles Leiden an den Angriffen von außen, alles Leiden an der Kirche und an dem, was in ihr so oft geschieht, wird einmal abgelöst werden von grenzenloser Freude darüber, schließlich doch angekommen zu sein, von grenzenloser Freude darüber, wie sehr es sich gelohnt hat, bei Christus geblieben zu sein. Noch sind wir nicht da, noch leben wir im Advent, in der Erwartung der Wiederkunft unseres Herrn, noch macht uns bis dahin so vieles zu schaffen. Doch Christus, unser Herr, der weiß schon, wo es hingeht, der gibt uns auch heute Abend wieder einen Vorgeschmack dessen, was uns am Ziel erwartet, wenn wir ihn einmal sehen werden – ihn, der uns schon heute verborgen in den Gestalten von Brot und Wein leibhaftig begegnet. „Ich weiß, wo du wohnst“, sagt Christus. Ja, wie gut, dass du hier bei mir dein Zuhause gefunden hast! Das kann und soll dir niemand nehmen! Ja, wie gut, dass wir auch heute Abend seine Stimme vernehmen durften, die Stimme dessen, der auch zu uns spricht: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle! Halleluja! Amen.

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