Offenbarung 21, 10.11a.22-27 | Mittwoch nach dem Ewigkeitssonntag | Pfr. Dr. Martens

„So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein!“ – So erklärte der Regisseur Christoph Schlingensief in einem Buch, das er nach der Entdeckung seiner schweren Krebserkrankung schrieb. „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein!“ – Wir wissen natürlich: Das kann eigentlich gar nicht stimmen. Der Himmel wäre nicht Himmel, wenn er nicht tatsächlich mehr zu bieten hätte als das, was wir hier auf Erden erfahren. Und doch ist die Haltung, die Christoph Schlingensief da zum Ausdruck bringt, eine Haltung, die wir so gut verstehen, so gut nachvollziehen können, eine Haltung, die auch wir immer wieder ganz selbstverständlich einnehmen, wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden, mit dem eigenen oder mit dem Tod eines geliebten Menschen. Alles, was wir hier auf Erden auch an Schwerem durchzumachen haben, scheint doch immer noch schöner und besser zu sein, als sterben zu müssen, als nicht mehr hier auf der Erde zu leben.

Nun ist es ja durchaus gut und richtig, dass wir als Menschen an diesem Leben hängen, das Gott uns hier auf Erden geschenkt hat, dass wir nicht die ganze Zeit nur daran denken, wann dieses Leben denn nun endlich endet und von einem schöneren abgelöst wird. Doch es ist schon gut und heilsam, wenn wir gerade in dieser Woche des Ewigkeitssonntags daran erinnert werden, dass es tatsächlich richtig ist: Was uns am Ziel erwartet, im Himmel, in der neuen Welt Gottes, ist tatsächlich noch unendlich schöner als alles, was wir hier auf Erden erleben. Ja, wir gehen einem Ziel entgegen, auf das wir uns freuen dürfen, ja, dem wir uns auch entgegensehnen dürfen – in dem Wissen, dass Gott selber es ist, der seine neue Welt einmal an die Stelle der alten setzen wird und der auch unser Einzugsdatum in diese neue Welt bestimmen wird, ja, dessen dürfen wir gewiss sein, schon bestimmt hat.

Warum ist es im Himmel doch noch schöner als hier auf der Erde? Genau darum geht es in der Predigtlesung dieses heutigen Abends. Vom Himmel ist da allerdings nur am Rande die Rede, sondern vielmehr von der neuen Stadt Jerusalem. Was Johannes über sie schreibt, ist so schön, so tröstlich, so Mut machend, dass wir zugleich schon merken: Es sprengt alles, was man jemals über eine irdische Stadt sagen könnte, ja, es sprengt unser menschliches Vorstellungsvermögen überhaupt. Aber in dem Begriff der Stadt steckt eben schon ein Doppeltes drin: Zum einen: Dass wir einmal ein Zuhause haben werden, einen festen Wohnsitz, an den wir hingehören. Wir werden nicht einfach nur auf einem Wölkchen herumsitzen; wir werden erfahren, dass wir angekommen sind, endgültig angekommen sind. Und zum anderen macht der Begriff der Stadt natürlich auch deutlich: Wir werden in der Zukunft in einer großen Gemeinschaft leben, wir werden nicht einfach ganz allein zu zweit oder dritt mit dem Herrn Jesus zusammensitzen; wir werden auch nicht einfach nur mit einigen Familienangehörigen zusammen sein. Sondern wir werden in einer ganz großen Gemeinschaft leben – und eben darin wird sich unsere menschliche Bestimmung endgültig erfüllen. Jetzt mögen uns andere Menschen ja mitunter noch fürchterlich auf den Keks gehen, und wir mögen es als Erholung empfinden, mal einfach für uns ganz allein sein zu dürfen. Doch in Gottes neuer Welt wird es nur noch schön sein, mit anderen Menschen zusammen zu sein und zusammenzuleben. Wir sind als Menschen zur Gemeinschaft geschaffen und bestimmt.

Was wird in dieser neuen Stadt Gottes so besonders schön sein? Wir werden beispielsweise keinen langen Weg zur Kirche mehr haben. Als zu den irdischen Lebzeiten Jesu das erste Jerusalem noch stand, da zeichnete es sich dadurch aus, dass in seiner Mitte ein großer, wunderschöner Tempel stand – der Ort der Begegnung mit Gott. Wenn man Gott begegnen wollte, dann musste man nach Jerusalem pilgern. Dort war sein Haus. Jesus selber machte dann schon deutlich: In Zukunft wird es anders sein: Sein Leib ist der neue Tempel, in ihm wohnt Gott selber – und wo immer wir ihm, seinem Leib und seinem Blut begegnen, da ist Gott, überall, wo Menschen sich um ihn versammeln. Doch dieser Weg an einen Ort, wo Menschen sich versammeln, um den Leib und das Blut des Herrn zu empfangen, kann immer noch beschwerlich sein – angefangen schon mit dem Aufstehen überhaupt. Doch in der neuen Stadt Gottes werden wir überhaupt nicht mehr irgendwo hingehen müssen, um Gott, um Christus, dem Lamm Gottes, zu begegnen. Dort in Gottes neuer Welt werden wir immer in der unmittelbaren Gegenwart Gottes leben, immer in der unmittelbaren Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus. Diese Gegenwart zu erfahren, wird das vollendete Glück sein, das wir einmal erleben werden. Wenn Gott unser Tempel sein wird, dann bedeutet das: Wir werden in Gott sein, von allen Seiten von ihm, von seiner liebenden Gegenwart umgeben. Wir werden endgültig am Ziel unserer Reise angekommen sein, die wir jetzt noch immer wieder auf uns nehmen, wenn wir hierher in dieses Kirchgebäude kommen.

Ein weiteres Kennzeichen der neuen Stadt Gottes, in der wir einmal leben werden, wird das Licht sein. Gewiss, damals zur Zeit des Neuen Testaments war die Welt insgesamt nachts sehr viel dunkler. Beleuchtete Städte, wie wir sie heute kennen, waren damals noch völlig unvorstellbar. Doch in dieser neuen Stadt Gottes wird es eben nicht bloß irgendeine Form von 24-Stunden-Straßenbeleuchtung geben. Sondern das Licht in dieser neuen Stadt Gottes wird noch schöner, noch wunderbarer sein als das Licht der Sonne, das wir jetzt erfahren. Ach, wie sehnen wir uns auch im Jahr 2016 trotz aller Beleuchtungstechniken nach dem Schein der Sonne, ganz besonders jetzt in diesem trüben Monat November! Wie tut das gut, von der Sonne beschienen zu werden, wie hilft das gerade auch der Seele! Und nun werden wir in Gottes neuer Welt von einer Sonne beschienen werden, die uns noch viel froher, noch viel glücklicher macht als jedes Sonnenlicht auf der Erde: Christus selbst, das Lamm Gottes, wird dieses Licht sein. In seiner Gegenwart zu stehen, wird uns nicht zum Schwitzen bringen – wohl aber werden wir selber vor Freude strahlen, werden von seiner Gegenwart durchdrungen werden, aufatmen, froh sein, ja, gewärmt sein. In Gottes neuer Stadt werden wir nie mehr frieren müssen, weil Christus selber uns mit seiner Gegenwart stets die Wärme schenken wird, die wir brauchen. Was für eine Aussicht. Und da sage einer, es könne im Himmel nicht noch schöner sein als hier auf Erden!

Und dann kommt gleich das nächste Wunderbare, was es in Gottes neuer Welt geben wird: Menschen aus allen Völkern werden in ihr versammelt sein, und alle werden ihren Reichtum in diese Stadt bringen. Im Himmel wird keine deutsche Leitkultur herrschen, gottlob. Da wird es sehr, sehr bunt zugehen – und das wird niemand mehr als Bedrohung empfinden, sondern nur noch als Grund zur Freude, ja als Bereicherung: mit Menschen zusammen zu sein, die aus ganz anderen Kulturen kommen, die ganze andere Erfahrungen mitbringen. Und doch werden sie in einem alle gleich sein: in ihrer Freude an Christus, ihrem Herrn und Retter. Das wird sie verbinden, wird sie im Frieden in dieser Stadt zusammenleben lassen, dass sie zu Christus gehören, dass Christus ihr Leben und ihre Freude ist. Schwestern und Brüder: Ahnen wir ein wenig davon, dass wir hier in unserer Gemeinde schon ein Stück Himmel erleben dürfen, wenn Menschen aus ganz verschiedenen Völkern und Kulturen bei uns zusammenkommen, sich gegenseitig bereichern und immer wieder hier schon eins werden in der Gemeinschaft mit Christus hier an unserem Altar?

Und noch auf ein Letztes dürfen wir uns in Gottes neuer Stadt freuen: Ja, sie wird von einer Mauer umgeben sein – aber diese Mauer wird immer offen und niemals geschlossen sein. Niemals werden wir mehr Angst haben müssen, draußen vor der Mauer zu stehen und nicht hineingelassen zu werden. Niemals werden wir Angst haben müssen, dass Menschen aus unserer Mitte hinter diese Mauer gesetzt werden und nicht mehr zu uns zurück dürfen. Niemals werden wir uns einbunkern und einigeln müssen in dieser neuen Stadt. Keine Bedrohung werden wir dort mehr erleben, niemanden, der unsere Zugehörigkeit zu Jesus Christus jemals noch in Frage stellen wird.  

Ja, Schwestern und Brüder, ich freue mich von Herzen auf diese neue Stadt Gottes. Ich freue mich darauf, einmal nie mehr darum kämpfen zu müssen, dass Schwestern und Brüder dort bleiben können, wo sie ihr geistliches Zuhause gefunden haben. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich mich nie mehr mit behördlichen Gemeinheiten und Verlogenheiten werde auseinandersetzen müssen, sondern es mir einfach unter der warmen Sonne Jesus Christus nur noch gut gehen lassen werde. Noch ist es nicht so weit; noch muss ich mich heute Nacht wieder an die Arbeit machen und Bescheinigungen schreiben. Aber mit der Aussicht auf das neue Jerusalem geht einem das ein wenig leichter von der Hand. Und Gott geb’s, dass es euch auch so geht, dass euch die Aussicht auf das, was uns Johannes hier vor Augen stellt, auch hilft, nicht aufzugeben, nicht zu verzweifeln, getrost weiterzugehen auf dem Lebensweg. Ja, Gott geb’s, dass euch diese Aussicht auch immer wieder klar macht, was im Leben wirklich wichtig ist und bleibt: Immer bei ihm, Christus, zu bleiben, bei ihm, der einmal unser endgültiges Zuhause sein und bleiben wird. Amen.

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