Offenbarung 21,1-7 (Vorlage für die persische Übersetzung) | Vorabend zum Ewigkeitssonntag | Pfr. Dr. Martens

Diese Welt ist ungerecht – ja, so unerträglich ungerecht, dass es zum Himmel schreit. Das ist eine Erfahrung, die viele von euch in ihrem Leben schon gemacht haben oder gerade machen, und das ist eine Erfahrung, die Menschen im Verlauf der Geschichte immer wieder gemacht haben und bis zum heutigen Tag überall auf dieser Welt machen. Ja, diese Welt ist fürchterlich ungerecht.

Was kann man gegen diese Ungerechtigkeit machen? Dagegen ankämpfen, so gut man kann, in der Hoffnung, dass am Ende doch noch die Gerechtigkeit über die Ungerechtigkeit siegt? Ja, das ist gewiss gut und richtig, wenn wir uns mit der Ungerechtigkeit in dieser Welt nicht einfach abfinden, dass wir uns einsetzen für die Gerechtigkeit und unsere Stimme erheben gegen die Ungerechtigkeit. Und, Gott geb’s, hier und da mag das ja auch etwas nützen. Doch wenn wir unsere Hoffnung darauf setzen, dass wir mit unserem Einsatz doch noch eine wirklich gerechte Welt schaffen, dann werden wir am Ende immer wieder bitter enttäuscht werden, ja, dann werden wir irgendwann aufhören und resignieren. Nein, diese Welt lässt sich nicht in eine gerechte Welt verwandeln.

Noch schlimmer und gefährlicher ist es jedoch, wenn Menschen allen Ernstes meinen, sie hätten einen Weg gefunden, wie sie diese Welt in eine wahrlich gerechte Welt, ja, in ein Paradies verwandeln könnten. Das führt immer wieder direkt in die Katastrophe, wenn etwa Menschen meinen, einen Gottesstaat errichten zu können, mit Mitteln der Religion das Paradies auf Erden errichten zu können. Dieser Gottesstaat ist dann gerade nicht der Himmel, sondern die Hölle auf Erden, so habt ihr es im Iran oder auch in Afghanistan erfahren. Ähnliches haben wir erlebt, wenn Kommunisten versucht haben, eine wahrlich gerechte Gesellschaftsordnung in einem Land zu errichten. Die Folge dessen waren immer wieder unzählige Tote, die bei der Errichtung dieser Gesellschaftsordnung im Wege waren. Nein, was wir als Menschen auf dieser Erde auch versuchen – wir werden es niemals schaffen, eine wirklich gerechte Welt, eine wirklich gerechte Weltordnung herzustellen.

Und wenn wir uns das klarmachen, dann fangen die Worte der Predigtlesung dieses Ewigkeitssonntags noch einmal ganz neu an zu leuchten: Was wir niemals schaffen können und werden, das schafft Gott: Er schafft einen neuen Himmel und eine neue Erde, eine neue Welt, in der wirklich Gerechtigkeit herrscht, in der es all das nicht mehr gibt, was uns jetzt noch so sehr schmerzt und auf der Seele liegt. Die Ungerechtigkeit, die wir jetzt in unserem Leben erfahren, ist nicht das Letzte. Das Letzte ist Gottes neue Welt, zu der Unrecht und Hass keinen Zugang mehr haben. Das Letzte ist das neue Jerusalem, Gottes neue Stadt, die noch einmal ganz anders sein wird als Berlin oder Teheran oder Kabul. Was ist das Besondere in dieser neuen Stadt Gottes? Gott selbst wird sichtbar in ihrer Mitte sein, und da, wo Gott ist, hat das Dunkel, hat das Böse keinen Platz mehr.

Ja, Gott wird einmal alles neu machen – so verspricht er es uns hier. Wie gut, alles was in unserem Leben kaputtgegangen ist, wird einmal ganz neu werden, wird einmal endgültig heil werden. Und doch werden wir zugleich wieder wir selber sein. Wir werden all die Erfahrungen unseres Lebens in diese neue Welt Gottes mitbringen, auch all das Schwere und Schmerzliche, das jetzt so sehr unser Leben bestimmt. Aber dann wird Gott kommen und die Tränen von unseren Augen abwischen, wird die Erinnerung an all das Furchtbare, was in unserem Leben war, einmal endgültig heilen, dass da keine offene Wunde mehr in unserer Seele bleibt, dass Trauer und Schmerz einmal endgültig der Vergangenheit angehören werden.

Ja, das gilt auch für dich, ganz persönlich: Gott wird einmal zu dir kommen und dir deine Tränen von deinen Backen abwischen, wird einmal alle Verwundungen deines Lebens in Freude und Dankbarkeit verwandeln.

Gilt das auch für dich? Darfst du dich darauf auch schon freuen? Oder musst du doch noch Angst haben, dass die Tränen und die Verzweiflung das Letzte in deinem Leben bleiben?

Was uns der heilige Johannes hier zeigt, ist doch nicht nur Zukunftsmusik. Es ist jetzt schon Gegenwart. „Siehe, ich mache alles neu!“ – Das hat Gott auch schon zu dir gesagt am Tag deiner heiligen Taufe, das hat er heute Abend auch zu einem jeden unserer Täuflinge gesagt. Du trägst dieses neue Leben schon hier und jetzt in dir, so gewiss du getauft bist. Und wenn Gott hier sagt: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst – dann gilt diese Einladung dir auch jetzt schon. Du darfst auch schon hier und jetzt aus dieser Quelle trinken, wenn du hierher nach vorne kommst, um den Leib und das Blut deines Herrn zu empfangen. Da bekommst du das ewige Leben ganz umsonst, da darfst du schon etwas erahnen von dieser neuen Welt, in der nur noch eines wichtig sein wird: Dass du für immer bei Christus sein wirst, dass du für immer leben wirst in einer Welt, in der es den Tod nie mehr geben wird.

Ja, diese Aussicht lässt uns durchhalten, gibt uns die Kraft, weiterzuleben in dieser ungerechten Welt. Diese Aussicht gibt uns die Kraft, hier auf der Erde immer wieder für Gerechtigkeit zu kämpfen, eben weil wir wissen, dass wir einmal für immer in einer Welt voller Gerechtigkeit leben werden. Nein, wir brauchen nicht aufzugeben. Was Gott uns versprochen hat, das ist wahrhaftig und gewiss. Was Gott mit uns in der Taufe gemacht hat, das wird sich auch und gerade dann einmal auswirken, wenn unser Leben hier auf der Erde einmal endgültig an sein Ende gekommen sein wird. Gott macht alles neu – auch dein kaputtes Leben. Das Beste liegt noch vor dir: Ein Leben in Gottes Stadt, aus der du nie mehr, wirklich nie mehr abgeschoben werden wirst. Amen.

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