Offenbarung 2,8-11 | Vorabend zum vorletzten Sonntag des Kirchenjahres | Pfr. Dr. Martens

Am vergangenen Sonntag wurde in vielen Gemeinden hier in Deutschland ein Gedenktag für die weltweit verfolgten Christen gehalten, bei dem in den Gottesdiensten für die verfolgten Christen auf der ganzen Welt gebetet wurde. Nun ist bei uns hier in unserer Gemeinde das Thema der verfolgten Christen in jedem Gottesdienst präsent: nicht nur dadurch, dass wir in jedem Gottesdienst für die verfolgten Christen in vielen Ländern dieser Welt beten, sondern vor allem auch dadurch, dass wir in unserer Mitte so viele Geschwister haben, die selber solche Verfolgung und Bedrohung erlebt haben – in ihrem Heimatland und nun leider auch wieder neu durch die deutschen Behörden, denen ein gutes Verhältnis zu den Verfolgerländern oft wichtiger ist als das Schicksal der verfolgten Christen selber.

Wenn wir heute, am Vorabend des Vorletzten Sonntags des Kirchenjahres, in unserer heutigen Predigtlesung mit dem Thema der Unterdrückung und Verfolgung von Christen sehr direkt konfrontiert werden, dann erinnert uns diese Lesung daran, dass es in unserem christlichen Glauben tatsächlich um nicht weniger als um Leben und Tod geht. Unser christlicher Glaube ist eben nicht bloß eine schöne Nebenbeschäftigung in unserem Leben, ein bisschen Motivation und Trost für besondere Anlässe. Sondern im Zentrum unseres Glaubens steht der, der tot war und lebendig geworden ist, so gibt sich Christus selber hier zu Beginn unserer Predigtlesung zu erkennen. Alles, wirklich alles dreht sich in unserem Glauben darum, dass Christus stärker ist als der Tod, dass er ihn besiegt hat – und dass darum der Tod seinen Schrecken für uns verloren hat. Eben darum riskieren Christen überall auf der Welt nicht weniger als ihr Leben für ihre Zugehörigkeit zu Christus, sind bereit, alles preiszugeben, nur um bei dem zu bleiben, der ihnen nicht weniger als das ewige Leben schenkt.

Genau so ging es auch den Christen damals in Smyrna, dem heutigen Izmir in der Westtürkei. Eine kleine Gemeinde waren sie, doch trotz ihrer Kleinheit waren sie der sie umgebenden Bevölkerung ein Dorn im Auge. Und so erfuhren die Gemeindeglieder dort bereits erste Schikanen: Verleumdungen, Verhaftungen, Gefängnisaufenthalte, ja, in der Zukunft womöglich auch den Tod. Und so hatte diese kleine Gemeinde jede Menge Ermutigung nötig, Ermutigung von keinem Geringeren als von ihrem auferstandenen Herrn Jesus Christus selber.

Ach, wie gut können auch wir diese Worte unseres Herrn Jesus Christus gebrauchen; wie direkt sprechen auch uns diese Worte unseres Herrn an, gerade da, wo wir verzagt sein mögen, gar nicht mehr wissen mögen, wie es mit uns überhaupt noch weitergeht angesichts all der Schikanen, denen auch Glieder unserer Gemeinde immer wieder ausgesetzt sind.

Das Erste, was Christus den Christen in Smyrna, was er auch uns zusagt, ist dies: „Ich kenne deine Bedrängnis.“

Ach, wie wunderbar ist es, dass wir dies wissen dürfen: Christus kennt unsere Bedrängnis, er weiß genau, wie es uns geht. Wir mögen mitunter meinen: Warum sitze ich hier ganz allein, warum muss ich diese ganze Angst und Verzweiflung ganz für mich selber durchmachen? Doch Christus sagt es auch zu dir: Ich kenne deine Bedrängnis. Ich weiß, wie dir zumute ist. Ich weiß, wie du dich fühlst, wenn dir nachts immer noch die schrecklichen Erlebnisse durch den Kopf gehen, die du hinter dir hast. Ich weiß, wie du dich gefühlt hast, als du den Bescheid des BAMF in den Händen gehalten hast, in dem dir gesagt wurde, dass du gar kein richtiger Christ bist und du darum in deine Heimat zurückkehren sollst. Ich weiß, wie du dich fühlst, wenn du da im Verwaltungsgericht sitzt und dir die Angst die Kehle zuschnürt und du am Ende kaum noch deinen Namen sagen kannst. Ich weiß, wie es dir geht, wenn du die Ablehnung deiner Klage bekommen hast und nun gar nicht mehr weißt, wie es mit dir weitergehen soll in deinem Leben. Ich weiß, wie es dir geht, wenn du 18 Monate hier im Kirchenasyl sitzen musst, weil du sonst in den Tod abgeschoben würdest. Ja, ich weiß auch, wie es dir geht, wenn du unter Depressionen leidest, wenn deine Kräfte schwinden. Ich kenne deine Fragen und deine Zweifel, ich kenne auch die dummen Sprüche, die du dir wegen deines christlichen Glaubens anhören musst. Ja, sagt Christus, ich kenne dich, ich weiß genau, wie es dir in deiner Lebenssituation geht. Du bist nicht allein und verlassen – und da läuft bei dir auch nicht etwa etwas schief. Ich weiß, warum du gerade diesen Weg gehst und gehen musst.

Doch Jesus sagt zu uns nicht: Ich nehme dir all deine Probleme ab, du musst nur richtig an mich glauben, dann hast du diese Probleme nicht. Er sagt im Gegenteil: Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut. Bedrängnis und Armut – das ist nicht ein Betriebsunfall der Kirche, sondern ihre Normalsituation. Die Normalsituation der Kirche ist nicht die, dass sie eine gesellschaftlich anerkannte Größe ist, dass ihre Bischöfe ihr Gehalt vom Staat bekommen, dass sie finanziell von allen Seiten abgesichert ist. Im Gegenteil: Solche Absicherung hat der Kirche im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder geschadet, hat sie geistlich träge gemacht. Gewachsen ist die Kirche im Gegenteil immer wieder in Armut und Bedrängnis, so erleben wir es gerade auch in unserer heutigen Zeit. Die Kirche wächst im Iran unter größter Bedrängnis. Die Kirche wächst in China unter größter Bedrängnis – und während hier in Berlin am Sonntagmorgen die Straßen leergefegt sind, gibt es jetzt in China wohl schon mehr Christen, als Deutschland Einwohner hat. Und das, obwohl der Staat in China ebenfalls mit aller Härte gegen die Christen vorgeht, ihnen zum Teil die Kirchgebäude abreißt, während die Gemeinde drinnen ihren Gottesdienst feiert.

Ja, im Vergleich dazu geht es uns hier in Steglitz wirklich sehr, sehr gut. Gewiss, auch wir wissen am Anfang des Jahres immer nicht, woher das Geld für unsere Arbeit eigentlich kommen soll. Aber wir erleben es doch immer wieder, wie Christus unseren Kleinglauben beschämt, wie er uns in unserer Schwachheit hilft. Ja, es ist und bleibt sein Projekt, was wir hier in unserer Gemeinde betreiben – und er kennt auch unsere Bedrängnis, kennt auch unsere finanzielle Lage. Und er baut seine Kirche auch bei uns mitten in aller Bedrängnis, mitten in allen Schikanen und Bedrohungen, die wir erleben.

Und dazu gehört dann eben auch, dass Christus den Christen in Smyrna und auch uns keine Erfolgsgarantie gibt, dass wir etwa vor Verhaftung oder auch vor unserer Tötung bewahrt bleiben. „Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen“, so lässt es der auferstandene Christus den Christen in Smyrna ausrichten. Ja, natürlich waren das staatliche Behörden, die die Christen ins Gefängnis beförderten, aber hinter ihnen steht der Widersacher Gottes selber. Und daran hat sich auch bis heute nichts geändert, wenn Christen Abschiebebescheide in den Tod erhalten oder dann auch in Abschiebehaft genommen werden. Es ist der Widersacher Gottes, mit dem wir es auch in der Gestalt von staatlichen Behörden zu tun haben. Ja, es mag sein, dass es auch unserem Staat in Zukunft gelingen wird, Christen in den Tod zu schicken. Doch niemals kann und wird es der Teufel schaffen, uns die Krone des Lebens zu nehmen, den Siegeskranz derer, die Christus auch in Verfolgung und Tod treu geblieben sind.  Ja, genau dazu soll all das dienen, was wir hier in unserer Gemeinde machen, dazu soll auch jeder Gottesdienst, jeder Empfang des heiligen Leibes und Blutes Christi dienen: Dass wir vorbereitet sind für unsere letzte Stunde, die auf uns zukommen wird, sei es auf unserem Sterbebett hier in Deutschland, sei es nach einer Abschiebung in den Tod. Menschlich gesprochen haben wir gegen das Unrecht in unserem Land, haben wir erst recht gegen die Macht des Todes keine Chance. Aber da ist eben der eine, der tot war und lebendig geworden ist. Wenn wir ihn haben, wenn wir mit ihm verbunden sind, dann wird uns kein Leid geschehen von dem zweiten Tod, dann wird unser Tod nicht mehr sein als eine Durchgangstür zu den Freuden des ewigen Lebens. Der Widersacher Gottes mag noch so toben – er kann die Kirche Jesu Christi nicht dadurch verkleinern, dass er ihre Glieder umbringt. Denn es gibt doch nur die eine Kirche im Himmel und auf Erden, in der wir bleiben, ganz gleich, ob wir leben oder sterben.

Ja, wir werden auch weiter unsere Stimme erheben dagegen, dass Christen in den Tod abgeschoben werden, ganz klar. Aber wir dürfen es tun in der getrosten Gewissheit, dass Christus stärker ist als der Tod, was auch immer geschehen mag. Bleibe darum nur immer dran an Christus – nicht wegen deiner Aufenthaltspapiere, sondern eben darum, weil dein Name bei Christus im Himmel geschrieben ist! Da geht es hin – und Christus weiß schon, was dabei der beste Weg für dich ist. Darum fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Du gehst deinen Weg mit Christus – durch Leiden und Tod hindurch in Gottes neue Stadt, in der es endgültig keine Bedrängnis, keine Angst und keinen Tod mehr geben wird! Amen.

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