Philipper 2, 14-16 | Mittwoch nach dem 8. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens
Neulich wollte ich am späteren Abend noch einmal etwas aus der Küstersakristei rechts vom Altarraum holen. Ich öffnete die Tür und wollte das Licht anmachen – doch es tat sich nichts. Schnell fiel mir ein: Im Augenblick gibt es hier in der Sakristei kein Licht, denn die elektrischen Leitungen werden gerade neu gemacht – und bis dorthin nach vorne sind die Elektriker noch nicht vorgedrungen. Und ohne Anschluss an die elektrischen Leitungen nützt auch die schönste Glühbirne nichts. Sie bleibt dunkel und leuchtet nicht.
Genau dasselbe Phänomen beschreibt auch der Apostel in der Predigtlesung des heutigen Abends: Als „Leuchtkörper“ bezeichnet er die Christen. Nun hatte der Apostel Paulus damals noch nicht so viel Ahnung von Glühbirnen und elektrischen Leitungen. Aber auch er wusste schon etwas davon, dass ein Leuchtkörper nur dann leuchten kann, wenn er dazu den nötigen Saft von woanders her bekommt. Leuchtkörper sind wir Christen in dieser Welt, dadurch dass wir festhalten am Wort des Lebens, so formuliert es St. Paulus hier. Da gibt es also auch für uns eine Energiequelle, an die wir angeschlossen sind und die uns leuchten lässt: das „Wort des Lebens“, so formuliert es Paulus hier. Was für eine wunderbare Zusammenfassung des Evangeliums: Es ist „Wort des Lebens“. Ja, genau darum geht es, wenn wir das Wort Gottes hören und lesen, hier im Gottesdienst und auch bei uns zu Hause. Es geht nicht bloß darum, dass wir einige interessante Zusatzinformationen über Inhalte der christlichen Religion erhalten; es geht wirklich darum, dass wir beim Hören und Lesen des Wortes Gottes an eine Energiequelle angeschlossen werden, die uns nicht weniger als Leben schenkt, ewiges, unvergängliches Leben. Unsere eigenen Energiespeicherkapazitäten sind leider sehr begrenzt. Es reicht eben nicht, dass wir irgendwann mal in der Vergangenheit Gottes Wort, das Wort des Lebens, gehört haben, dass wir irgendwann mal mit diesem Wort verbunden waren. Natürlich ist es gut, wenn wir Worte des Lebens auch in unserem Gedächtnis eingeprägt haben und sie uns immer wieder in Erinnerung rufen. Aber wenn wir diesen Speicher nicht immer wieder aufladen, wenn wir nicht immer wieder direkt ans Netz gehen, dann reicht die Erinnerung allein auf die Dauer nicht aus.
„Wort des Lebens“ – ja, denke daran, wann immer du dich auf den Weg zum Gottesdienst machst, denke daran, wann immer du dich im Alltag fragst, ob du Zeit hast, das Wort Gottes zu lesen: Es geht um dein Leben, um dein ewiges Leben. Du bekommst in diesem Wort etwas, was dir sonst nichts und niemand geben kann! „Wort des Lebens“ – was für eine wunderbare Energiequelle für das Leben! Was dich in deinem Leben antreibt, ist nicht die Angst vor Strafe, nicht die Angst vor dem Scheitern, ist nicht Druck und Zwang. Sondern was dich in deinem Leben antreibt, ist Christus selber, der durch das Wort des Lebens in dir lebt, dich prägt und verändert, dir eine wunderbare Hoffnung und Zukunftsperspektive schenkt.
Und das macht uns Christen zu Leuchtkörpern, so formuliert es der Apostel, zu Leuchtkörpern, die auch von anderen wahrgenommen werden. Leuchtkörper sind wir nicht deswegen, weil wir jedes Mal knallrot anlaufen, wenn jemand uns auf unsere Zugehörigkeit zu Christus anspricht. Leuchtkörper sind wir auch nicht deshalb, weil wir persönlich solch eine tolle Ausstrahlung haben. Sondern Leuchtkörper sind wir schlicht und einfach dadurch, dass Christus in uns lebt und uns damit auch anders leben lässt.
„Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel“, so formuliert es Paulus hier. Gemurrt hatten damals die Israeliten in der Wüste. Sie vergaßen ganz schnell, was Gott alles für sie zuvor getan hatte, und sahen nur noch die Probleme, denen sie nun gegenüberstanden. Ja, sie trauten Gott einfach nicht zu, dass er sie auch durch Schwierigkeiten zu einem guten Ziel führen würde, zweifelten an seiner Liebe und Fürsorge. Doch als Christen dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns auch durch alles Schwere hindurchführt und nicht allein lässt. Und wenn wir unser Leben in diesem Vertrauen führen, wenn wir um das Ziel wissen, das er uns vor Augen stellt, dann wird sich das auswirken in unserem Verhalten, so macht es uns der Apostel deutlich.
Ja, das wird auffallen in unserer Umgebung, dass wir aus einer anderen Kraftquelle leben, davon ist der Apostel überzeugt. Er hat für die nichtchristliche Umgebung seiner Zeit hier nicht gerade sehr freundliche Worte übrig, nennt sie ein „verdorbenes und verkehrtes Geschlecht“. Nein, es geht ihm hier nicht darum, einzelne Menschen zu beleidigen. Aber er weiß: Wenn Menschen keine Orientierung durch das Wort des Lebens haben, dann läuft ihr Leben am Ende doch in die verkehrte Richtung, auch wenn sie persönlich nett und anständig sind. Und nicht wenige reagieren auf das Licht, von dem wir mit unserem Leben zeugen, dann sogar allergisch, möchten sich in ihrem eigenen Weg, in ihrem eigenen Selbstverständnis nicht in Frage gestellt sehen. Licht schreckt Einbrecher ab – und so müssen wir uns nicht wundern, wenn Menschen es nicht ertragen können, wenn wir als Christen uns anders verhalten als sie, wenn wir dann auch noch sagen, warum wir dies tun. Aber Licht zieht eben auch immer wieder Menschen an. Ich hatte ja am Sonntag in der Predigt davon gesprochen, wie Christen im Iran für andere in einer ganz dunklen Umgebung immer wieder zu Lichtern in der Welt werden, schlicht und einfach dadurch, dass sie eine Hoffnung ausstrahlen, die andere nicht haben. Vielleicht bekommen wir diese Möglichkeit auch hier in Deutschland zunehmend, dass wir mit unserem Leben als Christen andere auf Christus, das Licht der Welt, aufmerksam machen, dass Menschen danach fragen, warum wir so sind, wie wir sind, ja, was für eine Hoffnung wir haben, dass wir auch mit Schwierigkeiten anders umgehen können, dass wir selbst angesichts von Leid und Tod nicht zu verzweifeln brauchen.
Aber, wie gesagt, wichtig ist zuerst und vor allem, dass wir selber festhalten am Wort des Lebens, dass wir dranbleiben an Christus, an seinem Wort und Sakrament. Wir sind selber keine Leuchten, nur Leuchtkörper, die durch Christus hell werden. Gott geb’s, dass wir als Christen diesen Dienst in unserer Umgebung, in unserer Welt leisten können: anderen das Leben hell zu machen, dass auch sie zum Wort des Lebens finden! Amen.