Psalm 34,15b | Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu (Neujahr) | Pfr. Dr. Martens

„Salam!“ – Diese Begrüßung auf Farsi und Dari ist auch vielen der Glieder unserer Gemeinde mittlerweile bekannt, für die Persisch nicht unbedingt ihre Muttersprache ist. „Salam“ – Das klingt irgendwie schöner als einfach nur „Guten Tag“. Doch es gibt auch Iraner, die dieses Wort gar nicht so gerne mögen, weil es ein arabisches Wort ist und weil sie am liebsten alles aus ihrer Sprache entfernen würden, was sie an die arabischen Besatzer ihres Landes erinnert, die mit der Sprache auch den Islam mitbrachten und die eigene, iranische Kultur zu verdrängen versuchten. Doch das Wort „Salam“ ist ein ausgesprochen schönes Wort. Es hat dieselbe Wurzel wie das Wort „shalom“, das wir im hebräischen Text der Jahreslosung für das Jahr 2019 lesen. „Frieden“, so übersetzt Martin Luther, ein Wort, das man wiederum so schwer richtig auf Farsi übersetzen kann. Aber „shalom“, „salam“ bedeutet eigentlich noch mehr. Man kann das am Persischen schön zeigen: Wenn ein Mensch gesund ist, wenn eine Sache intakt und nicht irgendwie eingeschränkt und gestört ist, dann nennt man das auf Persisch „salem“. Das entsprechende deutsche Wort wäre das Wort „heil“. Leider eignet sich das mittlerweile in unserem Land und in unserer deutschen Sprache nicht mehr als Gruß, seit man vor 80 Jahren dieses schöne Wort mit dem Namen des personifizierten Unheils verbunden und daraus einen Gruß gemacht hat, den wir hier in Deutschland nun wirklich nicht noch einmal hören wollen. Wie gut, dass wir uns dieses Heil nun wenigstens auf Farsi und Dari wünschen dürfen!

Eine heile Welt, eine Welt voller Frieden, ohne Krankheit, ohne kaputte Beziehungen, ohne Tod – ach, wie sehr wünschen wir das uns, und wie gerne wünschen wir das auch anderen. Aber wir wissen zugleich: Die Welt, in der wir leben, ist in Wirklichkeit nicht so. Die ist nicht heil, die ist nicht salem, die ist in Wirklichkeit ganz schön kaputt. Es ist eine Welt, in der Menschen nicht im Frieden miteinander leben, sondern in der Menschen immer wieder so gerne um ihren eigenen Vorteil kreisen, eine Welt, in der so viel krank ist – Menschen, die an Krankheiten des Leibes und der Seele leiden, Beziehungen zwischen Menschen, die krank und gestört sind, Ideologien, die einfach nur krank und gestört sind und sich dennoch oder vielleicht gerade auch deshalb immer weiter ausbreiten, Vorurteile, die ein gesundes Zusammenleben unmöglich machen. Ja, wir wissen aus der Heiligen Schrift, was der Grund dafür ist, dass diese Welt, dass auch unser Leben nicht salem ist, sondern so kaputt: Der Grund liegt in der Abwendung des Menschen von Gott, in der Trennung des Menschen von Gott, in theologischer Sprache ausgedrückt: Der Grund dafür, dass diese Welt und auch unser Leben so kaputt ist, ist die Sünde, die eben viel mehr ist als bloß ein kleines moralisches Vergehen, viel mehr als bloß ein Kavaliersdelikt. „Sünde“ lässt sich nicht reparieren, nicht mit noch so vielem guten Willen, nicht mit noch so vielen Appellen an die menschliche Anständigkeit. Was wir auch versuchen mögen: ob wir das Heil mit Waffengewalt herbeizuführen versuchen oder mit Umerziehungsversuchen oder ob wir es herbeizumeditieren versuchen – wir können uns oder anderen das Heil zwar wünschen; aber schaffen können wir es nicht.

Shalom, Salam, das ist also etwas, was einzig und allein Gott selber bewerkstelligen kann. Und letztlich ist das der Inhalt der gesamten Heiligen Schrift, ist das der Inhalt der ganzen christlichen Verkündigung: Gottes großes Friedensprojekt, das er schon gestartet hat, als die Menschen sich von ihm abwandten, und das er dann ganz anders durchgezogen hat, als wir Menschen es sich von uns aus vorgestellt hätten: Shalom, salam hat Gott dadurch geschaffen, dass er seinen Sohn Jesus Christus für uns am Kreuz sterben ließ und damit alles beiseite geräumt hat, was uns von ihm, Gott, trennen könnte. Ja, shalom, salam erstehen nur da, wo als erstes das Verhältnis zwischen Gott und uns in Ordnung kommt, wo dieses Verhältnis von Gott selbst geheilt wird. Das ist die Basis für allen shalom, für alles salam zwischen uns Menschen.

Und auf diesem Hintergrund fängt nun auch die Jahreslosung dieses neuen Jahres noch einmal ganz neu an zu leuchten: „Suche Frieden!“ – Das heißt zunächst und vor allem: Suche Christus, der unser Frieden ist, suche die Gemeinschaft mit ihm, und das heißt: Suche durch ihn die Gemeinschaft mit Gott! Erwarte von Christus allein, was du von keinen menschlichen Bemühungen hier auf Erden erwarten kannst! „Suche!“ „Jage nach!“ – ja, mach dich immer wieder auf den Weg zu Christus, komme dorthin, wo dir dieser Friede geschenkt wird, wo du von diesem Frieden umhüllt wirst: Komme auch in diesem Jahr 2019 immer wieder zur Beichte; empfange immer wieder die Vergebung, die dich im Frieden mit Gott leben lässt und dir den Frieden im Zusammenleben mit anderen Menschen ermöglicht! Komme auch in diesem Jahr 2019 immer wieder zum Gottesdienst, wo dir dieser Friede immer wieder zugesprochen wird, wo du mehr von diesem Frieden erfahren kannst! Empfange auch im Jahr 2019 immer wieder neu das Mahl des Herrn, das dir jetzt schon Anteil gibt an Gottes neuer, heiler Welt, wenn du den Leib und das Blut deines Herrn empfängst! „Suche!“ „Jage nach!“ – Ja, das ist mit Wegen verbunden, mitunter auch mit anstrengenden Wegen. Aber das Suchen, das Nachjagen – es lohnt sich, weil du gewiss sein darfst: Hier im Gottesdienst, da werde ich fündig, da gehe ich mit Frieden nach Hause! „Suche Frieden und jage ihm nach!“ – Lass das darum dein Motto an jedem Sonntagmorgen dieses Jahres sein! Und dann ab zum Bus, ab zur S- oder U-Bahn! Du wirst nicht leer zurückkommen von deiner Jagd!

Doch diese Jagd nach Frieden, zur der du immer wieder aufbrichst, wenn du zum Gottesdienst kommst, die soll und kann dann auch in deinem Alltag weitergehen. Christus sendet uns dazu aus, Boten seines Friedens auch in unserem alltäglichen Leben zu sein.

Nein, Gottes Wort gibt uns dazu keine Patentrezepte in die Hand. Gottes Wort sagt nicht: Du musst einfach nur dies oder jenes machen, dann wird alles gut in deinem Leben oder gar in der ganzen Welt. Frieden suchen kann ein anstrengendes und schwieriges Geschäft sein, wenn es darum geht, Beziehungen in Ordnung zu bringen, die nicht salem, die nicht heil sind. Frieden suchen kann ein anstrengendes und schwieriges Geschäft sein, wenn es so vieles gibt, was diesen Frieden, dieses Heil immer wieder in Frage stellt und durcheinanderbringt. Ja, da mag es passieren, dass man dachte, man sei schon ganz nahe an diesem Frieden dran – und dann entwischt er uns gleichsam aus unseren Fingern, und wir müssen wieder neu hinter ihm herjagen. Doch die Zielvorgabe, sie bleibt bestehen: Sei Friedensbringer im neuen Jahr, sei gerade so ein Bote Christi in dem Unfrieden dieser Welt! Lass dich nicht von dem Unheil in dieser Welt dazu anleiten, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, auf Unfrieden mit Unfrieden zu antworten! Lass die neue Welt, die Gott schaffen wird, den Maßstab für all dein Handeln sein, habe offene Augen, wo Menschen Hilfe und Heilung benötigen, habe einen offenen Mund, wo Menschen auch in unserem Land genau das Gegenteil von salam und shalom erfahren, wo sie stattdessen kaputtgemacht werden von Menschen, die Gottes Heil nur als dumme Spinnerei abtun! Ja, im Unheil dieser Welt Frieden zu suchen, das ist oft noch mühsamer, als wenn ich irgendwelche Zettel auf meinem Schreibtisch oder auf dem Fußboden meines Arbeitszimmers suche und oft erst einmal viele Zettel umdrehen muss, bevor ich schließlich den gesuchten finde. Wenn wir Frieden suchen, dann muss auch erst einmal so manches umgedreht werden, ist es nicht immer gleich zu erkennen, wo sich dieser Frieden verstecken könnte. Aber die Suche lohnt sich, so verspricht es uns Gottes Wort.

Ja, wir dürfen in unserem Leben immer weiter suchen, immer weiter dem Frieden nachjagen, weil wir wissen, dass Gottes heile Welt am Ende allen Suchens und Jagens doch schon für uns bereitsteht und auf uns wartet, diese Welt, in der es einmal endgültig keinen Krieg, keinen Unfrieden, kein Unrecht, keine Ablehnung und keine Abschiebung mehr geben wird, eine Welt, in der wir einmal ganz heil sein werden, ohne Krankheit, ohne Depression, ja, ohne Tod. Mit diesem Ziel, ja mit diesem Versprechen Gottes vor Augen können wir nun fröhlich auf die Jagd nach Frieden gehen. Und dabei werden wir immer wieder feststellen: Gott selber sucht auch uns mit seinem Frieden – und findet uns, ganz gewiss. Denn der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahrt eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Und eben darum: Salam und Amen.

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