Römer 10,9-17 | 17. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Zurzeit besteht eine meiner Hauptbeschäftigungen darin, pfarramtliche Bescheinigungen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verfassen, in denen ich bezeuge, dass die Glieder unserer Gemeinde, für die ich diese Bescheinigungen schreibe, aktive Christen sind, bei denen ich auch persönlich davon überzeugt bin, dass sie sich ernsthaft und nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt haben. In diesem Zusammenhang lese ich immer wieder auch einmal Protokolle von Anhörungen beim Bundesamt. Sie sind oft genug Dokumente eines Zusammenpralls zweier Welten, die so unterschiedlich sind, dass eine Kommunikation zwischen diesen beiden Welten oft genug kaum gelingt. Das Problem ist dabei jedoch, dass genau vom Gelingen dieser Kommunikation dann immer wieder die Anerkennung unserer Gemeindeglieder als Asylberechtigte abhängt.

Wie schwierig es ist, Menschen, die von sich aus keinerlei Zugang zum christlichen Glauben haben, die eigene Hinwendung zum christlichen Glauben zu beschreiben und nahezubringen, wird deutlich, wenn ich diese Anhörungsprotokolle mit dem vergleiche, was der Apostel Paulus in der Epistel des heutigen Sonntags zum Thema „Glauben“ schreibt. Das entspricht so ganz und gar nicht den Vorstellungen vieler Anhörer von dem, was ihrer Meinung nach christlicher Glauben sein sollte. Ja, was Paulus hier schreibt, führt bei so manchem Anhörer, so haben es unsere Gemeindeglieder in der letzten Zeit erfahren, nur zu spöttischem Gelächter, wenn unsere Gemeindeglieder dies auch als ihre Überzeugung vortragen.

Doch, gottlob, unsere Gemeindeglieder wissen davon, dass das entscheidende Interview, in dem sie zu bestehen haben, nicht die Anhörung vor dem Bundesamt ist, sondern dass es im christlichen Glauben um unendlich mehr geht, letztlich eben um unsere Rechenschaft vor Gott, um Gottes entscheidende Antwort auf unser Leben.

Und damit sind wir nun schon mitten drin in dem, was St. Paulus hier in unserer Epistel schreibt. Worum geht es im christlichen Glauben? Gleich dreimal betont es St. Paulus in den ersten Versen unserer Predigtlesung: Es geht darum, dass wir gerettet werden.

„Rettung“ – das ist nun allerdings ein sehr anstößiges Wort, das heutzutage auch in vielen kirchlichen Kreisen nicht mehr gerne in den Mund genommen wird. Denn Rettung setzt ja etwas voraus, woraus man gerettet wird, setzt Verlorenheit voraus, setzt voraus, dass sich nicht automatisch jeder Mensch in einem Zustand des Heils befindet. Und das widerspricht der gängigen Sicht der Dinge in unserer Gesellschaft, wonach es doch gar keine Verlorenheit gibt, wonach jeder Mensch sich seinen eigenen Weg zum Heil bahnen kann und niemand das Recht hat zu behaupten, dass ein anderer erst noch Rettung benötige. Doch wenn wir nicht mehr davon sprechen, dass es im christlichen Glauben um Rettung geht, um Rettung vor dem ewigen Tod, um Rettung aus der ewigen Verlorenheit, um Rettung vor der Macht des Teufels, dann geben wir damit zentrale Aussagen der Heiligen Schrift preis und reduzieren die Botschaft des christlichen Glaubens auf Gartenzwergniveau. Wenn wir vom christlichen Glauben nur ein wenig Seelenmassage erwarten, dann gibt es da andere Angebote, die dies vielleicht doch noch etwas besser und kompetenter vermögen, und wenn wir vom christlichen Glauben nur ein wenig nette Gemeinschaft mit Gleichgesinnten erwarten, kann der Kaninchenzüchterverein zur Not eben auch aushelfen. Es geht nicht bloß darum, dass man im christlichen Glauben nicht so früh zu seinen rituellen Gebeten aufstehen muss und Alkohol trinken darf, wenn man möchte; der christliche Glaube ist nicht bloß eine liberale Variante des Islam. Es geht um nicht weniger als um Rettung, und damit geht es zugleich auch um das Bekenntnis, dass wir selber uns nicht retten können, dass der Weg zum Heil gerade nicht von uns selbst mit unseren guten Werken beschritten werden kann. Rettung ist etwas, was uns widerfährt, was an uns geschieht, was ganz außerhalb unserer menschlichen Möglichkeiten liegt. Das widerspricht so ganz und gar unserer Vorstellung von dem Menschen als Macher, von dem, der selber alles tut – und ist doch zugleich so befreiend: Gott tut, was ich selber niemals tun könnte; und ich kann nur staunend bekennen, was er an mir und für mich getan hat.

Und damit sind wir schon beim Zweiten, was unverzichtbar ist, wenn wir als Christen vom Glauben sprechen. Und das ist niemand anders als Jesus Christus selber.

Wir leben hier in Deutschland in einem Land, in dem viele Menschen schon so weit entfernt vom christlichen Glauben sind, dass man im Gespräch mit anderen Menschen schon froh ist, wenn die zu erkennen geben, dass sie überhaupt noch irgendwie an Gott glauben. Und da stehen wir mittlerweile selbst in unserer kirchlichen Verkündigung in der Gefahr, Menschen nur noch dahin führen zu wollen, dass sie irgendwie an Gott glauben, irgendwelche spirituellen Erlebnisse haben, sich irgendwie religiös fühlen. Und dann ist der Schritt nicht mehr weit bis dahin, dass man erklärt: Ach, letztlich glauben alle Religionen doch an den gleichen Gott! Doch der Apostel Paulus macht es uns hier ganz deutlich: Kein Mensch kommt deswegen in den Himmel, weil er glaubt, dass Gott existiert, weil er an irgendein höheres Wesen glaubt. Sein Kollege Jakobus bringt das sehr deutlich auf den Punkt: Auch der Teufel glaubt an Gott – aber das lässt ihn eben nur zittern. Nein, wir werden nicht dadurch gerettet, dass wir irgendwie an den lieben Gott glauben. Sondern unsere Rettung hängt einzig und allein an Jesus Christus, an dem, was Gott durch ihn für uns getan hat. Unsere Rettung hängt ganz und gar daran, dass Jesus Christus nicht bloß ein guter Mensch war, nicht bloß ein Prophet, der wegweisende Sprüche von sich gegeben hat. Sie hängt daran, dass Jesus Christus wirklich der Herr ist, der lebendige Gott, der sein Leben für uns in den Tod gegeben hat und der von Gott selber von den Toten auferweckt worden ist. Unsere Rettung besteht nicht darin, dass Jesus Christus es schafft, uns zu anständigen Menschen zu erziehen, die sich so verhalten, wie Gott es will. Unsere Rettung besteht darin, dass Gott Mensch geworden ist, unsere Schuld auf sich genommen und die Macht des Todes gebrochen hat. Das ist so ganz anders als alle Vorstellungen von Religion, die Menschen sich üblicherweise machen.

Darum geht es also, den Menschen von Jesus Christus zu erzählen, Menschen zum Glauben an ihn, Jesus Christus, einzuladen, zu eben diesem Bekenntnis: Jesus Christus ist der Herr, ja, ist mein Herr, der Herr meines Lebens. Gerettet werden wir allein in der Verbindung mit Jesus Christus, gerettet werden wir dadurch, dass wir mit ihm, Jesus Christus, eins werden, dass alles, was er getan hat, auch für uns gilt, uns angerechnet wird. Nein, wir müssen da nicht noch etwas ergänzen, nicht noch etwas hinzufügen. Der Glaube ist nicht ein gutes Werk, das wir tun müssen, damit Gott mit uns zufrieden ist. Sondern der Glaube bekennt nur staunend, was Gott schon längst an uns und für uns getan hat, der Glaube schaut ganz von sich selber weg hin auf ihn, Jesus Christus. Ach, wie tröstlich ist es, dass wir das wissen dürfen: Wir müssen nicht einen großen Stapel von guten Werken in unserem Leben ansammeln. Es reicht, dass wir uns mit all der Schuld und all dem Versagen unseres Lebens einfach an den Richtigen wenden, den anrufen, der allein uns retten kann: Das eine Wort, der eine Anruf seines Namens reicht: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden.“ Wenn du heute im Gottesdienst bekennst: Ich glaube an Jesus Christus, meinen Herrn, dann darfst du gewiss sein: Ja, du wirst gerettet, so gewiss es Gott selbst dir hier in seinem Wort versprochen hat.

Ja, wie kommt es dazu, dass auch du dieses Bekenntnis heute mitsprechen kannst? Genau das wollen sie im Bundesamt immer wieder hören, wollen logische, nachvollziehbare Erklärungen dafür haben, dass Menschen alle möglichen langen Überlegungen und Nachforschungen betrieben haben, erst einmal auch den Buddhismus und Hinduismus erforscht haben, bevor sie sich schließlich für den christlichen Glauben entschieden haben. Paulus macht es hier sehr viel einfacher. Der sagt: Der Glaube kommt aus der Predigt des Wortes Christi. Dieses Wort Christi hat solch eine Kraft, dass es in der Tat Glauben zu wirken vermag. Das ist die Wahrheit – auch wenn sie vielen Anhörern beim Bundesamt nicht gefallen mag.

Aber genau so ist es im Leben von so vielen von euch gewesen: Ihr habt das Wort Gottes, ihr habt die frohe Botschaft von Jesus Christus gehört, gelesen, gesehen in einem Film – und diese Botschaft hat euch nicht mehr losgelassen, hat euer ganzes Leben verändert. Gott hat euch auf die unterschiedlichsten Weisen erreicht – aber doch immer wieder so, dass ihr gehört und vernommen habt, was Jesus Christus für euch getan hat. Nein, es ist nicht allein die Predigt, wie ich sie jetzt hier oben von der Kanzel halte, von der Paulus hier spricht. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie Gott Menschen mit seinem Wort erreichen und ihr Herz verändern kann. Doch wichtig bleibt bei all dem: Es ist immer Gottes Wort, das den Glauben wirkt; der Glaube ist nie das Ergebnis unserer Überlegungen und religiösen Vorstellungen. Nicht wir selber wirken den Glauben an uns, sondern er kommt immer von außerhalb, immer wieder durch andere Menschen, die Gott uns auf und an unseren Lebensweg gestellt hat. Ja, auch von diesen Menschen können unsere Gemeindeglieder und Taufbewerber immer wieder berichten, von dem armenischen Freund, von dem missionierenden Taxifahrer, von dem Christen in der Drogen-Selbsthilfegruppe, von dem Freund im Asylbewerberheim. Ja, Gott wählt Menschen, um an uns heranzukommen, um den Glauben in uns zu wirken. Und das können natürlich auch unsere Eltern oder Großeltern gewesen sein, unsere Paten, ja mitunter auch der Pastor. Wie dankbar dürfen wir für diese Menschen sein – ja, wie dankbar dürfen wir sein, dass Gott sie uns geschickt hat. Denn Gottes ganzer Plan mit uns hat doch nur ein Ziel: Dass wir an Jesus Christus glauben, dass wir bekennen, was er für uns getan hat, dass wir den Namen unseres Retters anrufen – und gerade so gerettet werden. Darum sind wir Christen, weil Gott es auch bei uns so gemacht hat. Gott sei Dank! Amen.

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