Römer 8, 28-39 | Tag des Apostels St. Jakobus des Älteren | Pfr. Dr. Martens

Sie drangen von hinten in die römisch-katholische Pfarrkirche in Saint-Étienne-du-Rouvray während der Morgenmesse ein. Sie nahmen den 86jährigen Pfarrer Jacques Hamel, drei Nonnen und ein Ehepaar als Geiseln. Dann zwangen sie den Priester, sich am Altar niederzuknien, hielten dort auf Arabisch eine kurze Predigt, bevor sie dann ihr Handy zückten und es in Großaufnahme filmten, wie sie dem Pfarrer vor der Gemeinde die Kehle durchschnitten. Anschließend riefen sie noch laut „Allahu akbar“, bevor sie kurz darauf von Polizeikräften erschossen wurden.

Schwestern und Brüder, nun erleben wir also auch in Europa, was unsere Glaubensgeschwister im Nahen Osten in den vergangenen Jahren immer und immer wieder erlebt haben und erleben, ohne dass wir hier in Europa davon sonderlich viel Kenntnis genommen hätten. Es war so weit weg, so surreal – und vielleicht waren die Nachrichten von dort ja auch alle übertrieben, aufgebauschte Einzelfälle, mehr nicht ... Doch jetzt rückt der Terror im Namen des Islam immer näher an uns heran, und wir merken immer mehr: Es geht hier nicht mehr um Folklore, es geht darum, dass das Blut von Menschen vergossen wird, dass Menschen im Namen eines Gottes abgeschlachtet werden, der ganz sicher nicht der Vater Jesu Christi ist.

Der heutige Gottesdienst zum Tag des Apostels St. Jakobus des Älteren ist geprägt von der Farbe Rot. Rot ist die Farbe des Blutes, das die Apostel als Glaubenszeugen vergossen haben, wie so viele derer, die in ihrer Nachfolge gelebt haben und gestorben sind. Ja, der christliche Glaube kann einen das Leben kosten; das wusste Jesus, das wussten die Apostel, das sollen auch wir wissen, wenn wir uns zu ihm, Christus, bekennen. Die radikalen Vertreter der angeblichen Religion des Friedens rücken immer näher an uns heran.

Wie hilfreich, wie tröstend und stärkend ist da die Epistel des heutigen Aposteltages. Sie ist die Lesung, die für heute Abend ohnehin vorgesehen war; aber sie passt so genau hinein in unsere Fragen, in unsere Traurigkeit und Ratlosigkeit.

Da zitiert der Apostel hier den 44. Psalm: „Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.“ Schlachtschafen wurde damals die Kehle durchgeschnitten, genau wie Abbé Jacques Hamel gestern auch, wie so vielen Christen in Syrien und im Irak in den letzten Jahren. Vergessen wir es nicht: Da läuft nicht irgendetwas schief, wo dies geschieht. Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefahr, Schwert – all das, was Christen im Laufe der Geschichte der Kirche und heute so oft wie noch nie erlebt haben und erleben, ist alles schon in der Heiligen Schrift beschrieben und angekündigt. Christus hat uns, die wir zu ihm gehören, nicht versprochen, dass wir ein einfaches, gefahrloses Leben haben werden. Aber er hat uns versprochen, dass nichts von dem, was wir an Schwerem als Christen erfahren, dass keine Angst und Traurigkeit, dass keine Verfolgung, keine Gefahr, auch kein Terroranschlag uns von seiner Liebe scheiden kann.

Als der LKW-Fahrer in Nizza kürzlich 84 Menschen in den Tod riss, jubelten deutsche Islamisten im Internet: „Ich bitte Allah, dass er die Verletzten auch nicht überleben lässt und sie mit ihren Brüdern in der Hölle versammelt“. Ja, Menschen in den Tod reißen, das können diese Verbrecher. Aber sie in die Hölle befördern, das können sie nicht. Gegen die Liebe Christi kommt kein Terrorist an, ganz gleich, wie abartig er sich auch aufführen mag.

Ja, abartig war damals auch, was sie mit ihm, Jesus Christus, selber gemacht haben, wie sie ihn bei lebendigem Leibe ans Kreuz genagelt haben, wie sie ihn dort elend verrecken ließen. Jesus hat es am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, sein Blut zu vergießen. Ja, er hat in der Tat die Hölle erfahren, hat am Kreuz gerufen: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Doch Jesus ist in dieser Hölle eben nicht geblieben; er hat die Macht des Todes und des Teufels gebrochen, auch wenn sie jetzt in Saint-Étienne und anderen Orten so ungebrochen zu triumphieren scheinen. Ja, er hat nicht zuletzt auch die Macht unserer Sünde und Schuld gebrochen, die uns in der Tat in die Hölle hätte befördern können, wenn er nicht die Strafe auf sich genommen und weggetragen hätte. „Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.“ Wenn uns angesichts der Verbrechen dieser radikalen Muslime die kalte Wut zu überkommen droht, wenn in uns Gedanken an Rache und Vergeltung aufsteigen, wenn wir so weit weg sind von der Mahnung unseres Herrn, auch unsere Feinde zu lieben, ja, auch alle Muslime, ganz gleich ob sie friedvoll oder gewalttätig sind; wenn uns angesichts all dessen, was wir in diesen Tagen und Wochen in unserem Land erleben, Zweifel überkommen, ob Gott wirklich noch das Heft des Handelns in seiner Hand hat – dann dürfen wir gewiss sein: Er, Christus, tritt für uns ein vor unserem Vater, betet für uns, dass uns unser Mangel an Glaube und Liebe gerade nicht verdammt, nicht zugerechnet wird, dass wir um seinetwillen doch in den Himmel kommen.

Aus abgrundtief Bösem hat Gott in der Kreuzigung seines Sohnes doch etwas Gutes, nein, viel mehr noch: Heil für die ganze Welt geschaffen. Das ist Gottes Art, dass er alle Dinge, auch die Allerschlimmsten, noch benutzen kann, um daraus Gutes, um daraus Heil zu wirken. Und so dürfen auch wir mit dem Apostel sprechen: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“  Alle Dinge – auch Terroranschläge, auch Bedrohungen, auch Gemeinheiten, ja auch und gerade der Tod. Der ermordete Abbé hatte sich gewünscht, bis zu seinem letzten Atemzug Christus in seiner Kirche dienen zu dürfen. Dank der Hilfe der beiden Terroristen hat Christus ihm diesen Wunsch erfüllt. Die Terroristen wollten Böses schaffen – und sind doch in Wirklichkeit Helfershelfer des Guten geworden, konnten es nicht verhindern, dass Christus auch durch ihr entsetzliches Tun Heil und Leben wirken will und wird. Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche, so wusste es schon der Kirchenvater Tertullian. Da, wo Menschen versuchen, die Kirche auszurotten, wird sie nur stärker werden. Genauso erleben es die Christen im Iran in dieser Zeit, und genauso werden auch wir es, Gott geb’s, in unserem Land erleben, in dem den Christen immer stärker der Wind ins Gesicht bläst. Ja, Gott geb’s, dass die Ermordung dieses Priesters auch für uns ein Weckruf wird, dass auch wir wieder neu erkennen, dass wir allezeit bereit sein sollen für unsere letzte Stunde, dass wir nicht schläfrig werden, unsere Begegnung mit Christus hier an seinem Altar nicht auf irgendeine unbestimmte Zukunft verschieben, wenn wir angeblich mal mehr Zeit haben. Möge Christus seine Kirche hier in Deutschland aus dem Schlaf der Sicherheit herausrufen und sie wieder neu zum klaren Bekenntnis führen, dass er, Christus, allein, der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und nicht bloß ein religiöses Angebot unter vielen! Ja, mögen wir gerade auch mit unserer Teilnahme an den Gottesdiensten bezeugen, wer unser Herr ist, und zeigen, dass die, die uns in Angst und Schrecken versetzen wollen, genau dieses Ziel nicht erreichen werden, weil wir ihn, Christus, unseren Herrn, haben, weil uns durch ihn wirklich alles zum Besten dienen muss. Mögen uns der heilige Stephanus, nach dem der Ort des gestrigen Terroranschlags benannt ist, mögen uns der heilige Jakobus, mögen uns Abbé Hamel und alle anderen Blutzeugen des Evangeliums mit ihrem Vorbild in diesem Vertrauen auf Christus bestärken: Ja, es wird uns alles, wirklich alles zum Besten dienen. Amen.

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