St. Johannes 10,11-16.27-30 | Misericordias Domini | Pfr. Dr. Martens
To gusfand hasti! Du bist ein Schaf! Das klingt weder auf Farsi noch auf Deutsch besonders nett. Entsprechend dürfte die Reaktion ausfallen, wenn uns jemand als Schaf bezeichnet: Man gusfand nistam! Man ensane bahusham! Ich bin kein Schaf, ich bin ein kluger Mensch!
Doch nun haben wir es eben im Heiligen Evangelium dieses Tages gehört, dass uns unser Herr Jesus Christus allen Ernstes als Schafe bezeichnet. Will er uns damit etwa beleidigen, will er uns damit etwa für dumm verkaufen? Ja, wer an Jesus glaubt, muss wohl ein wenig blöd sein wie ein Schaf?
Es lohnt sich, ein wenig genauer hinzuschauen, was Jesus hier sagt. Er beginnt hier im Heiligen Evangelium nämlich nicht damit, uns als Schafe zu titulieren, sondern er sagt zunächst einmal: „Ich bin der gute Hirte“ – „Man shabane nikoo hastam.“ Und damit bekommen die Worte über die Schafe noch einmal einen ganz anderen Klang. Da ist nichts Beleidigendes, Herabsetzendes in diesen Worten, sondern es sind Worte voll von Liebe und Ermutigung, die wir nun gemeinsam miteinander betrachten wollen:
Wir sind Schafe, das heißt:
- Wir sind von Christus gesammelt.
- Wir sind von Christus gerettet.
- Wir sind von Christus geleitet.
I.
Das erste, was wir bedenken wollen, ist dies: Christus sagt hier nicht: Du bist ein Schaf! Sondern er redet immer von den Schafen in der Mehrzahl, redet von einer Herde. Er macht deutlich: Wir können als Christen nicht allein existieren; wir brauchen immer die Gemeinschaft der anderen, derer, die wie wir zu Christus gehören. Christ zu sein, heißt nicht: Zu Hause zu sitzen und sich ein paar warme Gedanken über Jesus zu machen. Sondern Christ zu sein heißt: mit den anderen Christen gemeinsam zu der einen Herde, zu der einen Kirche zu gehören, mit anderen gemeinsam auf Christus zu hören und seine Gaben zu empfangen.
Und diese Zugehörigkeit zur Kirche, zu Christus, die haben wir uns eben nicht selber ausgesucht. Die Kirche ist kein Club, den wir besuchen, weil uns die Leute darin so gut gefallen und uns besonders sympathisch sind, oder den wir dann auch wieder wechseln, wenn uns anderswo die Leute besser gefallen. Sondern es ist Christus, der die, die zu ihm gehören, sammelt und sich aus vielen sehr unterschiedlichen Menschen die eine Herde schafft. Von den anderen Schafen, die nicht aus dem Stall des Volkes Israel sind und die er doch auch mit in seine Herde führen will, spricht Christus hier. Und etwas von der Art und Weise, wie Christus als Hirte arbeitet, erfahren wir eben gerade auch hier in unserer Gemeinde: Menschen aus ganz verschiedenen Ländern, Menschen mit ganz unterschiedlicher Prägung hat Christus hier in unserer Mitte gesammelt. Wir sind hier nicht zusammengekommen, weil wir alle dasselbe Bildungsniveau oder dieselben Interessen hätten, ja wir sind hier noch nicht einmal zusammengekommen, weil wir alle dieselbe Sprache sprechen. Uns eint nur eins, und das ist das Allerwichtigste: Dass Christus uns gerufen und in seine Gemeinschaft geführt hat.
Ja, wie gut, dass wir das wissen dürfen: Es ist Christus gewesen, der diese bunte Gemeinde hier in Steglitz geschaffen hat, es ist Christus gewesen, der uns auf ganz unterschiedlichen Wegen hierher in diese Gemeinde geführt hat. Es ist Christus, der weltweit seine Kirche baut und Menschen aus allen Ländern zu der einen Herde Christi zusammenschließt. Nie und nimmer ist christlicher Glaube bloß etwas Deutsches oder Westliches, nichts, was einfach unserer heimatlichen Kulturpflege dient. Im Gegenteil: Gerade hier in unserer Gemeinde kann man besonders schön wahrnehmen, wie der gute Hirte Jesus Christus arbeitet, wie er seine Herde zusammenführt. Freuen wir uns darüber, und nehmen wir daran ja keinen Anstoß!
II.
Wer sich darüber ärgert, dass Christus die, die zu ihm gehören, als Schafe bezeichnet, denkt wahrscheinlich: Ich komme in meinem Leben schon allein ganz gut klar; ich brauche keinen, der auf mich aufpasst, ich brauche erst recht keinen, der für mich denkt. Doch wenn Jesus von den Schafen redet, redet er immer wieder zugleich auch von den Wölfen, die die Schafe bedrohen. Das Bild von dem Hirten und den Schafen ist eben in Wirklichkeit kein kitschiges Idyll, in das wir uns irgendwie in unseren Tagträumen flüchten können oder gar sollen. Sondern wenn Christus von sich als dem guten Hirten spricht, dann macht er deutlich: Bei der Zugehörigkeit zu mir geht es um Leben und Tod.
Wölfe sind ja heute auch wieder hier ein Thema in Deutschland. Gerade vorgestern hat das Kanzleramt verkündigen lassen, dass Frau Merkel das Thema „Wölfe“ zur Chefsache erklärt hat, nachdem die Klagen über die neuangesiedelten Wölfe immer mehr zunehmen, die die Herden von Bauern angreifen und die Tiere dort totbeißen. Aber dass Menschen durch Wölfe angegriffen worden wären, ist hier bei uns zumindest in der letzten Zeit noch nicht vorgekommen. Damals zur Zeit Jesu war das durchaus anders: Da war der Job eines Hirten nicht bloß ein idyllischer Zeitvertreib, sondern eine geradezu lebensgefährliche Aufgabe: Die Herde, auf die der Hirte aufzupassen hatte, wurde von wilden Tieren bedroht, die auch den Hirten selber angriffen, wenn der versuchte, seine Herde zu verteidigen. Nur die Hirten, denen die Herde auch selber gehörte, waren dazu bereit, für diese Herde auch zu kämpfen, um sie zu schützen. Wer nur ein angemieteter Hirte war, der verzichtete lieber auf sein Gehalt und haute ab, wenn ein Löwe oder Wolf auftauchte, statt für die paar Euro sein Leben aufs Spiel zu setzen.
Wie gut, dass wir in der Taufe Eigentum unseres Herrn Jesus Christus geworden sind! Wie gut, dass wir Christus wirklich ganz und gar gehören! Darum sind wir ihm nicht egal, darum hat er für uns alles eingesetzt, um uns zu retten, hat für uns sogar sein Leben in den Tod gegeben, nur damit wir für immer in seiner Herde bleiben, für immer mit ihm leben. Ja, wenn wir an den Hirten denken, der sein Leben für uns einsetzt, um uns das ewige Leben zu schenken, da möchten wir ganz gerne Schaf seiner Herde sein, denn wir wissen: gegen die Wölfe, mit denen der gute Hirte Jesus Christus gekämpft hat und kämpft, kommen wir alleine ganz gewiss nicht an.
Wir sind nicht stärker als der Tod. Gegen diesen Wolf kann nur Christus kämpfen, um ihn zu besiegen – und er hat es getan! Wir sind nicht stärker als die Sünde. Gegen diesen Wolf kann nur Christus kämpfen, um ihn zu besiegen – und er hat es getan! Wir sind nicht stärker als der Teufel. Gegen diesen Wolf kann nur Christus kämpfen, um ihn zu besiegen – und er hat es getan! Doch das bedeutet nicht, dass wir jetzt als Christen in einer wolfsfreien Zone leben würden. Wir merken es Tag für Tag, wie die Wölfe die Herde Christi auch hier in unserer Gemeinde angreifen wollen. Wir merken, wie Behörden und Gerichte darauf aus sind, die Herde Jesu Christi zu zerstreuen, ja gar zu vernichten. Wir merken, wie sich auch heute noch Wölfe in Schafspelzen zu tarnen verstehen und sich dann beispielsweise als christliche Politiker ausgeben, obwohl sie in Wirklichkeit auch nichts anderes als den Angriff auf die Herde Jesu Christi im Sinn haben. Ja, scheinbar haben diese Wölfe, mit denen wir heute zu tun haben, jede Menge Erfolg. Doch denken wir daran: So sehr sie auch ihre Zähne fletschen: Christus bleibt der Sieger über den Tod, über unsere Sünde und über den Teufel, der doch alles daran setzt, die Kirche Christi zu vernichten. Gegen seinen Tod am Kreuz kommen alle diese Mächte nicht an. Was wir auch an Schwerem, ja Teuflischem erfahren in den Angriffen auf die Glieder unserer Gemeinde: Christus ist und bleibt der Herr und Retter, eben der gute Hirte! Ja, wie gut, dass wir zu seiner Herde gehören!
III.
Um eines noch klarzustellen: Schafe sind in Wirklichkeit gar keine dummen Tiere. Die sind im Gegenteil in mancherlei Hinsicht klüger als Menschen. Denn Schafe können genau die Stimme ihres Hirten von der Stimme aller anderen Hirten unterscheiden. Wenn ihr Hirte ruft, dann laufen sie sofort – wenn ein anderer Hirte ruft, rühren sie sich nicht.
Ach, wenn wir Menschen doch auch nur so klug wären wie die Schafe! Doch stattdessen passiert es immer wieder, dass Menschen, die doch eigentlich zur Herde des guten Hirten Jesus Christus gehören, mit einem Mal oder ganz allmählich anfangen, der Stimme anderer Hirten zu folgen, die ihnen etwas ganz anderes sagen, als was ihr guter Hirte Jesus Christus ihnen gesagt hatte. So viele Hirten gibt es, die behaupten, sie wollen nur unser Bestes, und die uns in Wirklichkeit doch nur ausnutzen und ausnehmen wollen. Sie behaupten, sie könnten dir Besseres bieten als Christus – und können dir doch in Wirklichkeit niemals das ewige Leben geben. Denke daran: Es gibt nur einen Hirten, der für dich sein Leben in den Tod gegeben hat! Mohammad hat sein Leben nicht für dich in den Tod gegeben, Buddha auch nicht – und die, die dir Reichtum und Erfolg im Leben versprechen, erst recht nicht.
Übe es darum immer und immer wieder, jede Woche neu, ein, auf die Stimme deines guten Hirten Jesus Christus zu hören! Das macht einen Christen aus, dass er die Stimme seines Herrn Jesus Christus genau kennt und sich von dieser Stimme leiten lässt! Dein guter Hirte Jesus Christus will dich doch ins ewige Leben führen. Höre auf ihn, vertraue ihm, folge ihm, wenn er zu dir sagt: Komm zu mir, ich will dich stärken mit meinem Leib und mit meinem Blut! Wenn Christus sich mit dir im Heiligen Mahl verbindet, dann gibt es nichts und niemanden, der diese Verbindung lösen könnte, der dich aus der Hand deines Herrn Jesus Christus reißen könnte. Sei darum stets klug wie ein Schaf! Dann weißt du, zu welchem Hirten du gehörst, ja, dann wirst auch du einmal dort ankommen, wo es einmal endgültig keine falschen Hirten und keine Wölfe, auch keine im Schafspelz, mehr geben wird! Amen.