St. Johannes 14,1-6 | St. Thomas | Pfr. Dr. Martens

Wie gut, dass wir vor Weihnachten noch St. Thomas feiern! Wie gut, dass uns der Apostel Thomas so kurz vor dem Weihnachtsfest gleichsam noch als Führer an unsere Seite gestellt wird, damit wir erfassen können, worum es zu Weihnachten wirklich geht! Ja, gut und wichtig ist solch ein Weihnachtsführer, eben weil in dem, was wir in diesen Tagen als angebliches Weihnachten erleben, das, was wirklich wichtig ist, so schnell und so leicht auf der Strecke bleibt!

Das erste, was uns der Thomas hier deutlich macht, ist dies: Es geht zu Weihnachten nicht zuerst und vor allem um schöne Gefühle. Der Thomas erscheint uns im Neuen Testament ohnehin eher als ein Partycrasher denn als Stimmungsbombe. Als er hört, dass der Lazarus gestorben ist, da möchte er am liebsten gleich zusammen mit dem Lazarus sterben, und als die Jünger schon fröhlich Ostern feiern, kommt bei dem Thomas noch längst keine sonderliche Osterstimmung auf. Und auch hier im Heiligen Evangelium ist der Thomas wieder einer, der von Christus getröstet und aufgerichtet werden muss, weil er selber gar nicht mehr weiter weiß. „Euer Herz erschrecke nicht!“ So spricht Christus hier die Jünger, spricht er gerade auch den Thomas an.

Ja, wie gut, dass wir den Thomas hier als Weihnachtsführer haben! Er macht uns deutlich: Weihnachten wird nicht dadurch zu einem richtigen Weihnachten, dass sich da irgendwelche Glückshormone in unserem Körper ausbreiten, dass wir zu Weihnachten ein Gefühl in uns haben, das wir sonst das ganze Jahr über nicht kennen. Weihnachten ist nicht bloß ein Fest für Partyhasen und Familienmenschen. Es ist gerade und vor allem ein Fest für Menschen, denen überhaupt nicht nach Feiern zumute ist, für Menschen, die sich in ihrem Leben so allein gelassen fühlen, wie sich damals die Jünger alleingelassen fühlten, als Jesus ihnen mitteilte, dass er nun sehr bald für sie nicht mehr zu sehen sein würde,

Weihnachten ist ein Fest für Menschen, die nicht wissen, wie es in Zukunft mit ihnen weitergehen soll. Weihnachten ist ein Fest für Menschen, die von allen Seiten bedrängt werden, die menschlich gesprochen allen Grund dazu haben zu erschrecken angesichts dessen, was ihnen an Verfolgung, an Zermürbung, an kräftezehrenden Kämpfen in der Zukunft bevorsteht. Weihnachten ist ein Fest für Menschen, die sich selber nicht mehr zu helfen wissen, die am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sind.

Denen spricht Christus hier im Evangelium, denen spricht es auch der Engel über den Feldern von Bethlehem zu: Euer Herz erschrecke nicht! Fürchtet euch nicht! Christus ist in diese Welt gekommen, nicht um uns ein gutes Gefühl zu geben, auch und erst recht nicht, um uns von allen Problemen und Schwierigkeiten dieses Lebens zu befreien. Sondern er ist mitten in die Dunkelheit unseres Lebens hineingeboren worden und hat uns in unserer Taufe versprochen, uns in unseren Ängsten und Nöten in unserem Leben nicht allein zu lassen, uns durch alle dunklen Täler zu begleiten und zu führen bis zum Ziel. Wenn du diesen Christus vor Augen hast, wie er zu dir sagt: Fürchte dich nicht, du brauchst nicht zu erschrecken! Glaube an mich! Halte dich an mir fest! Ja, da wird es bei dir Weihnachten, ganz gleich, wie du dich fühlst, ganz gleich, ob du allein bist oder nicht, ob du dich in Feierlaune befindest oder nicht. Ja, Weihnachten geht es ganz und gar um den, der für dich Mensch geworden ist, damit dein Leben nicht mehr an dem hängt, was du gerade fühlst.

Und dann erzählt Christus hier im Heiligen Evangelium dem Thomas und den anderen Jüngern von dem Ort, an den er geht, um alles für sie vorzubereiten, „auf dass auch ihr seid, wo ich bin.“  Ja, genau das heißt Himmel: Dort sein, wo Christus ist. Das ist es, worauf wir uns freuen können, das ist das Ziel unseres Lebens – und eben genau darum geht es zu Weihnachten: Dass wir in den Himmel kommen. Es geht nicht um einige schöne Stunden im Familienkreis, an die man sich später noch einmal dankbar erinnert, es geht nicht darum, dass wir hier und jetzt irgendwelche himmlisch schmeckenden Speisen oder Getränke gereicht bekommen oder meinen, uns irgendeinem himmlischen Vergnügen hingeben zu können. Wir können uns nicht selber den Himmel auf Erden schaffen, auch wenn wir uns das manchmal einbilden mögen. Im Gegenteil: Der wirkliche Himmel, das wirkliche Ziel unseres Lebens bleibt uns entzogen, an dieses Ziel kommen wir von uns aus nicht heran, was wir auch anstellen mögen.

Genau das bringt der Thomas hier auch sehr treffend zum Ausdruck: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Können wir von uns aus wirklich nicht, geschweige denn, dass wir selber diesen Weg gehen könnten.

Wie kommen wir in den Himmel? Schwestern und Brüder, das ist eine Frage, die die Menschen hier in unserem Land immer weniger bewegt, die sie erst recht nicht mit Weihnachten in Verbindung bringen. Wenn Menschen denn überhaupt davon ausgehen, dass es so etwas wie einen Himmel geben könnte, ist es für sie klar, dass man da nach seinem Tod mehr oder weniger automatisch landet, wenn man nicht etwas ganz besonders Schlimmes ausgefressen hat. Diejenigen aus unserer Gemeinde, die früher einmal Muslime waren, wissen hingegen, dass man es sich mit der Frage nach dem Himmel eben gerade nicht so einfach machen kann, dass es da keinen Automatismus gibt, dass wir dort nach dem Tod sowieso landen, weil wir eigentlich doch alle ganz nette Menschen sind. Im Islam hatten sie die Antwort vernommen: Den Weg in den Himmel, den man muss man sich durch gute Werke erarbeiten, durch ein frommes religiöses Leben. Aber ob das am Ende reicht, ob man dann tatsächlich dort ankommt – wer weiß?

Im Heiligen Evangelium des heutigen Aposteltages hören wir eine ganz andere Antwort: Ja, es ist richtig, wir können niemals von uns aus in den Himmel kommen. Wir können nicht selber den Weg zum Himmel beschreiten. Aber das brauchen wir auch gar nicht. Denn wichtig ist doch einzig und allein, dass wir uns an den halten, der zu Thomas damals sagte und zu uns heute sagt: Ich bin der Weg. Wenn ihr mich habt, habt ihr den Weg in den Himmel. Haltet euch an mich; dann ist es nicht mehr fraglich, ob ihr am Ziel ankommt. Ja, Christus sagt: Ich bin der Weg, nicht: Ich bin ein Weg. Auch wenn uns die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt gerade weiszumachen versuchte, es sei doch völlig egal, was man glaube, wichtig sei doch nur, dass man ein paar besinnliche Tage miteinander verlebe, sagt Christus hier das Gegenteil. Niemand, sagt er, niemand kommt zum Vater denn durch mich. Es gibt keinen Weg zu Gott an Jesus Christus vorbei. Und genau das macht nun auch den Ernst von Weihnachten aus. Weihnachten ist eben nicht bloß ein Aufhänger für ein wenig Besinnlichkeit, nicht bloß eine leere Form, in die jeder hineinpacken kann, was er gerade gerne möchte. Sondern es geht zu Weihnachten um nicht weniger als um den einzigen Weg zu Gott, der genau darin besteht, dass nicht wir zu Gott kommen, sondern dass Gott zu uns kommt. Die muslimischen Imame, die in diesen Tagen die muslimischen Gläubigen so eindringlich davor warnen, ja nicht Weihnachten zu feiern, haben von Weihnachten mehr verstanden als die meisten Menschen in unserem Land, ja, so steht zu befürchten, selbst mehr als so manche Weihnachtsprediger, die in diesen kommenden Tagen auf den Kanzeln unseres Landes stehen.

Ja, es geht zu Weihnachten tatsächlich um nicht weniger als darum, ob und wie wir in den Himmel kommen. Und wenn uns der Ernst dieser Frage, den uns Thomas hier vor Augen stellt, wieder neu bewusst wird, dann dürfen wir in der Tat auch erfahren, was wahre Weihnachtsfreude heißt: Die Freude, die in diesen Wochen so oft besungen wird, ohne dass die meisten überhaupt noch ahnen, was sie da eigentlich singen: Welt ging verloren, Christ ist geboren. Das Kind in der Krippe: Es ist mein Retter, es ist mein einziger Weg zu Gott, der mir die verschlossene Tür zum Paradies wieder eröffnet. Ja, wie gut, dass der Thomas uns das als unser Weihnachtsführer mit seinen Fragen wieder so deutlich vor Augen hat stellen lassen! Amen.

 

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