St. Johannes 3,1-8 | Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Seit das Corona-Virus vor 15 Monaten hier in Deutschland ausgebrochen ist, hat sich das kirchliche Leben in unserem Land an vielen Stellen in ganz massiver Weise verändert: An die Stelle der Zusammenkunft der Gemeindeglieder in den Gottesdiensten ist oftmals die Präsenz der Gemeinde im Internet getreten: Dort können Gemeindeglieder Gottesdienste mitverfolgen oder sich darüber hinaus über kirchliche Angebote und den christlichen Glauben informieren. Stolz wird in vielen Kirchen verkündigt, dass die Zahl der Klicks im Internet auf die kirchlichen Seiten die Zahl der Gottesdienstteilnehmer um ein Vielfaches übersteige. Die Online-Kirche, sie sei die Kirche der Zukunft.

In der Tat entspricht eine Kirche im Online-Format den Wünschen und Bedürfnissen vieler Menschen heutzutage: Sie wollen sich ganz anonym über kirchliche Angebote und Inhalte informieren, ganz unverbindlich und so, dass sie auf ihr Interesse nicht in irgendeiner Weise angesprochen werden können. Und sie wollen selber bestimmen, was ihnen gefällt oder nicht. Wenn einem etwas blöde oder langweilig erscheint, kann man ja gleich zum nächsten Online-Angebot weitersurfen.

Nun lässt sich überhaupt nicht bestreiten, dass Internet-Angebote eine wichtige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme der Kirchen mit Menschen darstellen, die ansonsten niemals den Schritt über die Türschwelle einer Kirche setzen würden. Wie segensreich solche Angebote sein können, habe ich in vielen Erzählungen von Gemeindegliedern aus dem Iran und Afghanistan vernommen. Viele von ihnen haben ihre Hinwendung zum christlichen Glauben damit begonnen, dass sie im Internet erste Informationen auf christlichen Homepages in ihrer Muttersprache gefunden haben, während ihnen ansonsten in ihrem Heimatland ja jegliche weitere Informationen über den christlichen Glauben mehr oder weniger vorenthalten bleiben.

Und doch kann und darf eine Online-Kirche niemals die Kirche der Zukunft sein, so macht es uns das Heilige Evangelium dieses Trinitatisfestes sehr eindrücklich deutlich:

Da stellt uns Johannes hier gleichsam den Vorläufer aller kirchlicher Internetsurfer vor Augen: den Nikodemus. Der kommt in der Nacht zu Jesus, will unerkannt bleiben, will von niemandem darauf angesprochen werden, mit wem er sich da trifft, auf was für einer Website er da gleichsam gelandet ist. Ganz unverbindlich möchte er sich bei Jesus über ihn informieren, wobei er eigentlich schon genau weiß, wie er ihn denn einzuordnen hat: „Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen.“ „Wir wissen“ – eigentlich ist schon alles klar; Jesus ist schon in einer Schublade eingeordnet und soll nun von dieser Schublade aus die weitere Neugier des Nikodemus befriedigen.

Doch Jesus unterbricht dieses unverbindliche Surfen des Nikodemus sofort, lässt sich darauf erst gar nicht ein. Er macht dem Nikodemus deutlich: Wenn du hier bei mir ein neues unverbindliches religiöses Angebot suchst, dann bist du bei mir ganz falsch, dann brauchst du bei mir erst gar nicht weiterzusuchen. Ich bin nicht dazu da, dein religiöses Interesse zu befriedigen, und erst recht bin ich nicht dazu da, dich in dem zu bestätigen, was du immer schon geglaubt und für richtig gehalten hattest.

Statt auf die Suchanfrage des Nikodemus einzugehen, spricht Jesus hier sofort ein ganz neues Thema an: Es geht bei mir nicht um die Befriedigung religiöser Bedürfnisse, sondern es geht bei mir nur um eins: Um Rettung, darum, dass ein Mensch teilhat am Reich Gottes. Und diese Rettung kann man sich nicht einfach mal ein wenig unverbindlich bei Jesus herunterladen, sondern diese Rettung findet man nur, wenn Gott selber das ganze Leben eines Menschen ganz und gar verändert, ihn noch einmal von Neuem geboren sein lässt.

Ja, da bringt Jesus genau die Dinge auf den Punkt, die auch heute die Grenzen einer Online-Kirche deutlich markieren: Solange Menschen einfach nur unverbindlich im Dunkel des Internet ein paar kirchliche Angebote und Websites anklicken, unterliegen sie immer noch dem Irrtum, man könne ja ebenso unverbindlich vielleicht auch Christ sein und werden: der christliche Glaube als eine positive Lebenseinstellung, die gut tut, allemal besser jedenfalls als die Angebote des Islam. Doch in Wirklichkeit kann ich niemals unverbindlich, kann ich niemals im Dunkel der Distanz zu Jesus Christ werden, ja Anteil an dem Reich Gottes gewinnen. Ich kann es nicht dadurch, dass ich mich für Jesus entscheide, nicht dadurch, dass ich mir aussuche, was mir an ihm passt und was nicht. Sondern Christ werde ich nur dadurch, gerettet werde ich nur dadurch, dass ich von Gott selber neu geboren werde durch Wasser und Geist, das heißt: durch die Taufe. Dort in der Taufe findet etwas statt, was ich durch einen unverbindlichen Fernkontakt zur Kirche, zum Glauben, niemals bekommen könnte: Die leibhaftige Gemeinschaft mit dem lebendigen Jesus Christus, eine neue Geburt hinein in ein Leben, das niemals mehr enden wird. Ja, dieser Eingang ins Reich Gottes vollzieht sich niemals virtuell und digital, sondern immer ganz analog, dort wo Wasser und das Wort Gottes bei einem Menschen zum Einsatz kommen und er dadurch zu einem neuen Leben mit Jesus Christus wiedergeboren wird. Diese leibhaftige Gemeinschaft mit Christus kann nie und nimmer ersetzt werden durch irgendwelche Likes auf Facebook, auch nicht durch ein schnell getipptes „Amen“. Allein Gott kann diese neue Geburt vollziehen, und er tut dies eben nicht anders als so, dass er den Eingang in das Reich Gottes an die Taufe bindet.

Gott allein kann es bewirken, dass das Leben eines Menschen in der Kraft seines Heiligen Geistes ganz neu wird. Der Mensch selber kann dazu gar nichts beitragen; er wird von Gott gleichsam mit seinem Wort und seinem Geist erfasst, wie ein Mensch draußen von einer Windböe erfasst wird. Er kann den Wind nicht sehen, und merkt doch, was für Auswirkungen dieser Wind hat, wie kräftig er ist. Genauso verändert Gott das Leben von Menschen. Er kann dazu natürlich auch Angebote im Internet verwenden, und doch führt er Menschen durch das leibhaftige Geschehen der Taufe in das ewige Leben.

Solange ich nur unverbindlich im Internet Kontakte zu Jesus suche, werde ich nicht weiterkommen. Erst da, wo Jesus mein ganzes Denken verändert, wo er mich mit seinem Geist erfasst, werde ich begreifen können, worum es im christlichen Glauben eigentlich geht: Nicht um Worte eines weisen Lehrers, nicht um etwas, was ich tue, sondern allein darum, dass Gott mein Leben ganz neu macht, dass Gott alles tut und bewirkt, damit ich ins Reich Gottes kommen kann.

Heute feiern wir das Trinitatisfest. Das Wort „Dreieinigkeit“ taucht hier in unserer Predigtlesung nicht auf. Sehr wohl ist von Gott, von Jesus und vom heiligen Geist hier die Rede. Doch darum allein wäre das Evangelium des heutigen Sonntags noch nicht so passend für dieses große Fest. Nein, die Worte aus Johannes 3 sind als Evangelium für den heutigen Sonntag gewählt worden, weil in ihnen zum Ausdruck kommt, was Dreieinigkeit eigentlich bedeutet: Gott möchte nicht fern von uns Menschen sein, er möchte in unser Leben eingreifen, möchte unser Leben verändern. Dazu hat er seinen Sohn Jesus Christus zu uns gesandt; dazu hat er sich als der liebende Gott am Kreuz von Golgatha zu erkennen gegeben, dazu gibt er uns den Heiligen Geist in der Taufe, damit wir in der Kraft der Taufe neugeboren, Kinder Gottes werden, in die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott aufgenommen werden. Nein, auch die Dreieinigkeit Gottes ist nicht einfach ein Begriff, über den man sich im Internet informieren kann, sondern sie ist eine Realität, die unser persönliches Leben erfasst und verändert. Nein, das geht nicht auf Abstand; da muss Gott schon ganz dicht an uns herankommen: im Wasser der Taufe ebenso wie in der Gabe seines Heiligen Mahles. Ja, wie gut, dass wir eben dies in unserer Gemeinde erfahren; wie gut, dass auch hier in unserer Gemeinde immer wieder Menschen neu leibhaftig ins Reich Gottes, zum ewigen Leben gerettet werden! Amen.

Zurück