St. Johannes 5,26-16,4 | Exaudi | Pfr. Dr. Martens

Die Frau in der S-Bahn blickte die Asylbewerber, mit denen ich unterwegs war, einfach nur fassungslos an: „Wie kann man denn so blöd sein und sein Leben dafür riskieren, dass man seinen Glauben wechselt? Die hätten doch einfach besser alle Muslime bleiben sollen, dann hätten sie auch nicht aus ihrer Heimat fliehen müssen!“

„Wie kann man denn so blöd sein?“ Wahrscheinlich würde die Frau genau das auch heute Vormittag äußern, wenn sie miterlebt hätte, wie sich nun wieder 15 Schwestern und Brüder hier im Gottesdienst vom Islam lossagten und sich damit selber in Gefahr begeben haben – nicht nur für den Fall einer Ablehnung ihres Asylantrags, sondern auch schon heute bei ihrer Rückkehr in ihr Asylbewerberheim.

Nein, was heute Morgen hier in unserer Kirche geschehen ist, was immer wieder hier in unserer Kirche geschieht, das kann man auch nicht begreifen, wenn man den christlichen Glauben nur für ein religiöses Angebot hält, von dem man nur Gebrauch machen sollte, wenn es einem auch erkennbare Vorteile verschafft. Doch genau dieses Denken ist heutzutage ja weit verbreitet, nicht nur bei Menschen, die sowieso zum christlichen Glauben keinen Bezug haben und es ohnehin für Zeitverschwendung halten, sich mit Gott zu beschäftigen. Sondern dieses Denken steckt uns auch in der christlichen Kirche tiefer in den Knochen, als wir es zunächst einmal wahrnehmen mögen.

Es muss ja nicht gleich so platt und primitiv sein wie in manchen Pfingstkirchen, in denen beruflicher Erfolg, Gesundheit und der Erwerb von Statussymbolen als wesentliche Kennzeichen für das Wirken des Heiligen Geistes propagiert werden: Glaube an Jesus, und du wirst gesund! Glaube an Jesus, und du wirst reich! Glaube an Jesus, und du hast keine Probleme mehr! Unbiblischer geht es kaum! Nein, dieses Denken kann uns auch in etwas feinerer Form überkommen: Wenn ich Christ werde, dann wird mir das helfen, in Deutschland bleiben zu können – nein, gar nicht unbedingt in dieser platten Form, dass Leute denken, ihr Taufschein sei eine Versicherung gegen die Abschiebung. Sondern es gibt dieses Denken ja auch in der Variante: Wenn ich Christ werde, dann muss Jesus mich dafür auch belohnen, dann muss er mich das doch auch in meinem Leben erfahren lassen, dass es mir dadurch besser geht!

Christus kündigt seinen Jüngern, kündigt uns im Heiligen Evangelium dieses Sonntags etwas völlig anderes an: Er kündigt seinen Jüngern an, dass alle möglichen Probleme auf sie zukommen, wenn sie sich künftig als Christen zu erkennen geben: nicht bloß ein paar Unannehmlichkeiten, sondern der Ausschluss aus der Gesellschaft, ja der Tod. Schwestern und Brüder: Was Christus uns hier in diesen Worten ankündigt, ist so unglaublich aktuell, dass es einem fast den Atem verschlägt:

Es kommt die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit. Dass auf die Konversion vom Islam zum christlichen Glauben in vielen muslimischen Ländern die Todesstrafe steht, liegt ja nicht einfach daran, dass es in diesen Ländern lauter böse Menschen gibt. Nein, diese Todesstrafe wird jedes Mal religiös begründet: Wir müssen Muslime, die Christen werden, töten, weil Gott das so will, weil wir damit seinen Willen befolgen, weil wir ihn damit ehren, weil es nicht hinzunehmen ist, dass jemand behauptet, Gott habe einen Sohn, Jesus Christus sei Gottes Sohn. Ja, diejenigen, die diese Gesetze verabschiedet haben, diejenigen, die Christen die Kehle durchschneiden und dabei rufen: „Allah ist groß“, die glauben allen Ernstes, sie täten Gott einen Dienst damit! Das ist so furchtbar, dass Menschen meinen, Gott mit der Tötung anderer Menschen zu dienen, dass sie an einen Gott glauben, der so etwas Irrsinniges von ihnen erwartet!

Und selbst wenn es nicht gleich der Tod ist – Jesus kündigt seinen Jüngern daneben den Ausschluss aus der religiösen Gemeinschaft, aus der Gesellschaft an. Wie kommt man damit durch, wenn man sich nicht am Fasten, am täglichen Namas beteiligt? Viele von euch haben mir erzählt, wie schwierig das für sie in ihrer Heimat war – und nicht wenige von euch haben mir davon berichtet, was für Probleme sie eben auch in ihren Asylbewerberheimen haben, wenn sie sich aus der dort praktizierten religiösen Gemeinschaft der Muslime ausklinken. Und immer wieder geht es in den Konflikten letztlich um die eine Frage: Wer ist Gott, wer ist Jesus Christus? Ist er nur ein Prophet, oder ist er wirklich Gott selbst? Jesus hat es damals seinen Jüngern gegenüber klar zum Ausdruck gebracht: „Das werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen.“ Hier scheiden sich die Wege von Muslimen und Christen, hier erweist sich alles vollmundige Gerede von einer angeblichen abrahamitischen Ökumene als Unsinn.

Warum machen Menschen das aber nun trotzdem? Warum bringen sie sich in Gefahr, machen sich menschlich gesprochen ihr Leben kaputt dadurch, dass sie sich vom Islam abwenden und Christen werden? Jesus nennt hier in unserem Evangelium nur einen einzigen Grund: Er spricht von dem Tröster, dem Geist der Wahrheit, den er senden wird. Er spricht vom Heiligen Geist. Und dieser Geist, der hat solch eine Kraft, die Herzen von Menschen zu verändern, dass sie eben nicht mehr danach fragen: Was bringt mir der christliche Glaube, was habe ich für Vorteile, wenn ich den annehme? Sondern der Heilige Geist wirkt so in den Herzen von Menschen, dass sie bald merken: Ich komme gegen diese Wahrheit des Evangeliums nicht mehr an, und ich will dagegen auch gar nicht mehr ankommen. Das, was mich der Heilige Geist von Jesus Christus hat erkennen lassen, das ist so wunderbar, das ist so wichtig für mich und mein Leben, dass ich gar nicht mehr danach fragen kann, ob mir das Vor- oder Nachteile bringt. Ja, das bringt mich dazu, davon dann auch anderen Menschen zu erzählen, auch wenn ich mich damit in Gefahr begebe, auch wenn ich mir damit Nachteile einhandle. Ja, so ist es, so können es so viele von euch aus ihrem eigenen Leben bezeugen. Ihr wart es nicht selber, es war Gottes Geist, der Geist der Wahrheit, der euch gepackt und verwandelt hat, der auch unsere heutigen Täuflinge hierher an den Taufstein geführt hat.

Und doch, seien wir ehrlich, ist es uns eben dennoch nicht egal, wie wir als Christen behandelt werden, ob uns das Vor- oder Nachteile einbringt. Das geht euch nahe, wenn ihr erleben müsst, dass eure eigenen Eltern nicht mehr mit euch sprechen, wenn sie erfahren, dass ihr Christen geworden seid. Das geht euch nahe, wenn ihr daran denkt, was ihr alles aufgeben musstet, weil ihr Christen geworden seid. Das geht euch nahe, wenn ihr auch hier in Deutschland von Muslimen angefeindet und bedroht werdet. Da kommt dann doch so schnell der Gedanke: Wo ist denn nun Jesus? Warum hilft er mir denn nicht? Doch Jesus antwortet: „Dies habe ich zu euch geredet, damit, wenn ihre Stunde kommen wird, ihr daran denkt, dass ich’s euch gesagt habe.“ Seid nicht überrascht! Ich habe euch darauf vorbereitet. Ich bin und bleibe der Herr der Geschichte. Ich sage euch voraus, dass ihr als Christen verfolgt werdet. Aber ich sage euch eben auch, dass es die Wahrheit ist, dass ich, Christus, eins bin mit dem Vater, dass ihr Gott seht, wenn ihr mich seht, dass Gott nicht weit weg ist, sondern ihr ihn findet könnt, wenn ihr mich findet, verborgen in den Gestalten von Brot und Wein im Heiligen Mahl. Ich sage euch, dass es die Wahrheit ist und bleibt, dass ihr in mir die Vergebung der Sünden, dass ihr in mir das ewige Leben habt. Ich sage euch, dass es die Wahrheit ist und bleibt, dass ihr auch dort, wo ihr ganz Schweres um eures Glaubens willen erleidet, niemals allein seid, dass ich euch immer wieder trösten und stärken werde durch meinen Heiligen Geist.

Nein, Schwestern und Brüder, ihr seid nicht blöd, dass ihr euch taufen lasst, ihr seid nicht blöd, dass ihr Christen seid. Ihr seid im Gegenteil Menschen, denen Christus den Horizont erweitert hat, die weiter blicken. Ja, ihr seid Menschen, in denen Gottes Heiliger Geist am Werk ist, der euch nie im Stich lassen wird. Ihr seid Menschen, die Christus und damit das ewige Leben in sich tragen. Da sage ich nur noch: Herzlichen Glückwunsch! Amen.

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