St. Johannes 6,30-35 | 7. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Wenn man eine Kinder- oder Konfirmandengruppe so richtig glücklich machen will, dann muss man mit ihnen zu McDonalds fahren. Fast Food – schnelles Essen, ebenso schnell verzehrt löst bei diesen Kindern und Konfirmanden ungeahnte Glücksgefühle aus. Das erscheint für sie beinahe wie der Himmel auf Erden, sich diese Nahrung einverleiben zu dürfen. Und dabei fällt dann immer wieder nicht ins Gewicht, dass dieses Essen in Wirklichkeit gar nicht richtig satt macht, dass man schon bald nach dem Besuch einer solchen schottischen Fast-Food-Filiale wieder neu das Gefühl hat, hungrig zu sein.

Ja, natürlich gibt es in unserem Lande auch die ernährungsbewussten Menschen, für die der Besuch einer McDonalds-Filiale die Todsünde schlechthin wäre, Menschen, die genau wissen, was für Gefahren in den Burgern von McDonalds lauern und die sich stattdessen nur ökologisch korrekt und gesund von Nahrungsmitteln aus dem Biomarkt ernähren, von Nahrungsmitteln, die Sättigung und Gesundheit zu kombinieren versprechen. Ja, wer sich so gesund ernährt, der hat allemal bessere Chancen, länger zu leben, länger gesund zu bleiben, davon sind sie überzeugt.

Ja, Essen ist für unser Leben von entscheidender Bedeutung. Das ist nicht bloß eine biologische Wahrheit, dass wir ohne Essen verhungern. Wir alle ahnen es auf die eine oder andere Weise, dass Essen eben viel mehr ist als bloß die Zuführung von Kalorien zur Erhaltung von lebensnotwendigen Funktionen des Körpers. Im Essen erfüllt sich für uns Menschen immer wieder das, was wir unter Leben verstehen, und durch Essen hoffen wir, Leben, möglichst langes Leben zu gewinnen.

Um Essen, um Brot, um das Grundnahrungsmittel schlechthin geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Sonntags. Da schildert uns St. Johannes hier eine sehr intensive Diskussion zwischen Jesus und seinen Zuhörern. Gerade zuvor hatte Jesus 5000 Menschen satt gemacht, hatte ein geradezu unfassliches Wunder gewirkt. Doch die, die das erlebt haben, sind mit diesem Wunder nicht zufrieden. Sie wollen mehr. Sie wollen, dass Jesus solch ein Wunder am laufenden Band vollbringt und damit zeigt, dass er tatsächlich in der Vollmacht Gottes wirkt. Wie einst Gott das Volk Israel in der Wüste immer wieder mit Manna versorgte, so soll Jesus nun zeigen, dass er Ähnliches draufhat, dass er auch eine Dauerversorgung der Israeliten auch heute bewerkstelligen kann. Fast Food als Dauerangebot – ja, wenn Jesus das bewerkstelligen könnte, dann könnte man ja ernsthaft darüber nachdenken, ihm zu glauben.

Ja, das ist schon bezeichnend: Was die Menschen von jemandem, der im Auftrag Gottes zu handeln behauptet, erwarten, ist zunächst einmal Essen, Versorgung mit Nahrungsmitteln, und das möglichst schnell und effektiv.

Sehr viel geändert haben sich die Menschen offenkundig in den letzten 2000 Jahren nicht. Gewiss, in manchem hat sich ihr Horizont sogar noch weiter eingeengt. Sie erwarten von Gott selber in vielen Fällen überhaupt nichts mehr. Aber sehr wohl erwarten sie etwas von ihrem Leben – und das unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was sich die Leute damals auch von Jesus wünschten. Menschen erwarten vom Leben, dass sie das bekommen, was sie sich wünschen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse erfüllt und befriedigt werden. Ja, es ist erschütternd zu sehen, bei wie vielen Menschen auch in unserem Land der Lebenshorizont allen Ernstes darauf beschränkt bleibt, dass sie Geld verdienen, mit Freunden und Bekannten essen gehen, ihren Urlaub im All-Inclusive-all-you-can-eat-Hotel verbringen und sich darüber hinaus noch der einen oder anderen weiteren Bedürfnisbefriedigung widmen. Gut essen, mit Freunden abhängen, Spaß haben, ein schönes Familienleben pflegen – das soll wirklich alles sein, das soll wirklich das Leben sein?

Jesus machte seinen Zuhörern damals deutlich, dass sie mit ihren Wünschen viel zu kurz greifen, dass sie überhaupt nicht erkannt haben, was eigentlich Sinn und Erfüllung ihres Lebens ausmacht. Leben bedeutet eben gerade nicht, sich über einen bestimmten Zeitraum von Jahren und Jahrzehnten mehr oder weniger gediegen den Magen vollzuschlagen, Leben bedeutet gerade nicht, das zu bekommen, was man sich wünscht und wonach man sich sehnt. Es gibt ein ganz anderes Leben, so zeigt es Jesus hier, ein Leben, nach dem sich die Menschen überhaupt nicht sehnen, das sie von sich aus überhaupt nicht haben wollen, weil sie gar keine Ahnung von diesem Leben haben, weil dieses Leben völlig außerhalb ihres Erwartungshorizontes liegt.

Dieses Leben kann ich mir nicht durch Fast Food sichern, das noch nicht einmal meine ganz irdischen Wünsche nach Sättigung nachhaltig zu erfüllen vermag. Doch dieses Leben kann ich mir eben auch nicht dadurch sichern, dass ich mich stets biologisch einwandfrei und ökologisch korrekt ernähre. Was wir auch zu uns nehmen mögen – ob es nun der fette Burger ist oder die vegane Bulette aus dem Bioladen: Wir futtern uns so oder so unweigerlich unserem Tod entgegen. Gewiss, wenn wir gar nichts essen würden, würden wir auch sterben. Aber dadurch, dass wir essen, vermögen wir unseren Tod auch nur höchstens ein wenig hinauszuzögern, holt er uns ganz unabhängig von unserer Speisekarte früher oder später doch ein.

Was wir auch machen mögen, was wir auch essen mögen: Wir können unser Leben nicht nachhaltig sichern, wir können uns erst recht nicht selber Anteil verschaffen an einem unvergänglichen Leben, das kein Ende mehr kennt. Nein, dieses Leben muss schon vom Himmel selber zu uns kommen, so macht es Jesus hier deutlich, muss uns, muss der ganzen Welt gegeben, geschenkt werden. Anders geht es nicht.

Und dieses Leben kommt nun in der Tat in der Gestalt von Brot zu uns, so macht es uns Jesus deutlich. Doch dieses Brot ist eben nicht die Pappe, die das gebratene Etwas in der Mitte des Burgers bei McDonalds umgibt. Dieses Brot ist auch nicht das Weizen-Dinkel-Mischbrot von Alnatura. Sondern dieses Brot ist eine Person, ist kein anderer als er, Jesus Christus, selber. Anteil erhalte ich an dem neuen Leben, das vom Himmel kommt, dadurch, dass ich Anteil an einer Person erhalte, dass ich zu ihr komme, im Glauben mit ihr verbunden werde. Wahres Leben bekomme ich einzig und allein in der Gemeinschaft mit dieser einen Person, mit ihm, Jesus Christus, der allein von sich sagen kann: Ich bin das Brot des Lebens. Mohammad ist nicht das Brot des Lebens. Buddha ist nicht das Brot des Lebens. Karl Marx ist nicht das Brot des Lebens. Und auch Zarathustra ist nicht das Brot des Lebens. Sondern das Brot des Lebens ist nur er, Christus, allein, sonst niemand. Nur wer zu ihm kommt, bekommt Anteil an einem Leben, in dem es einmal endgültig keinen Hunger mehr geben wird. Nur wer an ihn glaubt, bekommt Anteil an einem Leben, in dem es einmal endgültig keinen Durst mehr geben wird, bekommt Anteil an einem Leben, in dem jeder Mangel, den wir jetzt in unserem Leben oft noch so schmerzlich erfahren, einmal endgültig überwunden sein wird.

Brot – es ist kein Zufall, dass Jesus gerade dieses Bild gebraucht, um uns deutlich zu machen, wer er ist, was er bringt: Er ist kein Dessert, nicht das Sahnehäubchen unseres Lebens für bestimmte feierliche Anlässe. Wir brauchen ihn dringender als alles andere in unserem Leben, Tag für Tag. Nur er bringt das Leben, das wirklich bleibt und niemals aufhört. Und so ist es eben auch kein Zufall, dass Jesus uns die Begegnung mit sich nun wiederum in der Tat in der Gestalt von Brot ermöglicht und schenkt. Ja, wir sollen tatsächlich mit unserem Mund Brot essen, kein anderes Brot als das, das Jesus damals auch gegessen hat in der Nacht, als er verraten wurde. Doch dieses Brot ist in Wirklichkeit unendlich mehr als das Manna, mit dem Gott damals die Israeliten speiste. Dieses Brot ist nichts anderes als der Leib Christi selber, er, Christus, selber, leibhaftig. Ja, wir dürfen ihn mit unserem Mund berühren, empfangen, essen, in uns aufnehmen – und indem wir dies tun, wird das Leben, das Christus bringt, ja, das er, Christus, selber ist, wirklich auch unser Leben, bekommen wir ganz real Anteil an dem Leben, das kein Ende, keinen Tod mehr kennt.

Nein, dieses Brot, das wir in jedem Gottesdienst hier empfangen dürfen, ist kein Fast Food-Produkt. Wir werden ihm nicht gerecht, wenn wir hier einmal kurz in die Kirche nach vorne an den Altar laufen, es kurz empfangen und dann wieder weg sind. Was uns hier am Altar gegeben wird, ist so großartig, so unfasslich, dass wir gut daran tun, uns einen ganzen Gottesdienst lang immer mehr im Staunen einzuüben, im Staunen über dieses Brot des Lebens, das uns hier vorne ausgeteilt und geschenkt wird. Gut tun wir daran, über dieses Brot des Lebens immer wieder neu nachzudenken, immer mehr in der Freude über diese Gabe zu wachsen, bis wir schließlich von diesem Brot des Lebens, von dem Leib und Blut unseres Herrn, gar nicht mehr wegkommen. Ja, Gott geb’s, dass dies in der Tat unser lebenslanger erster und wichtigster Wunsch bleibt: „Herr, gib uns allezeit solches Brot.“ Amen.

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