St. Lukas 12,8-12 | Mittwoch nach Exaudi | Pfr. Dr. Martens
Zu den Fragen, die an Asylbewerber während ihrer Anhörungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge immer wieder gerichtet werden, zählt die Frage: Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie aus Deutschland in Ihre Heimat zurückgeschickt werden? Ja, was soll man auf solch eine theoretische Frage antworten? Was soll etwa ein Afghane antworten, der sein ganzes Leben lang noch nie in Afghanistan gelebt hat, aber jetzt dorthin zurückgeschickt werden soll? Wie sollen sich die Befragten in eine Situation hineinversetzen, die sie in vielen Fällen noch nie erlebt haben, weil sie bei ihrer Ausreise aus ihrer Heimat eben noch nicht bewusste Christen wie jetzt waren? Beherztes Augenmaß ist bei der Antwort angesagt: Erklärt man, dass man dort in seiner muslimischen Heimat nur sehr vorsichtig seinen Glauben praktizieren würde, dann beweist man damit, dass man es mit dem christlichen Glauben nicht ernst meint. Erklärt man dagegen, man würde auch in der muslimischen Heimat seinen Glauben offen praktizieren, erkennt das Bundesamt sofort, dass das nur eine Antwort sein kann, die der Pastor dem Asylbewerber eingeflüstert hat, weil ja kein Mensch in Wirklichkeit so blöde sein würde, für seinen Glauben sein Leben zu riskieren.
Genau um diese Frage, wie Christen sich in Verfolgungssituationen verhalten sollten, geht es auch in der Predigtlesung dieses Abends. Dreierlei macht Christus selber zu diesem Thema deutlich:
Das Bekenntnis zu ihm, Christus,
- ist von heilsentscheidender Bedeutung
- ist vom Heiligen Geist selber gewirkt
- ist von Gottes Vergebung getragen
I.
Im schiitischen Islam gibt es bekanntermaßen das Konzept der sogenannten „Taqiyya“ – wenn ein Muslim mit seinem Bekenntnis zum Islam sein Leben gefährden würde, darf er seinen Glauben verleugnen, darf er sich verstellen, ohne dass dies eine Sünde wäre. Ein solches Denken ist dem Neuen Testament, ist vor allem auch Jesus Christus selber völlig fremd. Im Gegenteil: Ganz eindeutig erklärt Christus hier: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes.“ Ja, das Bekenntnis zu Jesus Christus, das Bekenntnis, zu ihm zu gehören, an ihn zu glauben, ist nach den Aussagen von Christus von heilsentscheidender Bedeutung. Wer ihn, Christus, verleugnet, der kann nicht damit rechnen, dass Christus selber sich dann zu ihm im letzten Gericht bekennt. Nein, das ist keine Schönwetterrede, die Christus hier hält. Ganz deutlich hat er die Situation der Verfolgung von Christen hier im Blick. Doch in Bezug auf das Bekenntnis gibt es für ihn keine Kompromisse: Ich kann nicht Christus verleugnen und dann damit rechnen, dass er mir im letzten Gericht beisteht. Hier gibt es kein Taktieren. Nein, Christus erwartet hier nicht, dass jeder Christ, der nach Afghanistan oder in den Iran zurückgeschickt wird, gleich beim Aussteigen aus dem Flugzeug noch in der Flughafenhalle eine Missionspredigt vor den versammelten Reisenden hält. Aber wenn ein Christ danach gefragt wird, ob er zu Jesus Christus gehört, soll er es nicht leugnen, soll sich zu dem bekennen, der doch auch für ihn gestorben und auferstanden ist – mit eben dieser Verheißung, dass Christus sich auch zu ihm bekennen wird. Und diese Zusage gilt natürlich nicht nur im Iran und Afghanistan, sie gilt auch hier für uns, gilt in jedem Gottesdienst, in dem wir das Glaubensbekenntnis miteinander sprechen. Wann immer wir gemeinsam bekennen: Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, dann gilt auch uns eben diese Verheißung: „Wer mich bekennt vor dem Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes.“
II.
Doch wichtig ist dabei nun, dass wir stets bedenken: Unser Bekenntnis zu Jesus Christus ist nicht eine Entscheidung, die wir treffen, ist nicht ein gutes oder gar verdienstliches Werk, das wir verrichten oder verrichten müssen, um in den Himmel zu kommen. Sondern wenn wir uns zu Jesus Christus bekennen, dann ist dieses Bekenntnis immer zuerst und vor allem Gabe und Wirkung des Heiligen Geistes. Kein Mensch kann sich zu Jesus Christus bekennen, wenn ihn nicht der Heilige Geist selber dazu befähigt, wenn er nicht das Herz des Menschen verändert und ihn aussprechen lässt, was in seinem Herzen zu finden ist. Das gilt für jedes Bekenntnis, das wir Christen sprechen – hier im Gottesdienst oder auch außerhalb in Gesprächen mit anderen Menschen. Dies gilt aber auch noch einmal in besonderer Weise für die Verfolgungssituation, ja auch für die Situation, in der sich viele unserer Gemeindeglieder befinden, die eben auch hier in Deutschland vor die Obrigkeit geführt werden und dort Zeugnis von ihrem christlichen Glauben ablegen müssen: „Sorgt nicht!“ – So ruft es Christus ihnen zu. Sorgt nicht, der Heilige Geist wird euch lehren, was ihr sagen sollt. „Sorgt nicht!“ – Was für eine wunderbare, tröstliche Botschaft für uns alle: Unser Heil hängt nicht davon ab, wie heldenhaft stark wir in unserem Glauben sind. Und die Wahrhaftigkeit des Glaubens hängt erst recht nicht von unserer Redegewandtheit ab. Nein, sorgt nicht: Der Heilige Geist wird euch lehren, er wird euer Reden, euer Bekennen leiten. Ja, wie gut, dass der Heilige Geist nicht eine Idee oder ein Gefühl ist, sondern der Herr, der lebendig macht, der auch unsere toten und lahmen Lippen zu bewegen vermag, dass wir zur rechten Zeit sagen können, was nötig ist. Ja, wie gut, dass der Heilige Geist selber das Bekenntnis wirkt, das uns an die Seite von Jesus Christus stellt.
III.
Aber nun wissen wir: Nicht immer klappt das mit unserem Bekennen so, wie wir uns das wünschen und vorstellen würden. Der Petrus hat damals mit seinem Bekenntnis in der Nacht des Verrats seines Herrn jämmerlich versagt – und in seiner Nachfolge stehen eben auch wir immer wieder, müssen immer wieder vor unserem Bekenntnis zu Christus auch das Bekenntnis unserer Schuld, unseres Versagens ablegen, dass wir mit unserem Reden und Tun oft genug eher gegen Christus Zeugnis abgelegt haben als für ihn.
Doch wie gut, dass unser Bekenntnis und auch all unsere gescheiterten Bekenntnisse getragen sind von der Zusage unseres Herrn: Wer ein Wort gegen den Menschensohn sagt, dem soll es vergeben werden. Immer wieder haben wir die Möglichkeit, uns durch den Heiligen Geist zum Empfang der Vergebung rufen zu lassen. Immer wieder schenkt uns Gott selber die Möglichkeit zum Neuempfang, zum neuen fröhlichen Bekenntnis zu ihm, Christus, der für unsere Sünde am Kreuz gestorben ist.
Nur eines dürfen wir auf keinen Fall: Uns dem Wirken des Heiligen Geistes zu widersetzen, der uns zur Vergebung ruft, und damit den lästern, der allein uns dorthin führt, wo wir Gottes Vergebung empfangen können. Solange ich mich der Einladung zum Empfang der Vergebung verweigere, empfange ich diese Vergebung auch nicht, mit all den Konsequenzen, die das mit sich bringt. Lassen wir uns darum immer und immer wieder zur Vergebung Gottes rufen, verweigern wir ihren Empfang ja nicht!
Und noch eins: Lästern wir den Heiligen Geist ja nicht dadurch, dass wir behaupten, das Bekenntnis, das er gewirkt hat, sei in Wirklichkeit gar nicht Ausdruck seines Wirkens. Es ist kein Zufall, dass Christus hier gleich an seine Ausführungen über die Lästerung des Heiligen Geistes seine Worte über das Wirken des Heiligen Geistes im Bekenntnis der Christen vor der Obrigkeit anschließt: Wo Menschen leugnen, dass das Bekenntnis, das ein Christ in der Kraft des Heiligen Geistes spricht, vom Heiligen Geist gewirkt ist, und stattdessen ihm unterstellen, dass dieses Bekenntnis nur dem menschlichen Geist, ja letztlich asyltaktischen Erwägungen entsprungen ist, da stehen Menschen, die so urteilen, in der Tat in der Gefahr, den Heiligen Geist zu lästern, dessen Bekenntnis sie auf diese Weise abtun oder vielleicht gar ins Lächerliche ziehen. Wir sollten diese tiefe geistliche Dimension der Diskussionen um die Ablehnungspraxis der deutschen Behörden gegenüber christlichen Konvertiten niemals aus den Augen verlieren: Es geht hier auch um die Frage von Verstockung, ja um die Frage der Lästerung des Heiligen Geistes, auch in staatlichen Bescheiden und Urteilen. Ja, wir stehen hier in der Tat in einem geistlichen Kampf.
Die Tage zwischen der Himmelfahrt Christi und dem Pfingstfest sollen uns in besonderer Weise daran erinnern, dass wir ganz und gar auf das Wirken des Heiligen Geistes angewiesen sind, insbesondere da, wo wir von staatlichen Stellen bedroht und bedrängt werden. Mögen wir uns vom Heiligen Geist immer wieder den Mut schenken lassen, uns bewusst zu Christus zu bekennen, ihn nicht zu verleugnen, auf das Wirken des Heiligen Geistes zu vertrauen und aus der Vergebung immer wieder neu die Kraft zu schöpfen, auch und gerade da Christus treu zu bleiben, wo wir mit unserem Bekennen versagt haben. Kurzum: „Sorgt nicht!“ Amen.