St. Lukas 16,1-8 | Vorletzter Sonntag des Kirchenjahrs | Pfr. Dr. Martens

Allmählich wird es Donald Trump wohl klar, dass seine Tage im Weißen Haus gezählt sind. Seine Rechtsanwälte, die er damit beauftragt hatte, die Wahlergebnisse für die Präsidentenwahl anzufechten, gehen ihm reihenweise von Bord, und Richter weisen seine Klagen gegen die Ergebnisse fast durchgehend ab. Daran ändert auch nichts, dass es weiter Millionen von Menschen gibt, die in den USA treu zu ihm stehen. Am 20. Januar wird für ihn Schluss sein – die Uhr läuft. Noch gut zwei Monate. Was kann und soll er jetzt noch machen? Eine Frage scheint ihn im Augenblick besonders zu bewegen: Kann ein Präsident sich selber begnadigen? Denn wenn er am 21. Januar nicht mehr Präsident sein sollte, dann können ab diesem Tag alle möglichen Anklagen gegen ihn erhoben werden, vor denen er bisher als Präsident noch geschützt war. Und darum interessiert sich Donald Trump wohl sehr ernsthaft für diese Frage: Kann ich mich, bevor ich aus dem Amt scheide, noch selber begnadigen? Es gibt Juristen, die das durchaus für möglich halten, dass ein Präsident das darf, auch wenn es bisher in der Geschichte der USA noch niemals ein Präsident versucht hat. Es wäre jedenfalls ein letzter Schachzug, den Donald Trump noch mit Erfolg vollziehen könnte: Begnadigung seiner selbst, solange dafür noch Zeit ist.

Eine ganz ähnliche Geschichte erzählt uns Jesus in der Predigtlesung des heutigen Sonntags. Da ist von einem Verwalter eines reichen Mannes die Rede, der beschuldigt wird, dieses Vermögen nicht so verwaltet zu haben, wie er dies hätte tun sollen, sondern dieses Vermögen verschleudert zu haben. Der reiche Mann ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Vorwürfe, die gegen den Verwalter erhoben werden, stimmen. Er kündigt ihm, lässt ihm aber noch Zeit, von seiner Vermögensverwaltung Rechenschaft abzulegen. Eigentlich ein ziemlich ungewöhnliches Vorgehen. Wenn heute ein Unternehmer darüber informiert würde, dass der Leiter der Finanzabteilung krumme Dinge gedreht hat, dann würde er natürlich ihn als erstes von all seinen Aufgaben entbinden und ihm keinen Zugang zu seinen Konten mehr gestatten, damit der nicht noch irgendetwas im letzten Augenblick vertuschen oder beiseiteschaffen kann. Doch der reiche Mann hier in der Geschichte ist anders. Der lässt dem Verwalter trotz der Kündigung noch die Gelegenheit, noch eine Zeitlang in seiner Vollmacht Geschäfte tätigen zu können. Und genau von dieser Gelegenheit macht nun dieser Verwalter auch kräftig Gebrauch. Er weiß: Meine Zeit ist abgelaufen. Ich habe keine Chance mehr, meinen Job zu behalten.  Und was danach kommt, sieht düster aus: Mir wird alles genommen, was ich habe – und ich habe keinerlei Begabungen, um danach mein Leben noch irgendwie weiter sichern zu können.

Ja, der Verwalter weiß: Ihm bleibt nur eine Chance: Er muss die Zeit bis zu seiner endgültigen Absetzung so schnell wie möglich nutzen. Noch ist er Verwalter, noch kann er diese Position nutzen, um Menschen dadurch für seine zukünftige Unterstützung zu gewinnen, dass er ihnen Schulden erlässt. Vermutlich war es so, dass der reiche Mann Land an Bauern verpachtet hatte und mit ihnen im Vorfeld eine bestimmte Summe abgemacht hatte, die sie von ihrer Ernte als Pacht an ihn zu zahlen hatten. Noch kann der Verwalter in der Vollmacht seines Herrn handeln, und so nutzt er diese Vollmacht, um die vereinbarte Pachtsumme deutlich herabzusetzen: Aus hundert Fass Öl werden fünfzig, aus hundert Sack Weizen achtzig. Wir wissen aus den gegenwärtigen Diskussionen in dieser Corona-Zeit, was für enorme Hilfen solche Schuldenerlasse sein können, wie sie Menschen wieder neu Luft zum Atmen, Luft zum Überleben schenken können. Die Schuldner waren jedenfalls dem Verwalter sehr dankbar – und der hatte Grund zur Hoffnung, dass sie das nicht vergessen würden, wenn er nun bald schon auf der Straße stehen würde.

Worauf spekuliert der Verwalter bei seinem Vorgehen? Natürlich darauf, dass sein Herr diesen Schuldenerlass nicht rückgängig machen wird, dass er zu dem stehen wird, was der Verwalter in seinem Auftrag geändert hat. Und die Hoffnung des Verwalters erfüllt sich: Sein Herr lobt ihn am Ende sogar noch für sein kluges Vorgehen, dafür, dass er die Möglichkeiten genutzt hat, die er ihm in der verbliebenen Zeit noch gelassen hatte. Der Verwalter hatte erkannt: Das Einzige, was mich noch retten kann, ist allein Schuldenerlass, ist allein die Gnade meines Herrn, der diesen Schuldenerlass nicht mehr rückgängig machen wird.

Ja, das ist schon eine reichlich schräge Geschichte, die Jesus hier erzählt. Eine Geschichte von einem Betrüger, der seine Chance nutzt, um im letzten Augenblick noch seine Zukunft zu sichern, indem er im Auftrag seines Herrn den Gläubigern seines Herrn ihre Schulden erlässt. Moralisch alles sehr fragwürdig. Doch Jesus liebt solche schrägen Typen, um an ihnen deutlich zu machen, worum es in unserem Glauben eigentlich geht. Nein, ihm geht es hier nicht darum, zwielichtige Finanztipps zu geben. Wie sollte er das tun, wo Jesus doch überall im Lukasevangelium davor warnt, dass wir unser Herz gerade nicht an Geld und Besitz hängen sollen! Nein, wir gehören nicht zu den Kindern dieser Welt, nicht zu denen, die ihre Zukunft nur in dem sehen, was sie hier auf Erden an Geld und Besitz anhäufen können. Als Kinder des Lichts leben wir schon ganz anders, beteiligen uns nicht an krummen Geschäften, achten nicht darauf, dass wir uns auf Kosten anderer Vorteile sichern – alles ganz klar. Doch Jesus erzählt uns diese Geschichte ja nicht bloß, weil er die Leute zum Lachen bringen will, was für merkwürdige Typen es doch gibt. Sondern wir sollen uns von diesem Verwalter schon eine Menge abgucken, so unmoralisch sein Verhalten auch erscheinen mag.

 Denn dieser Verwalter hat eines klar erkannt: Ich habe nicht mehr viel Zeit, und diese Zeit muss ich nutzen. Nicht umsonst hat diese Erzählung Jesu ihren Platz am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, in einer Zeit des Kirchenjahres, in der wir sehr deutlich daran erinnert werden, dass unsere Zeit begrenzt ist, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist und dass auch diese Welt insgesamt ihrem Ende in der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus entgegengeht. Klug sind wir, wenn wir dieses Ende unseres Lebens und das Ende der Welt in unserem Handeln, in der Ausrichtung unseres Lebens immer klar vor Augen haben, wenn wir eben nicht so leben, als ob unser Leben hier auf Erden für immer so weitergehen würde wie bisher. Auch uns wird gesagt: Gib Rechenschaft über das, was du getan hast in deinem Leben. Und wir ahnen es: Wir haben keine Chance, wenn wir über unser Leben Rechenschaft ablegen müssen. Da ist so vieles, was wir vor dem Herrn, der uns fragt, einfach nicht verantworten können, da ist so viel Schuld, so viel Versagen, dass wir keine Möglichkeit mehr haben, das noch einmal in Ordnung zu bringen. Uns bleibt nur eines: Dass wir in unserem Leben alles auf eine Karte setzen, wie es der Verwalter hier in der Geschichte auch getan hat. Und diese eine Karte, auf die wir setzen sollten, heißt Schuldenerlass, heißt, biblisch formuliert: Gnade. Nein, retten können wir uns bei unserer Rechenschaftslegung, die Gott einmal von uns erwartet, nicht dadurch, dass wir jetzt noch schnell einige großzügige Spenden an die Kirche geben – auch wenn wir gegen solche Spenden natürlich nichts einzuwenden haben. Doch dass wir uns mit Geld bei unserer letzten Rechenschaftslegung freikaufen könnten, das ist es nun wahrlich nicht, was Jesus uns hier in dieser Geschichte vor Augen stellen will. Selbstbegnadigung, wie sie Donald Trump erhofft, ist vor dem Angesicht Gottes auch nicht möglich. Der Weg ist uns abgeschnitten. Aber es gibt in der Tat Verwalter der Güter Gottes, die in der Vollmacht Gottes Schulden erlassen können, noch viel radikaler, als Jesus dies hier in der Geschichte schildert, Verwalter, die im Auftrag ihres Herrn, die im Auftrag Gottes Schulden von 100% auf 0% heruntersetzen können. Und wenn die das machen, dann ist und bleibt Gott an ihr Handeln gebunden, macht das nicht wieder rückgängig, lässt das gelten in alle Ewigkeit.

Ja, genau das will uns Jesus mit dieser Geschichte vor Augen stellen: Nutze die Zeit, die dir in deinem Leben noch bleibt, nutze sie, ganz gleich, ob du in den nächsten Monaten gegen Corona geimpft werden kannst oder nicht. Deine Lebenszeit, sie ist und bleibt auf jeden Fall begrenzt; du hast keine Zeit zu verlieren. Ja, setze alles in deinem Leben auf eine Karte: auf die eine Karte der Vergebung. Vertraue darauf, dass dein Herr zu dem Schuldenerlass steht, den Menschen in seinem Auftrag vornehmen! Komme immer und immer wieder zum Gottesdienst, komme besonders auch zur Beichte, erfahre dort immer wieder das Wunder, wie Haushalter Gottes deine Schuld auf null heruntersetzen, verlasse dich darauf ganz und gar, dass dich allein dieser Schuldenerlass retten wird, dass der Bestand haben wird, wenn dein Leben hier auf Erden einmal zu Ende gehen wird! Glaube ja nicht, du könntest deine Zukunft mit irgendetwas anderem sichern als allein mit dem Erlass deiner Schuld, als allein mit dem Vertrauen auf Gottes Gnade, der diesen Schuldenerlass nicht mehr in Frage stellt!

Wer so seine Lebenszeit nutzt, die ihm noch bleibt, um immer wieder aus der Kraft der Vergebung zu leben, der muss sich dann auch nicht krampfhaft an seinem Leben festhalten, wie sich so manche Menschen an ihren Ämtern und Privilegien festhalten und sie um keinen Preis der Welt aufgeben wollen. Wer weiß, dass Gottes Vergebung auch für ihn gilt, der kann sein verbliebenes Leben ganz getrost und bewusst führen, weil er weiß: Ich werde am Ende meines Lebens nicht obdachlos bleiben. Ich habe eine Wohnung bei Gott, in die ich einmal einziehen werde, wenn meine Zeit hier auf Erden abläuft. Nein, das ist nicht nur eine vage Hoffnung, wie sie damals der Verwalter in der Geschichte hatte, die Jesus uns heute erzählt hat. Diese Wohnung, die steht jetzt schon für dich bereit, seit dem Tag deiner Taufe – und keine Behörde kann dich jemals aus dieser Wohnung wieder vertreiben oder abschieben. Bleibe nur dabei, in deinem Leben alles von der Vergebung und nichts von dir und deinen Werken zu erwarten! Dann wird sich am Ende herausstellen, dass du tatsächlich klug gelebt hast, dass du verstanden hast, was allein dich rettet: Der Zuspruch in der Vollmacht deines Herrn: Dir sind deine Sünden vergeben! Amen.

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