St. Lukas 17, 7-10 | Septuagesimae | Pfr. Dr. Martens

Da hatte ich mir um einen Asylbewerber sehr viel Mühe gegeben. Ich hatte Bescheinigungen für ihn geschrieben, hatte mich für ihn eingesetzt, als er zu Unrecht Probleme mit der Polizei bekommen hatte, hatte viele Stunden mit ihm verbracht, wenn es ihm nicht gut ging. Doch nun lief in seinem Leben alles seinen normalen Gang. Immer seltener ließ er sich in der Kirche blicken, gab mir recht deutlich zu erkennen, dass er mich und die Kirche nun nicht mehr brauche. Von Dankbarkeit für das, was ich für ihn getan hatte, keine Spur. Er hatte mich erfolgreich ausgenutzt – und nun hatte er mich und die Kirche nicht mehr nötig.

Schwestern und Brüder: Es gibt solche Erfahrungen im Dienst, in denen man am liebsten alles hinschmeißen würde: Was soll denn der ganze Einsatz, was sollen die durchgearbeiteten Nächte, wenn man am Ende merkt, wie undankbar so manche sind, für die man so viel getan zu haben glaubt? Sollen sie ihren Kram doch allein machen!

Wie aktuell erscheint da die Predigtlesung des heutigen Sonntags! Um sie recht zu verstehen, muss man zunächst einmal wahrnehmen, an wen diese Worte gerichtet sind: Sie sind gerichtet an die Apostel, an diejenigen, denen Christus in seiner Kirche besondere Verantwortung übertragen hat. Wie groß ist da die Gefahr, sich selbst als Chef oder als Macher zu verstehen, als jemanden, der doch eigentlich damit rechnen kann, verehrt zu werden, zumindest den Dank zu erfahren, den man sich mit seinem Einsatz verdient hat!

Doch Jesus macht den Aposteln hier deutlich, wie sie sich selber zu verstehen und einzuordnen haben. Er gebraucht Bildmaterial aus einer Welt, die uns heute sehr fremd geworden ist: Von einem Sklavenhalter spricht er, der seinen Sklaven den ganzen Tag arbeiten lässt und dann am Ende des Tages erwartet, dass der Sklave ihm erst noch das Essen zubereitet, bevor er, der Sklave, dann auch endlich Feierabend hat. Und ausdrücklich spricht Jesus davon, dass der Sklave nicht auch noch damit rechnen kann, von seinem Herrn und Besitzer einen Dank für das zu erhalten, was er für ihn tut. Selbstverständlich ist es doch, dass der Sklave tut, was sein Herr und Besitzer von ihm erwartet!

Und dieses Bild wendet Jesus nun auf die Apostel an. Sklaven, Knechte ihres Herrn Jesus Christus sind sie, nicht freie Unternehmer, keine Showstars, die vom Applaus der Menge leben. Christus hat ihnen einen Dienstauftrag gegeben, und den haben sie zu erfüllen; das ist so selbstverständlich, dass man darüber gar nicht viel weiter diskutieren muss. Und wem dienen sie? Natürlich ihm, dem sie mit Leib und Seele gehören, ihrem Herrn Jesus Christus. Doch wie geschieht dieser Dienst? Eben darin, dass sie den geringsten Brüdern und Schwestern ihres Herrn dienen, in denen sie ihm, dem Herrn, selbst begegnen. Was beim ersten Hinhören so rückständig klingen mag, ist in Wirklichkeit revolutionär im wahrsten Sinne des Wortes: Diejenigen, die ganz oben in der Kirche zu stehen scheinen, sind in Wirklichkeit ganz unten, haben den Auftrag, denen zu dienen, die in den Augen der Menschen ganz unten zu sein scheinen und denen der Herr der Knechte doch eine solch hohe Würde verleiht, dass er den Dienst, den die Diener der Kirche an ihnen versehen, als Dienst an ihm selbst ansieht.

Was hat der Sklave hier in dieser Beispielgeschichte zu tun? Er pflügt, er weidet das Vieh und er bereitet den Tisch. Bilder sind das, die im Neuen Testament immer wieder für den Dienst der Apostel, für den Dienst derer, die in ihrer Nachfolge arbeiten, gebraucht werden. Wo gepflügt wird, da wird Boden aufgebrochen, damit der Same aufgehen und Frucht bringen kann. Weide setzt voraus, dass der Hirte bereit ist, denen nachzugehen, die den Anschluss an die Herde verloren haben. Und wenn sich der Sklave schließlich schürzt, um dem Herrn zu dienen, dann haben wir natürlich gleich auch unseren Herrn Jesus Christus vor Augen, wie er direkt vor seiner Verhaftung sich geschürzt, seinen Jüngern die Füße gewaschen und sie damit zu einem Miteinander angeleitet hat, das allein von der Liebe und nicht von irgendwelchen Herrschaftsansprüchen gekennzeichnet ist. Pflügen, Boden aufbrechen – so lässt sich die missionarische Tätigkeit der Diener Christi umschreiben. Und weiden – das ist eben ihr Dienst als Hirten, dem Verlorenen nachzugehen, denen, für die man verantwortlich ist, Nahrung und Trank zu geben, die Speise des Lebens zu reichen am Altar. Ja, Dienst ist dies alles, kein Mittel, um sich über andere zu erheben, nichts, wofür man einen Dank erwarten könnte und sollte.

Wer in diesem Dienst Dank erwartet, der versteht sich selber letztlich doch als Lohnarbeiter, als einer, der etwas dafür tut, damit er etwas zurückbekommt. Doch der Dienst eines Dieners Christi ist ein anderer: Sein Lohn ist, ganz im Haushalt seines Herrn zu Hause zu sein, ihm mit Leib und Seele angehören zu dürfen. Er tut nicht etwas, damit er bei seinem Herrn wohnen darf, sondern er tut alles, weil er bei seinem Herrn zu Hause ist.

Und da merken wir dann schon, dass das nicht nur eine Geschichte für Pastoren ist, die uns hier erzählt wird. Es ist eine Trostgeschichte für alle, die Dienste in der Gemeinde Jesu Christi übernehmen. Ja, ich kenne sie auch aus unserer Gemeinde – diese Erfahrungen und Gedanken: Da machen wir so viel in der Gemeinde, da setzen wir uns so sehr für Menschen ein, die in Not sind – und erleben dabei dann doch immer wieder Enttäuschungen, mögen manchmal den Eindruck haben, dass wir nicht den Dank dafür bekommen, den wir doch eigentlich verdient hätten.

Doch wozu wollen wir eigentlich Dank haben? Ja, warum steckt eigentlich in uns immer wieder dieser Gedanke, wir hätten dieses oder jenes verdient, müssten für dieses oder jenes eine Anerkennung bekommen? Nehmen wir eigentlich noch wahr, wie gut wir es haben? Auch wir stehen ja bei Gott gerade nicht in einem Vertragsverhältnis. Wir müssen Gott nicht beweisen, wie gut wir sind. Gott macht seine Anerkennung, die er uns ausspricht, nicht von unseren Leistungen abhängig. Er lässt uns einfach ganz selbstverständlich bei ihm zu Hause sein. Etwas Besseres, etwas Größeres kann uns gar nicht passieren. Wir müssen nicht erst noch etwas leisten, damit wir in den Himmel kommen. Wir sind schon angenommen von Gott, ganz in seine Gemeinschaft aufgenommen. Du bist ein Kind Gottes, von Gott geschätzt und geliebt.

Nein, Jesus predigt uns hier nicht preußisches Pflichtbewusstsein. Er erinnert uns an unser Zuhause bei Gott. Er erinnert uns daran, dass wir schon das Höchste erreicht haben, was wir bekommen können – nicht durch unseren Einsatz, sondern allein deswegen, weil Gott uns in unserer Taufe zu seinem Eigentum gemacht hat. Wir müssen uns unsere Bestätigung nicht noch irgendwo anders herholen, nicht durch besonders gute Schulnoten, nicht durch die Dankbarkeit anderer Menschen. Gott weiß, warum er uns in seinen Dienst, in seine Gemeinschaft gerufen hat.

Und dann können wir uns hier in unserer Gemeinde in der Tat ganz fröhlich an die Arbeit machen: Da gibt es Menschen, die sind gut darin, beim Pflügen mitzumachen, die Saat des Wortes Gottes mit auszusäen, Menschen zu Christus einzuladen. Da gibt es Menschen in unserer Gemeinde, die gehen in wunderbarer Weise anderen Menschen nach, die den Anschluss an Christus zu verlieren drohen, machen sich über sie Gedanken. Und da gibt es Menschen, die hier in unserer Gemeinde Tischdienste der verschiedensten Art übernehmen, die Asylbewerber zu sich nach Hause einladen, die Kirchenasylanten mit Essen versorgen, die auch heute wieder für die ganze Gemeinde kochen. Ja, da gibt es natürlich auch Menschen, die hier am Tisch des Herrn mithelfen, die mithelfen, das Blut des Herrn auszuteilen. Vielfältig sind die Dienste, die Christus in seiner Gemeinde gebrauchen kann. Aber klar bleibt immer dies: Keiner steht mit seinem Dienst über dem anderen. Jeder tut, was er tun kann, eben weil er keine Angst haben muss, dass es nicht genug sein könnte, um in den Himmel zu kommen.

Fragen wir also nicht zuerst und vor allem danach, was uns die Gemeinde bringt, ob wir hier den Service erhalten können, den wir meinen verdient zu haben! Ja, wir dürfen es erleben, dass Christus selber uns hier im Gottesdienst bedient mit seinem Wort, mit seiner Vergebung, mit seinem Leib und Blut. Und diesen Service haben wir ganz sicher nicht verdient; er ist und bleibt immer unverdientes Geschenk. Doch wenn wir das begriffen haben, dann werden wir uns hier in der Gemeinde auch an die Arbeit machen, gerne und fröhlich und selbstverständlich, in der Gewissheit, dass Gott uns unser Zuhause bei sich ganz fest zugesagt hat. Und verbieten will es uns Christus ganz sicher nicht, wenn wir einander in der Gemeinde dann auch „Danke“ sagen, unsere Freude über die Dienste anderer in der Gemeinde zum Ausdruck bringen. Das sind Zeichen der Liebe, die eben auch Kennzeichen einer wahren christlichen Gemeinde sind. Doch warten wir nicht auf dieses Zeichen, wenn wir mit anderen zu tun haben, warten wir nicht auf besondere Anerkennung! Dass Christus uns ruft, ist genug. Er ist und bleibt unser Diener, unser guter Hirte, er, der sich selber geschürzt hat, um uns zu dienen bis in den Tod. Auch er hat unser Danke nicht abgewartet, hat getan, was so lebensnotwendig für uns war und ist. Wir stehen in seiner Schuld. Mehr als unnütze Knechte können wir letztlich in unserem Leben niemals sein. Und doch sind wir es zugleich: Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Da macht das Dienen doch gleich doppelt Freude – mit und ohne Dank! Amen.  

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