St. Lukas 21,25-33 | Zweiter Sonntag im Advent | Pfr. Dr. Martens

Vor einiger Zeit sah ich im Fernsehen einen Film, in dem gezeigt wurde, wie man sich bei einem Erdbeben verhalten soll. Ich habe das, ehrlich gesagt, schon wieder vergessen, was man da am besten machen sollte, denn die Gefahr von Erdbeben ist hier im Gebiet von Berlin relativ gering. Aber grundsätzlich ist das natürlich eine gute Sache, wenn man Menschen Verhaltensregeln für solche kritischen Situationen an die Hand gibt, damit sie vorbereitet sind für den Ernstfall.

Um so etwas Ähnliches geht es auch im Heiligen Evangelium dieses Zweiten Sonntags im Advent. Da kündigt Jesus auch ein Beben an, ein Beben, das allerdings nicht nur die Bewohner von Gebieten betrifft, unter denen zwei Kontinentalplatten aneinander reiben, sondern das ausnahmslos alle Menschen einmal betreffen wird: „Die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“ Und Jesus beschreibt zugleich auch deutlich die Reaktion, die dieses Wanken der Kräfte auslösen wird: Den Völkern wird bange sein, ja sie werden vergehen vor Furcht angesichts dessen, was da auf sie zukommt.

Während wir an diesem Sonntag diese Worte hören, tagt in Madrid die diesjährige Weltklimakonferenz. Warnende Stimmen sind von dort zu hören, und einer der Begriffe, der dort immer wieder gebraucht wird, ist der sogenannte „Tipping point“, der Kipppunkt oder das Kippelement. Es gibt Punkte, an denen ein System unwiderruflich ins Rutschen gerät und dieses Rutschen sich dann auch durch nichts mehr aufhalten lässt. Niemand weiß genau, wann in den Veränderungen unseres Klimas solche „Tipping points“ erreicht werden; doch Wissenschaftler sind besorgt, dass wir solchen „Tipping points“ vielleicht schon näher sind, als wir ahnen, etwa bei der Schmelze der Gletscher. Nein, Schwestern und Brüder, es geht nicht darum, dass ich jetzt diese besorgten Ausblicke vieler Wissenschaftler instrumentalisiere und diese Ankündigungen als Beweis dafür werte, dass die Bibel recht hat und die Welt bald untergehen wird. Doch eines ist allemal bemerkenswert: Wie Jesus damals schon die Reaktion der Menschen angekündigt hat, dass sie einmal angesichts der dramatischen Veränderungen, die sie erleben, verzagen werden, ja, vor Furcht vergehen werden.

„Ich will, dass ihr in Panik geratet!“ – Diese Worte der Klimaaktivistin Greta Thunberg bekommen noch einmal einen ganz besonderen Klang auf dem Hintergrund der Worte des heutigen Evangeliums: Menschen auf der ganzen Welt wird bange angesichts der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde. Und da sind wir als Christen allemal gefordert, darauf zu reagieren, mit dieser Angst, mit dieser Panik, die uns umgibt, umzugehen, ja, auch mit der Aussicht darauf, dass wir möglicherweise tatsächlich in der kommenden Zeit „tipping points“ erleben werden und mitbekommen werden, dass Dinge ins Rutschen geraten, die wir nicht mehr ins Lot bekommen werden.

Zwei entscheidend wichtige Hinweise gibt uns Christus hier, wie wir als Christen inmitten des Bangens der Völker leben sollen und können:

  • Richte dich auf!
  • Halte dich an Christi Wort!


I.

Was Christus uns hier als erstes ans Herz legt, ist nichts anderes als eine gewaltige Provokation für unsere Umgebung: Während die Menschen um uns herum Panik schieben, vor Angst vor der Zukunft fast ohnmächtig werden, sollen wir Christen uns aufrichten, fröhlich nach vorne blicken, weil wir gerade nicht etwas Furchtbares erwarten, sondern im Gegenteil nicht weniger als unsere Erlösung. Und diese Erlösung hat die konkrete Gestalt des wiederkommenden Jesus Christus, der kommt, um dieser vergehenden Welt ein Ende zu bereiten und seine ganz neue Welt zu schaffen.

Es gehört zu den gefährlichsten Aspekten einer Panik, dass sich alle von ihr mitreißen lassen, nicht mehr selber denken, sondern nur noch das tun, was alle anderen auch tun. Doch Christen geraten eben gerade nicht in Panik, auch und gerade nicht angesichts der Ankündigungen dessen, was uns in Zukunft auf dieser Erde noch alles bevorstehen mag. Wir orientieren uns in unserem Verhalten nicht an dem, was alle anderen tun, sondern wir richten unseren Blick allein auf den kommenden Christus.

Das, Schwestern und Brüder, wäre das Zeugnis, das die christlichen Kirchen in der heutigen Zeit gegenüber den Menschen abzulegen hätten, die von Furcht getrieben sind und nur noch schwanken zwischen dem Größenwahn, diese Welt retten zu können, und der Verzweiflung, dass sowieso schon längst alles zu spät ist. Doch leider erleben wir es immer wieder, dass sich auch viele christliche Kirchen mitreißen lassen von dem Bangen der Völker, dass sie das Verzagen der Menschen einfach noch einmal ein wenig religiös überhöhen, statt die Botschaft von der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus dieser Angst der Menschen ganz bewusst entgegenzustellen. Nein, unsere Aufgabe ist nicht die Rettung der Welt, sondern die Verkündigung des wiederkommenden Retters dieser Welt.

Und das hat Folgen für uns Christen: Wir haben Grund dazu, aufzuatmen, uns aufzurichten, getrost nach vorne zu schauen – nicht, weil das Klimapaket unserer Bundesregierung so effektiv wäre, sondern einzig und allein deshalb, weil unsere Erlösung naht. Genau das wollen wir gerade jetzt in diesen Wochen der Adventszeit einüben: Uns aufzurichten, aufzusehen, den kommenden Christus wieder neu als den Zielpunkt unseres Lebens und den Zielpunkt unserer Welt klar ins Auge zu fassen. Advent bedeutet eben nicht: Erwartung von Weihnachten. Sondern es bedeutet: Erwartung des kommenden Herrn. Das ist die Botschaft, die wir dieser panischen Welt schulden.

Wenn du wieder einmal Schreckensmeldungen im Fernsehen oder im Internet vernimmst, dann übe es ein, die Worte des Wochenspruchs dieser Woche immer wieder nachzusprechen: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ Sprich die Worte ganz bewusst aus – und vollziehe sie mit deinem Körper mit: Richte dich auf, blicke auf, lass dich durch nichts und niemanden herunterziehen. Wenn dich Sorgen und Nöte in deinem Leben immer wieder herunterziehen, wenn du selber gar nicht mehr weißt, was du überhaupt noch für eine Zukunft haben sollst, ja, dann sprich sie ganz bewusst, mit deinem Mund und mit deinem Körper, eben diese Worte: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ Ja, genau so können wir als Christen bestehen in einer Welt, die von dieser Hoffnung so gar nichts weiß und wissen will.


II.

Und noch ein Zweites legt uns Christus angesichts der Panik, die uns umgibt, ans Herz: Wir sollen uns an sein Wort halten.

Wenn alles um mich herum ins Rutschen gerät, ist es wichtig, dass ich mich an irgendetwas festhalten kann, was nicht mitrutscht, was auch in allem Rutschen Bestand behält. Und diesen festen Halt, den benennt Christus hier im Heiligen Evangelium ganz klar: Es ist sein Wort, das allein Bestand hat, wenn alles andere vergeht:

Nein, Christus lässt uns nicht in der Illusion leben, dass sich diese Welt allmählich in ein Paradies verwandelt, in dem die Menschen endlich alle friedlich und liebevoll miteinander umgehen werden. Im Gegenteil, so betont er es: Solange diese Welt steht, wird es Menschen geben, die ganz bewusst Gottes Willen entgegenstehen und entsprechend handeln. Und darum wird diese Welt irgendwann auch einmal ein Ende finden: Ja, Himmel und Erde werden vergehen, so sagt es Christus hier ganz klar. Die Regierung der islamischen Republik im Iran wird einmal vergehen, wird einmal endgültig nicht mehr existieren. Alle Außenstellen des BAMF werden einmal vergehen, werden einmal endgültig nicht mehr existieren. All das, worauf Menschen in dieser Welt ihre Hoffnung gesetzt haben, wird einmal vergehen, wird einmal endgültig nicht mehr existieren. Und was bleibt? Es bleibt allein das Wort unseres Herrn Jesus Christus, es bleibt allein, was er uns versprochen hat. Von diesem Taufstein wird einmal nichts mehr übrigbleiben. Aber was Christus dir an diesem oder einem anderen Taufstein in der Taufe versprochen hat, das wird auch dann noch Bestand haben, wenn diese Welt einmal ins Nichts versunken sein wird. Von diesem Altar wird einmal nichts mehr übrigbleiben. Aber wenn Christus in dir mit seinem Leib und Blut Wohnung genommen hat, dann wird das Bestand haben in alle Ewigkeit, dann wird dich das auch durch das Vergehen dieser Welt hindurchtragen bis in Gottes neue Welt, hindurchtragen bis in die Ewigkeit.

Halte dich darum an das Wort deines Herrn, klammere dich daran, wenn sich sonst alles um dich herum dreht! Ja, lass dir von diesem Wort die Augen öffnen, dass du erkennst, was hier und jetzt in dieser Welt geschieht: Es sieht nach Winter aus – doch in Wirklichkeit gehen wir dem Sommer entgegen, dem Sommer der neuen Welt Gottes. Alles, was andere in Schrecken versetzen mag, nehmen wir durch das Wort unseres Herrn als Zeichen der Hoffnung, als Zeichen, dass der Herr nahe ist. Und genau das lässt uns dann auch ganz nüchtern danach fragen, wie wir hier und jetzt denen helfen können, die auf unseren Beistand angewiesen sind. Das lässt uns gerade nicht aus dieser Welt fliehen, sondern in dieser Welt bleiben, bewegt uns dazu, uns gerade für die Schwächsten einzusetzen, die in der Panik dieser Welt am ehesten unter die Füße geraten.

Übe es ein, dich aufzurichten, Christus entgegenzublicken! Und präge dir die Worte deines Herrn und seine Versprechen immer tiefer ein, lass keine Gelegenheit aus, seinen Leib und sein Blut zu empfangen! Dann bist du vorbereitet auch auf eine Zeit, in der so viele tipping points überschritten werden mögen, dann bist du vorbereitet auf die Zeit, in der die Kräfte der Himmel ins Wanken geraten. Dann bist du vorbereitet auf die Begegnung mit deinem wiederkommenden Herrn. Was auch noch kommen mag: Unsere Erlösung naht! Ja, Christus will, dass ihr in Vorfreude geratet! Amen.

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