St. Lukas 22,31-34 | Vorabend zu Invokavit | Pfr. Dr. Martens
Zu den grundlegenden Problemen bei der Entscheidung der Ernsthaftigkeit einer Konversion eines Christen durch unsere staatlichen Behörden gehört ein völliges Unverständnis dessen, was eigentlich „Glauben“ heißt. In den Anhörungen und Gerichtsverhandlungen wird immer wieder davon ausgegangen, dass sich ein Mensch seinen Glauben aus einem Supermarkt von religiösen Angeboten aussucht – und wenn er ihn sich dann ausgesucht hat, dann muss er auch dazu in der Lage sein, dies wortgewaltig und mit viel Emotionen vor den staatlichen Stellen darzubieten und zu begründen.
Doch in Wirklichkeit ist es um den Glauben ganz anders bestellt, so macht es uns St. Lukas in der Predigtlesung des heutigen Abends deutlich. Der Glaube ist kein einmal erworbener Besitz, den man zu bestimmten Anlässen hervorholen und ausstellen kann. Sondern der Glaube ist immer umkämpfter, gefährdeter, bedrohter Glaube, so zeigt es uns Christus selber hier sehr eindringlich.
„Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.“ – So stellt Christus hier zunächst einmal fest. Der Teufel kann nicht verhindern, dass Menschen ihm in der Heiligen Taufe immer wieder entrissen werden. Aber er kann sehr wohl versuchen, sich Leute wieder zurückzuholen, die schon auf der anderen Seite waren. Er weiß: Er wird sicher nicht alle zurückbekommen. Aber den einen oder anderen vielleicht eben doch. Man muss sie in ihrem Leben nur genügend schütteln, dann gerät am Ende doch noch durcheinander, was zuvor so fest zu stehen schien. Ach, wie wenig wissen diejenigen von dieser Realität, die immer nur darauf aus sind, festzustellen, ob jemand den christlichen Glauben „identitätsprägend“ angenommen hat, wie es so schön heißt. Über solch eine Formulierung kann der Teufel nur lachen. Natürlich hat er bei jedem so seine Angriffspunkte, mit denen er einen Menschen aufs Kreuz legen kann, natürlich kann er von daher bei jedem Menschen ohne Ausnahme mit Fug und Recht in Frage stellen, dass er tatsächlich identitätsprägend Christ ist. Und genau dieser Argumentation des Teufels folgt dann ja auch das Verwaltungsgericht in Berlin den meisten Fällen: So fest kann doch bei keinem Menschen der Glaube sein, dass er die staatlichen Anforderungen an die Festigkeit des Glaubens auch nur annähernd erfüllen würde!
Der Petrus jedenfalls hätte bei unserem Bundesamt oder hier im Verwaltungsgericht in Berlin nicht die geringste Chance gehabt, als ernsthafter Christ anerkannt zu werden. Denn kein Geringerer als Christus selbst formuliert hier für ihn eine Zukunftsprognose, die ihm jede Chance auf Anerkennung hier in Deutschland rauben würde: „Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“ Einer, der bei der erstbesten Gelegenheit schon seinen Glauben verleugnet – der ist nun wirklich kein richtiger Christ, dem kann man es ohne Probleme zumuten, dass er auch als Muslim lebt! Und dabei hatte der Petrus doch gerade getan, was die Mitarbeiter im Bundesamt und die Richter hier in Berlin von einem Asylbewerber erwarten: Er hatte seinen Mund ganz voll genommen, hatte sich eindrücklich als Glaubensheld präsentiert, der natürlich dazu bereit sei, für seinen Glauben an Christus auch in den Tod zu gehen. Wenn da jemand von unseren Asylbewerbern auch nur etwas vorsichtiger formuliert, dann ist das allein schon immer wieder ein Grund für die Ablehnung seines Asylantrags. Doch Christus macht hier deutlich: Gerade die Selbstgewissheit des Petrus, seine Überzeugung, identitätsprägend konvertiert zu sein, ist in Wirklichkeit das beste Einfallstor für den Teufel, lässt ihn umso tiefer stürzen, je höher er sich selber auf das Podest gehoben hatte.
Ja, unser Glaube ist wahrlich ein umkämpfter Glaube, so zeigt es uns Christus hier deutlich: Wir haben in unserem Glauben zu kämpfen mit dem Teufel, der nichts unversucht lässt, um uns aus der Gemeinschaft der Kirche herauszulösen und gerade so unseren Glauben zum Erlöschen zu bringen. Wir haben in unserem Glauben zu kämpfen mit unserem eigenen „Fleisch“, wie Martin Luther es zusammenfasst, mit unserem eigenen Hochmut, unserem Vertrauen auf unsere eigene Kraft, das uns immer wieder zu Fall bringt, dass von unserem Glauben nichts mehr übrig zu bleiben scheint. Und wir haben in unserem Glauben zu kämpfen mit der „Welt“, wie Martin Luther es zusammenfasst, mit den Angriffen von außen, die in verführerischer oder brutaler Weise auf uns treffen und uns mit unseren eigenen Möglichkeiten immer wieder in die Knie zwingen. Ja, wenn wir nur unsere eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten analysieren, dann bleibt am Ende von unserem Glauben nichts, aber auch gar nichts mehr übrig, erst recht nichts, was man deutschen staatlichen Behörden noch irgendwie vorweisen könnte.
Was haben wir in diesem Kampf um unseren Glauben diesen Angriffen entgegenzusetzen? Wir selber von uns aus gar nichts. Verloren wären wir – wenn da nicht dieser eine Satz wäre, den Christus selber all diesen Angriffen auf unseren Glauben entgegenstellt: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Das wiegt schwerer als alle Angriffe, als alle Infragestellungen unseres Glaubens. Gegen die Fürbitte unseres Herrn kommt der Teufel nicht an, kommen auch alle anderen nicht an, die unseren Glauben bedrohen und kaputtmachen wollen. Das allein gibt unserem Glauben Stabilität und eine Zukunftsperspektive.
Ja, hör dir an, was der Petrus nur wenige Stunden später sagt: Gleich dreimal leugnet er, Jesus auch nur zu kennen, geschweige denn, zu ihm zu gehören. Das ist für uns doch offensichtlich, dass solch ein Mensch keinen Glauben hat, dass man ihm erst recht nicht zutrauen kann, dass er seinen Glauben in der Zukunft öffentlich leben wird. Doch Jesus sagt: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre! Wo wir nach unseren menschlichen Maßstäben urteilen, dass gar kein Glauben mehr vorhanden ist, sieht Jesus das ganz anders. Denn Glauben ist nicht das Ergebnis unserer Entscheidung, unserer Charakterstärke, er existiert, weil Christus ihn mit seiner Fürbitte trägt. Und derselbe Christus, der unseren Glauben trägt, der spricht auch uns persönlich an, wie er es hier mit dem Petrus getan hat, stärkt unseren Glauben durch sein Wort. Ja, mehr noch: Er traute damals dem Versager Petrus so viel zu, dass er ihm gleich eine neue Aufgabe überträgt – noch bevor er überhaupt versagt hat. Ja, Christus spricht dem Versager Petrus eine positive Zukunftsperspektive zu, entgegen aller menschlichen Logik.
Und genau so eröffnet Christus auch unserem Glauben eine positive Zukunftsperspektive, macht deutlich, dass er auch uns Versager mit unserem oft so wackligen, angegriffenen Glauben gebrauchen kann, um mit uns und durch uns weiter seine Kirche zu bauen, auch gegen alle Widerstände, die wir hier in unserer Gemeinde so schmerzlich erfahren. Denn er betet für uns, er tritt ein für dich und für mich vor seinem himmlischen Vater. Und das allein zählt am Ende, Gott sei Dank! Amen.