St. Lukas 24,50-53 | Vorabend zu Christi Himmelfahrt | Pfr. Dr. Martens

Die Eltern fuhren ihren Sohn zum Flughafen. Für ein Jahr würde er jetzt weg sein, Austauschstudienjahr im Ausland. Ja, die Eltern freuten sich für ihren Sohn, freuten sich über die besondere Gelegenheit, die ihm da geboten wurde. Und doch wurde ihnen zugleich das Herz schwer, als sie sahen, wie er hinter der Sicherheitskontrolle verschwand und wie das Flugzeug schließlich abhob und in den Wolken verschwand. Nein, das konnte man nicht wirklich behaupten, dass sie anschließend „mit großer Freude“ nach Hause fuhren.

Im Heiligen Evangelium des Festes der Himmelfahrt Christi wird jedoch eben dies von den Jüngern Jesu behauptet: Als Jesus sich von seinen Jüngern verabschiedet und gen Himmel fährt, kehren die Jünger anschließend nach Jerusalem zurück „mit großer Freude“. Wie ist das möglich: Sie sehen ihren Herrn Jesus Christus nicht mehr – und sind nicht traurig, sondern freuen sich? Nein, das liegt ganz sicher nicht daran, dass sie denken, dass sie ihn nun los sind und sich nun von ihm emanzipieren können, selber das in der Kirche tun können, was sie für richtig halten. Sondern die Himmelfahrt Christi selber ist für sie Anlass zu großer Freude. Und St. Lukas nennt uns dafür hier in unserem Evangelium auch gleich drei Gründe, warum die Jünger sich bei der Himmelfahrt Christi gefreut haben, ja, warum auch wir heute Abend und morgen allen Grund dazu haben, ein wirklich fröhliches Fest zu feiern – auch ohne dass wir dazu in den Wald fahren und uns besaufen.

Die Jünger freuen sich

  • weil sie wissen, wo der Himmel ist
  • weil sie wissen, dass Jesu Segen bleibt
  • weil sie wissen, wen sie anbeten


I.

So ähnlich wie den Abflug eines Flugzeuges, das irgendwann hinter den Wolken verschwindet, stellen sich ja viele Leute die Himmelfahrt Christi vor. Entsprechend gibt es auch ganz fromme Bilder, auf denen zu sehen ist, wie die Beine Jesu aus einer Wolke baumeln. Und theologisch weniger versierte automatische Übersetzungssysteme machen aus der Himmelfahrt Christi auch gerne einmal den „Tag der Luftwaffe“. Doch die Jünger damals wussten es, und wir wissen es auch, dass der Himmel, von dem unser Evangelium hier spricht, eben nicht irgendwo „da oben“ ist und dass er erst recht nicht weit weg ist. Jesus entfernt sich durch seine Himmelfahrt nicht von seinen Jüngern, auch nicht von uns, sondern kommt uns im Gegenteil durch seine Himmelfahrt näher als zuvor. Der Himmel ist die Dimension Gottes, in die sich Jesus nun begibt – und diese Dimension ist uns gerade so nahe, dass wir sie jetzt noch gar nicht fassen und begreifen können.

Ja, darum freuen sich die Jünger mit großer Freude, weil ihr Herr Jesus Christus nun nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist, weil er in ihrer Mitte gegenwärtig ist, ganz gleich wo sie sich auch aufhalten. Nein, sehen können sie ihn nun nicht, aber Jesus hat ihnen zugleich bestimmte Orte hinterlassen, an denen sich immer wieder neu Himmel und Erde berühren, an denen sie seine Gegenwart tatsächlich fassen können: Dort, wo Menschen ihn, Christus, anziehen in ihrer Heiligen Taufe, und dort, wo Christus selber mit seinem Leib und Blut zu ihnen kommt. Da wird der Himmel fassbar, da erleben wir es leibhaftig, dass Jesus gerade nicht irgendwo „oben“, „weit weg“ ist, hinter den Wolken verschwunden. Die Himmelfahrt Christi findet auch heute wieder ihr Ziel hier auf unserem Altar. Kein Wunder, dass wir da fröhlich singen!


II.

Einen zweiten Grund zur Freude für die Jünger nennt uns St. Lukas hier: Sie wissen, dass Jesu Segen bleibt. Als Jesus die Jünger an den Ölberg führt, hebt er seine Hände auf und segnet seine Jünger. Und während er sie segnet, fährt er mit den erhobenen segnenden Armen auf. Sein Segen endet nicht, sondern geht weiter!

Was für eine wunderbare, tröstliche Schilderung auch für uns. Wenn wir uns unseren Herrn Jesus Christus vor Augen halten, dann dürfen wir uns dies immer wieder einprägen: Er hält seine segnenden Hände über uns und wendet sich gerade so uns zu. Davon leben wir, davon lebt die ganze Kirche Christi, davon lebt auch unsere Gemeinde. Alles, was wir hier in unserer Mitte erleben, die ganzen Wunder, die wir hier immer wieder geradezu mit Händen greifen können, haben darin ihren Grund, dass unser Herr Jesus Christus seine segnenden Hände über uns hält, dass wir hier unter seinem Segen arbeiten können, der sich dann in so vielfacher Weise bei uns auswirkt. Vor diesem segnenden Jesus brauchen wir wahrlich keinerlei Angst zu haben, im Gegenteil: Wenn wir uns seine segnenden Hände genauer anschauen, dann sehen wir darin die Nägelmale seiner Kreuzigung. Der Segen, den wir in unserer Gemeinde, den wir auch in unserem persönlichen Leben empfangen, ist immer wieder ein Segen, der seinen Ursprung im Kreuz hat. Das heißt aber auch zugleich: Dieser Segen bewahrt uns nicht vor Problemen und Schwierigkeiten in unserem Leben, sondern es ist ein Segen, der uns immer wieder am Kreuzweg unseres Herrn Jesus Christus Anteil gibt, uns auf seinem Weg bis in den Himmel führt. Und doch und gerade deshalb haben wir allen Grund dazu, mit großer Freude Christi Himmelfahrt zu feiern: Was wir auch tun in unserem Leben und in unserer Gemeinde – wir bewegen uns stets unter den segnenden Händen unseres Herrn.


III.

Und noch einen dritten Grund nennt St. Lukas hier, warum die Jünger mit großer Freude nach Jerusalem zurückkehren: Sie wissen nun, wen sie anbeten.

Hier, ganz am Schluss des Evangeliums, wird zum ersten Mal geschildert, dass die Jünger Jesu ihn, ihren Herrn, anbeten. Das Wort, das hier gebraucht wird, wird einzig und allein auf Gott angewendet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten“ – so hatte es Jesus selber bei seiner Versuchung dem Teufel entgegengehalten. Nun beten die Jünger ihn, Jesus, an, und machen damit deutlich, dass sie erkannt haben, wer er, Jesus, ist: Eben nicht bloß ein beeindruckendes Vorbild, ein großer Lehrer, ein großer Prophet: Sondern Gott der Herr, selber, Gott, Mensch geworden, gekreuzigt, auferstanden, in unserer Mitte gegenwärtig.

Ja, darauf zielt das ganze Lukasevangelium, darauf zielt die ganze Verkündigung des christlichen Glaubens: Dass wir ihn, Christus, anbeten, dass wir ihn als unseren Herrn und Gott erkennen und bekennen. Etwas Schöneres kann es gar nicht geben, als zu erkennen und zu bekennen: Meine Zukunft und die Zukunft der ganzen Welt, mein Leben und mein Sterben liegt in den durchbohrten Händen des Gekreuzigten, weil er mein Herr und Gott ist. Ja, etwas Schöneres kann es gar nicht geben, als dass wir diese Anbetung, die die Jünger damals auf dem Ölberg vollzogen haben, auch hier bei uns im Gottesdienst vollziehen, vor ihm, Christus, niederknien, wenn er in den Gestalten von Brot und Wein zu uns kommt mit seinem Leib und Blut. Christus anzubeten – ja, das ist die tiefste Erfüllung unseres Lebens, das ist das Ziel unseres Lebens, denn nichts anderes werden wir in aller Ewigkeit tun: ihn, Christus, voller Freude anzubeten. Darum kehrten die Jünger damals mit großer Freude zurück, weil sie ihn, Christus, angebetet hatten. Und eben darum haben auch wir unser ganzes Leben lang Grund zur Freude, weil wir wissen, wer unser Herr ist, vor wem wir die Knie beugen – jetzt und in alle Ewigkeit: vor ihm, der uns durch seine Himmelfahrt so nahe gekommen ist und auch weiter nahe ist, vor ihm, der uns immer weiter segnet: Ja, er, unser Herr lebt in alle Ewigkeit – und wir mit ihm! Halleluja! Amen.

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