St. Lukas 3,3-14 (Vorlage Für Die Persische Übersetzung) | Vorabend zum dritten Sonntag im Advent | Pfr. Dr. Martens

Fast zwei Jahre war es jetzt schon her, dass er seine negative Antwort vom BAMF bekommen hatte. Er wusste seitdem, dass irgendwann einmal die Gerichtsverhandlung auf ihn zukommen würde. Aber allmählich hatte er sich an diese Aussicht so sehr gewöhnt, dass er daran gar nicht mehr so richtig dachte. Andere Sachen waren doch viel wichtiger: Er musste Geld verdienen, und das ging natürlich nur, wenn er auch samstags und sonntags arbeitete, und ein bisschen Spaß wollte er natürlich auch noch im Leben haben. Da blieb dann nicht mehr sehr viel Zeit für den Gottesdienst und für die Kirche übrig. Doch dann kam eines Tages der Brief vom Verwaltungsgericht: In vier Wochen sollte die Gerichtsverhandlung stattfinden. Panik brach bei ihm aus. Mit einem Mal kam er jede Woche in den Gottesdienst und fragte, was er denn noch alles tun sollte, um beim Gericht eine positive Antwort zu bekommen. Doch die Zeit war zu knapp: In einem Monat konnte er nicht mehr aufholen, was er zuvor über lange Zeit versäumt hatte. Doch alles Wehklagen half nichts mehr: Er hatte seine Chance verpasst.

Ja, so sind wir Menschen: Wir ändern unser Leben nicht gerne, lassen am liebsten alles so weiterlaufen, wie es immer schon gewesen war – und erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, sind wir bereit, alles anders zu machen. Aber dann kann es eben schon zu spät sein.

Um Johannes den Täufer geht es in besonderer Weise an diesem dritten Sonntag im Advent. Ja, mit sehr deutlichen Worten fordert Johannes hier seine Zuhörer dazu auf, ihr Leben zu ändern, nicht irgendwann, sondern sofort: „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt.“ Wer jetzt noch meint, in seinem Leben alles bleiben lassen zu können wie zuvor, der muss sich von Johannes wenig freundliche Worte anhören: „Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?“ „Otterngezücht“ – diese Anrede dürfte damals den Blutdruck der Zuhörer deutlich nach oben gedrückt haben. Und wenn wir so angeredet würden, würde es uns nicht anders ergehen. Doch genau das will der Johannes hier auch: Er will, dass die Leute aufwachen, nicht einfach weitermachen wie bisher. Denn schon bald fällt in ihrem Leben eine letzte Entscheidung; da kann man nicht einfach weiter vor sich dahindösen.

Zur Buße (tobe) ruft Johannes hier seine Zuhörer, ruft er auch uns heute auf. Tobe – diesen Begriff kennt ihr auch schon aus dem Islam. Wenn man da etwas falsch gemacht hatte, wenn man gesündigt hatte, dann musste man tobe machen, um noch eine Chance zu haben, der Hölle zu entkommen. Predigen Johannes und Mohammad also letztlich doch dieselbe Botschaft? „Ihr müsst umkehren von euren bösen Wegen, dann habt ihr noch eine Chance, dem letzten Gericht Gottes zu entrinnen!“

Auf den ersten Blick mag es so erscheinen. Doch wenn wir genauer hinschauen, gibt es da doch einen entscheidenden Unterschied:

In der Verkündigung des Islam, wie ihr ihn in eurer Heimat erlebt habt, ist es immer wieder die Angst, die Menschen dazu veranlassen soll, ihr Leben zu ändern: Wenn du nicht umkehrst, dann kommst du in die Hölle! Beeile dich, es bleibt dir nicht mehr viel Zeit! Und dann mögen Menschen tatsächlich aus dieser Angst heraus versuchen, ihr Leben zu verändern. Aber dieser Trick mit der Angst, der funktioniert eben nicht auf die Dauer. Der funktioniert so wenig wie die Aussicht auf die kommende Verhandlung beim Verwaltungsgericht. Irgendwann gewöhnt man sich an diese Drohkulisse und macht dann in seinem Leben doch weiter wie zuvor – und verpasst gerade so die Chance zur wirklichen Umkehr.

Doch Johannes kündigt seinen Zuhörern hier etwas anderes an als die Hölle. Er kündigt nicht weniger an als das Kommen Gottes selber. Deutlich macht er, dass er, Johannes, der letzte Prophet ist, dass nach ihm kein anderer Prophet kommt, sondern nur noch der lebendige Gott. Und dieses Kommen Gottes bedeutet Heil und Rettung für die Menschen, so macht es der Evangelist Lukas hier zu Beginn unserer Predigtlesung mit einem Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja deutlich: „Alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.“ Das ist es also, was die Menschen zur Umkehr veranlassen soll: Dass das Kommen Gottes bevorsteht, dass Gott kommt, um die Menschen zu retten. Johannes macht deutlich: Diese Aussicht hat viel mehr Kraft, das Leben von Menschen zu verändern, als nur die Drohung des kommenden Gerichts. Wenn ich weiß, dass ich bald schon Gott selber begegne, der nichts weniger will als meine Rettung – ja, dann setzt das bei mir ganz andere Kräfte der Umkehr frei, als sie irgendeine Panik jemals hervorrufen könnte.

Wir leben ja heute in einer Zeit, in der auch alle möglichen Unheilspropheten auftreten und ankündigen, dass wir in Panik geraten sollten angesichts des kommenden Weltuntergangs. Ja, auch heute glauben viele, dass nur die Angst Menschen dazu veranlassen kann, ihren Lebensstil, ihr Leben insgesamt zu verändern. Doch als Christen setzen wir dem entgegen: Wir haben eine viel stärkere Kraft zur Veränderung unseres Lebens als die Angst: Und diese Kraft ist die Vorfreude auf das Kommen unseres Herrn Jesus Christus. Wenn ich das ernst nehme, dass Christus wiederkommt, dann sehe ich mein Leben in einem ganz anderen Licht, dann mache ich nicht bloß notgedrungen etwas, was ich eigentlich gar nicht will, sondern dann ändere ich mein Leben, weil ich mich auf Christus freue.

Johannes macht dies seinen Zuhörern hier am Beispiel von Geld und Besitz deutlich: Wenn ich weiß, was für eine wunderbare Zukunft mich erwartet, dann verlieren Geld und Besitz in meinem Leben ihre entscheidende Bedeutung. Dann werde ich bereit, abzugeben, dann ist das nicht mehr das Ziel meines Lebens, möglichst viel zu besitzen. Dann hängt mein Herz nicht mehr an dem, was ich habe oder haben will, weil mein Herz ganz Christus gehört. Dann weiß ich: Christus macht mich reich – und nicht, was ich mir in meinem Leben erarbeite!

Schwestern und Brüder, die Adventszeit, in der wir uns gerade befinden, ist eine Zeit, in der wir mehr als sonst über unser Leben nachdenken sollen. Sie ist eine Zeit, in der wir die Ausrichtung unseres Lebens korrigieren sollen, wenn in unserem Leben etwas anderes wichtiger ist als allein Christus und seine Geschenke. Ja, es ist in der Tat wichtig, dass wir nicht einfach immer weiter leben wie bisher, dass wir unser Leben verändern. Aber das machen wir, weil wir als Christen eine wunderbare Hoffnung haben: Unser Herr kommt!

An diesem dritten Sonntag im Advent ist die Farbe in der Kirche rosa. Eigentlich ist die Farbe in der Adventszeit jetzt violett. Violett ist die Farbe der Umkehr zu Gott. Aber an diesem dritten Sonntag im Advent mischt sich das Violett mit der Freudenfarbe weiß, mit der Farbe der Freude über Christus und sein Leben, das er uns schenkt. Und so wird aus violett und weiß rosa. Rosa – das ist der augenfällige Kontrast zum Schwarz der islamischen Tobe. Wir verändern unser Leben, weil die Zeit der Freude anbricht: Freuet euch in dem Herrn allewege, freuet euch, der Herr ist nahe! (Phil 4,4+5) Amen.

Zurück