St. Markus 14,3-9 | Palmarum | Pfr. Dr. Martens

Die Entscheiderin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge konnte es einfach nicht begreifen: Da war der Asylbewerber in seiner Anhörung danach gefragt worden, was er sich denn nun von seinem christlichen Glauben erhoffe. Und der hatte geantwortet: Er erhoffe sich gar nichts davon, er glaube einfach nur an Jesus. Für die Entscheiderin beim Bundesamt war solch eine Antwort nicht zu verstehen: Man muss doch etwas damit bezwecken, wenn man Christ werden will, das muss einem doch was bringen. Und wenn man das nicht erklären kann, dann kann man auch kein richtiger Christ sein. Wer einfach nur an Jesus glaubt und sich nichts von diesem Glauben erhofft, den kann man auch getrost wieder in den Iran zurückschicken. Ablehnung des Asylantrags – javab manfi.

Einfach nur an Jesus glauben – ohne Zweck, ohne Absicht. Genau darum geht es auch in der Predigtlesung dieses Sonntags. Da befindet sich Jesus in Betanien, einem Dorf unmittelbar in der Nähe der Stadtgrenze von Jerusalem. Nur noch wenige Tage, dann würde er verhaftet und getötet werden, das ist ihm klar. Doch noch ist es nicht so weit. Noch sitzt er mit seinen Jüngern zusammen im Haus des Simon, eines Menschen, der früher aussätzig war, aber jetzt offenbar von Jesus geheilt war, und isst mit ihnen. Und da kommt mit einem Mal eine Frau herein. Das war damals schon ungewöhnlich genug; das machte man als Frau nicht, einfach in eine Männergesellschaft hineinzuplatzen. Doch diese Frau tut es – und damit nicht genug: Sie nimmt ein Alabastergefäß mit kostbarem Nardenöl, das sonst nur Könige zu benutzen pflegten, und gießt das ganze Öl Jesus auf sein Haupt. Wir wären heute vielleicht nicht so begeistert, wenn uns jemand ohne Vorwarnung eine ganze Flasche Parfüm über den Kopf gießen würde. Doch damals in einer Zeit noch ohne Duschen war das ein Ausdruck ganz großer Ehrerbietung, so mit Öl gesalbt zu werden. Mehr als 300 Silbergroschen war dieses Öl wert, so rechnen die Jünger schnell aus. Ja, mit dem Geld hätte man eine ganze Familie ein ganzes Jahr über versorgen können, die zu arm war, um sich selber etwas leisten zu können. Und jetzt – ein kurzer Knack – das Alabastergefäß ist offen, und das ganze Öl fließt Jesus von seinem Kopf herab. Was für eine Verschwendung! Was für ein überflüssiger Quatsch, den diese Frau da mit Jesus veranstaltet! Und das sprechen sie gegenüber der Frau auch sehr deutlich aus.

Doch Jesus nimmt die Frau in Schutz: Lasst sie, sagt Jesus. Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Sie hat meinem Leib etwas Gutes getan, bevor er nun bald misshandelt und gekreuzigt wird, bevor eine solche Salbung nach einer Kreuzigung sinnvollerweise kaum noch wird stattfinden können. Ja, sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Und damit wird sie Teil des Evangeliums, der frohen Botschaft, die überall in der Welt verkündigt wird. Wenn Menschen von mir hören werden, von dem, was ich für sie getan habe, dann werden sie auch die Geschichte von dieser Frau hören, die einfach nur geglaubt hat, die nicht berechnet hat, sondern ihre Liebe zu Jesus geradezu verschwenderisch zum Ausdruck gebracht hat.

Lasst sie! – sagt Jesus zu seinen Jüngern. Lasst sie! Es ist nicht eure Aufgabe, darüber Urteile zu fällen, wie ein anderer Mensch seinen Glauben an mich, Jesus Christus, zum Ausdruck bringt! Freut euch darüber, wenn ein anderer Mensch einfach nur an mich glaubt, voller verschwenderischer Liebe! Schreibt ihm nicht vor, dass er es besser alles anders gemacht hätte!

„Lasst sie! Was bekümmert ihr sie?“ Das sind Worte Jesu, die auch heute noch so gut passen, wenn sich Mitarbeiter einer Bundesbehörde oder eines Verwaltungsgerichts anmaßen, über den Glauben eines Christen zu Gericht zu sitzen und zu entscheiden, was denn nun ein richtiger Glaube ist und was nicht. Jesus blickt tiefer. Er freut sich über einen Glauben an ihn, der nicht auf etwas aus ist, sondern der sich ihm, Jesus, ganz einfach hingibt und in dieser Hingabe scheinbar ganz unvernünftige Dinge macht.

Um den Leib Christi, den sie ehren wollte, ging es der Frau damals in der Geschichte. Um denselben Leib Christi geht es uns auch heute noch in jedem Gottesdienst, um dasselbe Blut, das er, Christus, damals am Kreuz vergossen hat. Ja, da machen wir auch etwas scheinbar ganz Unvernünftiges: Wir schaffen uns Abendmahlsgeräte aus Gold an, feiern mit diesen Geräten dann einen Gottesdienst, der oft genug mehr als drei Stunden dauert. Was für eine Verschwendung, mag da mancher meinen. Die Zeit, die man hier in der Kirche absitzt, könnte man doch viel besser, viel effektiver nutzen! Und wieso die goldenen Abendmahlsgefäße? Hätte man da nicht etwas Billigeres nehmen können, vielleicht gleich passend zu der Küchenausrüstung unten in unserem Gemeindesaal?

Doch wenn es wirklich Christus ist, derselbe Christus, der sich damals gerade auf den Weg ans Kreuz begab, derselbe Christus, der bald darauf leibhaftig auferstanden ist – ja, dann können wir doch gar nicht anders, als ihn zu ehren, um seinen Leib und sein Blut so auszuteilen, wie es uns ums Herz war und ist, ja gerade auch mit goldenen Gefäßen, die deutlich machen, dass wir hier im Heiligen Mahl eben nicht bloß Brot und Wein empfangen, sondern wirklich und wahrhaftig den Leib und das Blut Christi.

Nein, das kann man wahrlich nicht gegeneinander ausspielen: die Liebe zu Christus, die wir ihm gerade in der Feier des Heiligen Mahles erweisen, und die Liebe zu den Menschen, die unsere Hilfe, ja auch unsere finanzielle Hilfe brauchen. Beides gehört auch hier in unserer Gemeinde ganz eng miteinander zusammen. Wir tun das eine, und wir lassen das andere nicht. Ja, gerade aus der Hingabe an Christus ohne Zweck und Hintergedanken erwächst dann auch eine Hinwendung zu den Armen, zu den Menschen in Not, die auch ihnen immer wieder gibt, was sie brauchen. Und beides hat seinen Grund in dem völlig unvernünftigen, verschwenderischen Tun Jesu Christi selber: Statt als großer Menschheitslehrer noch jahrzehntelang weiter Karriere zu machen, lässt er sich in der Blüte seines Lebens umbringen, vergießt sein Blut für Menschen, die es später noch nicht einmal für nötig halten, um seinetwillen sonntags rechtzeitig aus dem Bett aufzustehen. Was für eine Verschwendung – das eigene Leben in den Tod zu geben für Leute, die das überhaupt nicht verdient haben!

Doch er hat’s getan, hat noch weit mehr gegeben als dreihundert Silbergroschen: seinen eigenen Leib, sein eigenes Leben. Ja, allen Grund haben wir dazu, darauf auch selber verschwenderisch zu reagieren – mit einem Glauben, der nichts von Jesus will, der einfach nur bei ihm sein will, eins sein will mit ihm. Andere mögen uns dafür überhaupt nicht verstehen, mögen nicht begreifen, dass der christliche Glauben eben keinen Zweck hat, sondern ganz einfach aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus lebt. Doch wir wollen uns nicht bremsen lassen – in der Gestaltung und Länge unserer Gottesdienste, in der Hingabe an unseren Herrn auch im Alltag. Es geht doch um Jesus, um seinen Leib, um sein Kreuz! Mögen wir uns daran durch diese unbekannte Frau immer wieder erinnern lassen! Ja, mögen wir uns durch diese Frau dazu ermutigen lassen, nicht nur ein bisschen, sondern die volle Ladung der Gottesdienste mitzunehmen, die jetzt in diesen kommenden Tagen der Heiligen Woche vor uns liegen. Es ist keine verlorene Zeit. Es geht doch um Jesus! Amen.

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