St. Markus 1,9-13 | Mittwoch nach dem Fest der Taufe Christi | Pfr. Dr. Martens

Vielleicht haben einige von euch im Fernsehen schon einmal die Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ gesehen: Da werden Prominente heimlich dabei gefilmt, wie sie in eine missliche Lage geführt werden und darauf reagieren. Und der Clou bei diesen Filmen liegt immer darin, dass der Zuschauer mehr weiß als der Prominente, dass er die Hintergründe dessen kennt, was da gerade abläuft, während der Prominente selber davon noch nichts ahnt.

Nach einem ganz ähnlichen Prinzip arbeitet auch der heilige Markus in seinem Evangelium. Gewiss, ihm geht es hier nicht um irgendwelche Späße und Streiche – dafür ist das Thema, das er in seinem Evangelium behandelt, viel zu gewichtig. Aber das Prinzip ist das Gleiche: Er lässt seine Zuhörer von Anfang an mehr wissen und erkennen, als was diejenigen, die bei der Geschichte damals mit dabei waren, gleich erkennen konnten.

Es gibt ja nicht wenige fromme Christen, die verständlicherweise sagen: „Ach, wäre ich doch damals nur mit dabei gewesen, als unser Heiland auf der Erde lebte, als er predigte und Wunder tat!“ Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend. Doch St. Markus macht uns schon ganz zu Beginn seines Evangeliums, in der Predigtlesung des heutigen Tages, deutlich, dass es sich so einfach eben nicht verhält.

Was hätte der ganze normale jüdische Mitbürger damals eigentlich von dem mitbekommen, was uns St. Markus hier in seinem Evangelium schildert? Antwort: So gut wie gar nichts! Wir sind als Leser des Markusevangeliums in einer viel besseren Situation als diejenigen, die damals am Jordan gestanden haben. Da drängelten sich damals so viele Menschen am Ufer des Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. Und Jesus – war einfach einer von ihnen, so schildert es uns St. Markus hier. Keiner der Umstehenden dürfte es mitbekommen haben, dass hier nicht weniger als der lebendige Gottessohn in den Jordan stieg, dass hier gerade ein Ereignis von geradezu weltgeschichtlicher Bedeutung stattfand. Ein Sünder unter vielen – das war alles, was die Menschen, die um Jesus herumstanden, mitbekamen. Und das war es dann auch schon. Nichts bekamen die Umstehenden mit, dass sich der Himmel auftat, nichts bekamen sie mit von der Stimme vom Himmel, nichts auch davon, was Jesus gleich darauf in der Wüste erlebte. Nur Jesus sieht, wie sich der Himmel spaltet; nur Jesus wird von der Stimme aus dem Himmel angesprochen – und es ist der Geist Gottes, der gleich darauf Jesus in die Wüste treibt. Und dort in der Wüste halten sich eben auch keine Schaulustigen auf, auch keine frommen Anhänger von Jesus, sondern allein der Teufel und die wilden Tiere – keine angenehme Umgebung für den Sohn Gottes!

Doch indem uns St. Markus hier in die Rolle des wissenden Zuschauers versetzt, will er uns eben gerade dies eine deutlich machen, was er schon gleich im ersten Vers seines Evangeliums als Überschrift formuliert hatte: Jesus ist eben nicht bloß ein besonderer Mensch, er ist nicht weniger als der Messias, ja, der Sohn Gottes. Wir können Jesus nicht verstehen, wenn wir ihn einfach nur als einen Menschen mit großer Ausstrahlung, als einen wundervollen Prediger, als ein großes Vorbild betrachten. Er ist unendlich mehr – aber das hat sich denen, die dabei waren oder ihn danach kennenlernten, erst nach seiner Kreuzigung und seiner Auferstehung erschlossen, und das erschließt sich auch uns erst dadurch, dass wir die Worte des Markus und damit nicht weniger als das Wort Gottes selber vernehmen.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie denn der heilige Markus davon erfahren hat, dass Jesus den Geist Gottes bei der Taufe auf sich herabkommen sah, oder wie er davon erfahren hat, was Jesus dort in der Wüste in den vierzig Tagen erlebt hat. Mit seinem Evangelium erhebt er den Anspruch, uns Hintergründe zeigen zu können, die den Umstehenden damals noch völlig verborgen waren, ja, er stellt uns vor die Frage: Glaubst du an den Jesus, den ich dir in diesem Evangelium zeigen – einen Jesus, der eben nicht bloß ein Prophet ist, sondern unendlich mehr? Glaubst du daran, dass Jesus tatsächlich der Sohn Gottes ist?

Ja, so macht es uns St. Markus deutlich: An dieser Frage kann sich niemand vorbeimogeln: Wer ist Jesus? Daran kann sich kein Mensch persönlich vorbeimogeln, daran kann sich auch niemand im Gespräch zwischen Vertretern der christlichen Kirchen und Vertretern des Islam vorbeimogeln. Hören auch wir auf die Stimme Gottes, an der uns St. Markus hier teilhaben lässt, oder lehnen wir diese Stimme ab, weil es doch ganz und gar unmöglich ist, dass Gott einen Sohn haben könnte?

Sehr kurz und knapp erzählt der Evangelist Markus hier; aber gerade so lässt er das Entscheidende umso deutlicher hervortreten: Gott selber bekennt sich zu Jesus als seinem Sohn, nennt ihn in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Alten Testaments seinen geliebten Sohn, um deutlich zu machen: Jesus ist nicht einfach ein Kind Gottes unter vielen, sondern er ist der Einzige, von dem Gott eben dies sagen kann, dass er der eine geliebte Sohn ist, an dem er Wohlgefallen hat. Gott selber möchte, dass wir alles, was im Weiteren über Jesus berichtet wird, unter diesem Vorzeichen sehen: Da, wo Jesus ist, steht der Himmel offen, da sind Himmel und Erde nicht mehr voneinander getrennt, sondern sind eins in seiner Person. Da, wo Jesus ist, begegnen wir Gott, können wir erkennen, wer Gott wirklich ist. Und das erste Wort, das wir aus Gottes Mund hier vernehmen, ist ein Wort der Liebe. Gott gibt sich bei der Taufe Jesu als liebender Gott zu erkennen, als ein Gott, der seinen Sohn liebt und gerade daran Wohlgefallen hat, dass Jesus jetzt seinen Weg antritt, der ihn ans Kreuz führt – jawohl, aus Liebe zu uns.

Ja, wodurch der Weg Jesu im Weiteren gekennzeichnet ist, das macht St. Markus hier sehr eindrücklich deutlich: Gleich nach seiner Taufe wird Jesus vom Geist Gottes in die Wüste getrieben und wird dort vom Satan versucht, umgeben von wilden Tieren. Der Weg, der Jesus als dem Sohn Gottes bevorsteht, ist kein Weg des Triumphs, sondern ein Weg der Auseinandersetzung mit dem Widersacher Gottes, der nur ein Ziel hat: Ihn, Jesus, von seinem Weg zum Kreuz abzuhalten. Der Teufel weiß: Wenn Jesus am Kreuz stirbt, dann hat er endgültig verloren – und so versucht er alles, vierzig Tage lang, um Jesus davon abzubringen, seinen Weg zum Kreuz weiterzugehen. Doch die Versuche des Teufels bleiben vergeblich. Markus schließt sein Evangelium nicht mit dieser Schilderung, sondern stellt sie an den Anfang einer Geschichte, die immer weitergeht, bis schließlich unter dem Kreuz Jesu zum ersten Mal ein Mensch im Markusevangelium bekennt: Ja, dieser Jesus ist wahrlich Gottes Sohn gewesen.

Ja, um Jesus geht es in dieser Geschichte, um Jesus, um Jesus, um ihn, den Sohn Gottes. Aber natürlich erzählt uns St. Markus diese Geschichte, damit wir erkennen, was all dies auch mit uns zu tun hat: Taufe und Versuchung durch den Satan, sie gehören unmittelbar zusammen, so will es St. Markus auch uns deutlich machen. Wenn wir getauft werden und damit der Macht des Teufels entrissen werden, bedeutet es gerade nicht, dass wir damit allen Versuchungen des Teufels entnommen wären. Im Gegenteil: Mit der Taufe werden wir von Gott selbst auf einen Weg gestellt, auf dem wir immer wieder im Kampf mit dem Satan stehen, der versucht, uns davon abzuhalten, unseren Weg in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus immer weiterzugehen. Das sollen wir ganz nüchtern wahrnehmen. Aber dann soll unser Blick immer wieder auf den gerichtet bleiben, der vor uns den Kampf mit dem Satan geführt – und ihn für uns gewonnen hat: auf ihn, Jesus Christus, den geliebten Sohn Gottes, der weiß, was es heißt, versucht und bedroht zu werden. In seiner Gemeinschaft wollen wir als getaufte Kinder Gottes den Weg in dieser kommenden Zeit weitergehen. Denn er ist eben nicht bloß unser Vorbild, sondern als der Sohn Gottes auch unser Retter. Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, dann wirst auch du gerettet. Amen.

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