St. Markus 2,1-12 (Vorlage für die persische Übersetzung) | Vorabend zum 19. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

„Gesundheit ist das Wichtigste im Leben.“ Diesen Satz bekommen wir immer wieder einmal zu hören – und vielleicht haben wir ihn selber auch schon gesagt. Ja, wenn wir krank sind, wenn wir gesundheitlich eingeschränkt sind, dann gibt es keinen dringenderen Wunsch als den, endlich wieder gesund zu sein.

„Gesundheit ist das Wichtigste im Leben.“ – Das hatte sich vermutlich auch der Mann gedacht, von dem der Evangelist Markus im Evangelium des heutigen Tages berichtet. Gelähmt war er, konnte nicht laufen, lag den ganzen Tag nur auf seiner Matte in seiner Ecke. Was für ein Leben! Doch immerhin – er hat vier Freunde. Und diese Freunde bekommen eines Tages mit, dass Jesus wieder in Kapernaum ist, der Stadt, in der auch der Gelähmte lebte. Und diese vier Freunde wissen, was jetzt zu tun ist: Sie bringen den Gelähmten zu Jesus, weil sie davon überzeugt sind: Jesus kann ihn heilen, kann ihm das Wichtigste schenken, was dieser gelähmte Mensch braucht: Gesundheit!  

Doch dann kommen sie an dem Haus an, in dem Jesus gerade predigt, und ihre Ernüchterung ist zunächst groß: Die Leute stehen bis vor die Tür draußen auf der Straße, drängeln sich um den Eingang, um irgendwie in der Nähe von Jesus sein zu können. Keine Chance für die vier, mit ihrem gelähmten Freund da auch nur irgendwie durchzukommen, irgendwie in die Nähe von Jesus zu kommen. Doch die vier geben nicht auf: Statt umzukehren, gehen sie mit dem Gelähmten die Treppe hoch, die an der Seite des Hauses oben auf das Flachdach führte. Und dort beginnen sie allen Ernstes damit, das Dach des Hauses aufzubuddeln, ein Loch zu graben, durch das sie den Gelähmten auf seiner Matte mit Seilen herunterlassen konnten – direkt vor die Füße von Jesus. Und nun liegt der Gelähmte da vor Jesus – doch was dann passiert, konnte keiner erwarten. Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass Markus hier schreibt: „Als Jesus ihren Glauben sah“. Ob dieser gelähmte Mensch selber irgendwie an Jesus geglaubt hat, ob er ihm zugetraut hat, ihm zu helfen, davon wird hier nichts gesagt. Aber der Glaube der vier Freunde, der trägt den Gelähmten, trägt ihn bis vor die Füße von Jesus – und das bewegt Jesus sehr. Und so gibt Jesus dem Gelähmten das Wichtigste, was der im Leben braucht:

Er sagt zu ihm: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet: Die vier Freunde nicht, die den Gelähmten offenkundig in der Hoffnung zu Jesus gebracht hatte, dass der ihn heilt, der Gelähmte selber nicht, der vielleicht gar nicht wusste, wie ihm geschah, die Zuhörer Jesu nicht, die sich vielleicht einfach nur über die merkwürdige Unterbrechung seiner Predigt wunderten – und auch nicht die Gegner von Jesus, die dort auch in dem Haus saßen, um zu kontrollieren, was Jesus möglicherweise alles falsch machte. Ja, die regen sich besonders auf, denn sie verstehen, was diese Worte bedeuten: „Wer kann Sünden vergeben als Gott allein!“ Recht haben sie: Nur Gott kann Sünden vergeben, ganz klar. Und wenn Jesus hier sagt: „Dir sind deine Sünden vergeben“, dann sagt er in der Tat: Hier spricht jetzt Gott in Person. Das ist schon ein ungeheurer Anspruch. Aber Jesus weiß, was er sagt. Er weiß, wer er ist – und er weiß zugleich auch, was dieser Mensch da auf der Matte am allerdringendsten in seinem Leben braucht: eben gerade nicht Gesundheit, sondern die Heilung seines Verhältnisses zu Gott, die Vergebung der Sünden. Nein, Jesus sagt gerade nicht: Dieser Mensch ist gelähmt, weil er besonders gesündigt hätte. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, dass jeder Mensch von Gott getrennt geboren wird, dass jeder Mensch ohne Ausnahme die Vergebung der Sünden braucht – dringender als alles andere im Leben, dringender auch als die Gesundheit.

Nun könnte man einwenden: Das mit der Vergebung der Sünden, das war einfach nur ein frommer Wunsch von Jesus. Er wünscht sich, dass Gott ihm die Sünden vergibt, mehr nicht. Doch Jesus macht deutlich: Wenn ich etwas sage, dann ist das nicht nur ein frommer Wunsch, dann passiert das auch sofort. Und so sagt Jesus noch einen zweiten Satz, an dem alle Anwesenden erkennen können, was für eine Macht die Worte Jesu haben: „Steh auf, nimm deine Matte und geh heim!“ Jesus sagt es, und es passiert sofort: Der Gelähmte steht auf, nimmt seine Matte und geht aus dem Haus heraus – nun nicht mehr durchs Loch oben in der Decke, sondern auf eigenen Füßen unten durch die Tür. Und so merken die, die bei Jesus waren, sofort: Auch die Worte „Dir sind deine Sünden vergeben“ sind nicht bloß dahergeredet, sondern sie bewirken etwas, lassen tatsächlich sofort all das verschwinden, was diesen Menschen zuvor von Gott getrennt hatte.

Was für eine wunderbare Geschichte erzählt der Evangelist Markus auch uns hier:

Er erinnert uns daran, was das Wichtigste im Leben ist: Eben nicht Gesundheit, sondern die Vergebung der Sünden. Ja, Gesundheit ist wichtig, gar keine Frage. Jesus hat den Gelähmten damals auch geheilt, weil er wusste, dass er auch dies brauchte. Aber wenn es drauf ankommt, dann zählt nur eins: Die Vergebung der Sünden.

Es gibt viele von euch, die legen auf Gesundheit großen Wert. Sie machen Fitness oder Bodybuilding, sie legen Wert auf ein schönes Aussehen. Und das ist alles auch gut und schön und auch eine Gabe Gottes, ganz klar. Aber niemals darf in unserem Leben unsere Fitness wichtiger sein als die Vergebung der Sünden, niemals darf es irgendetwas geben, was uns daran hindert, die Vergebung unserer Sünden zu empfangen.

Ja, das ist zugleich auch ein Maßstab, den ihr an eine Kirche anlegen sollt: Es gibt ja Kirchen, die viel davon reden, dass in ihnen Menschen gesund gemacht werden. Aber wenn man in ihre Gottesdienste geht, dann erlebt man dort selten, dass den Menschen die Hände aufgelegt werden und zu ihnen gesagt wird: Dir sind deine Sünden vergeben. Wer nur mit Heilungswundern Werbung macht und den Menschen das Allerwichtigste vorenthält, der kann sich wirklich nicht auf Jesus berufen. Und es gibt andere Kirchen, in denen ihr es ebenfalls nicht erleben werdet, dass da jede Woche ein Gottesdienst ist, in dem Menschen die Hände aufgelegt werden und zu ihnen gesagt wird: Dir sind deine Sünden vergeben. In vielen Kirchen passiert das überhaupt nicht. Sie haben leider das Wichtigste vergessen, was Jesus uns hier vor Augen stellt. Achtet darauf, wenn ihr überlegt, zu welcher Kirche ihr gehören wollt!

Dass hier in unserer Kirche Menschen die Sünden vergeben werden, liegt natürlich nicht daran, dass wir Pastoren Gott wären. Es liegt nur daran, dass wir von Christus den Auftrag und die Vollmacht erhalten haben, das zu tun, was er hier bei dem Gelähmten gesagt hat. Aber ihr dürft gewiss sein: Das Wort, das ihr hier hört, wenn euch die Hände aufgelegt werden, ist das Wort Gottes selber. Wenn ihr hört: Dir sind deine Sünden vergeben, dann ist das wirklich so, dann sagt Gott selber in diesem Augenblick: Ich werde nie mehr an das denken, was zuvor in deinem Leben gewesen ist. Wie wunderbar! Im Islam habt ihr das mit Sicherheit niemals erlebt, dass der Mullah durch die Moschee ging und den Menschen die Hände auflegte und sagte: Dir sind deine Sünden vergeben. Aber hier erlebt ihr es, immer wieder neu. Ihr habt es heute Abend auch bei der Taufe erlebt: Als Baran Sina getauft wurde, da wurde auch ihm die ganze Schuld seines Lebens abgewaschen, da trennt ihn seitdem nichts mehr von Gott.

Die Freunde des Gelähmten haben sich damals von nichts abhalten lassen, den Gelähmten zu Jesus zu bringen, haben dafür sogar das Haus demoliert, in dem Jesus sich befand. Sie sind ein gutes Vorbild für uns. Es gibt in unserem Leben immer wieder so vieles, was uns daran zu hindern scheint, zu Jesus zu kommen. Und dann geben wir oft so schnell auf und sagen: Es geht nicht: Ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten, der Weg ist so weit, ich fühle mich nicht gut, da sind so viele andere Leute bei Jesus, die ich nicht mag. Die Liste der Ausreden ist lang. Doch die Freunde des Gelähmten zeigen uns: Es gibt keinen Grund, aufzugeben, es gibt keinen Grund, von Jesus fernzubleiben. Lass dich nicht davon abschrecken, dass es scheinbar nicht geht, gib nicht auf! Es lohnt sich, gegen alle Widerstände zu Jesus zu kommen! Und wenn du dann in die Kirche kommst, wirst du feststellen: Du bist mit deinem Glauben nicht allein. Da sind andere, die tragen dich mit deinem Glauben, wie der Gelähmte damals von dem Glauben seiner Freunde getragen wurde. Klinke dich darum niemals aus der Gemeinschaft der Kirche aus! Du brauchst deine Brüder und Schwestern, die dich tragen, auch und gerade, wenn du einmal in deinem Leben dich wie gelähmt fühlen solltest.

 Irgendwann hört es bei jedem Menschen mal mit der Gesundheit auf. Sie ist zwar wichtig, aber niemals das Wichtigste im Leben. Aber die Vergebung der Sünden – die bleibt bei jedem, der sie empfängt, die kann uns keiner nehmen. Lass darum nichts unversucht, um zu Jesus zu kommen. Denn der bringt dich mit seiner Vergebung bis in den Himmel. Amen.

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