St. Markus 2,1-12 (Vorlage für die persische Übersetzung) | Vorabend zum 19. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Stellt euch vor, ihr geht an einem Freitag in eine Moschee, in der sich die Muslime gerade zum Gebet versammeln. Ja, natürlich sollt ihr euch nicht vorstellen, dass ihr bei diesem Gebet mitmacht. Ihr schaut einfach nur ganz am Rande zu, was da geschieht. Die Betenden haben auf ihren Teppichen Platz genommen. Vorne seht ihr den Imam, den Vorbeter. Doch mit einem Mal erhebt sich der Imam. Er geht auf die Betenden in der ersten Reihe zu, legt ihnen die Hand auf den Kopf und sagt zu ihnen in ihrer Muttersprache: Dir sind deine Sünden vergeben!

Könnt ihr euch das ernsthaft vorstellen? Wohl kaum! Undenkbar ist es, dass in einer Moschee Menschen die Sünden vergeben. Wer sollte das auch machen? Jeder Muslim würde genauso reagieren wie die Schriftgelehrten in der Geschichte, die wir eben gehört haben: „Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“ Sündenvergebung durch den Mund eines Menschen – das kann es doch gar nicht geben!

Doch genau davon berichtet der Evangelist Markus im Evangelium des heutigen Abends. Von einem gelähmten Mann berichtet er, der von vier Freunden auf seiner Matratze zu Jesus getragen wird. Wie gut, dass dieser gelähmte Mann diese vier Freunde hat – allein hätte er es nicht zu Jesus geschafft. Doch dann merken die Freunde, dass sie nicht an Jesus herankommen. So viele Menschen drängeln sich um Jesus herum, dass sie keine Chance haben, mit der Matratze durch die Menge durchzukommen. Und so wählen sie einen anderen Weg: Die Häuser in Israel hatten damals an der Seite eine Treppe, die auf das flache Dach des Hauses führte. Dieses Dach nutzte man damals auch als eine Art von zusätzlichem Zimmer des Hauses. Vielleicht kennen einige von euch ähnliche Häuser auch aus ihrer Heimat. Jedenfalls nutzen die vier Freunde des Gelähmten das Dach nun nicht als Sonnenterrasse, sondern als Abkürzung, um den gelähmten Mann zu Jesus zu bringen. Sie machen ein Loch in das Flachdach und lassen den Gelähmten an Stricken mit seiner Matratze genau vor Jesus in dem Haus herunter. Das muss schon ein ganz besonderer Anblick gewesen sein. Doch Jesus reagiert auf den Mann, der da mit einem Mal vor ihm liegt, ganz anders, als die meisten es wohl erwartet haben dürften. Er gibt keine Kommentare zu der ungewöhnlichen Idee der vier Freunde ab, und er erfüllt auch nicht gleich die offensichtliche Erwartung der vier und macht ihren gelähmten Freund wieder gesund. Sondern er sagt eben diese völlig ungewöhnlichen Worte, mit denen nun wirklich keiner rechnen konnte – nicht in dieser Situation und auch insgesamt überhaupt nicht: Dir sind deine Sünden vergeben. Während alle davon ausgehen, dass es das Allerwichtigste für diesen gelähmten Mann ist, dass er wieder laufen kann, zeigt Jesus: Es gibt etwas, das noch wichtiger ist als Gesundheit, als Heilung, als die Fähigkeit, laufen zu können: Das Allerwichtigste, was jeder Mensch ohne Ausnahme braucht, ist genau dies: Die Vergebung der Sünden. Ohne die Vergebung der Sünden nützt mir meine Gesundheit nichts, nützt mir mein Aufenthalt in Deutschland nichts, nützt mir meine Arbeit nichts, nützt es mir nichts, wenn ich endlich eine gute Wohnung gefunden habe. Ja, Jesus weiß, dass auch die Gesundheit ein wichtiges Geschenk ist; er macht den Gelähmten hier am Ende der Geschichte auch gesund. Aber er zeigt: Wichtiger als alles andere ist die Vergebung der Sünden. Und diese Vergebung der Sünden, die wird tatsächlich ganz konkret hier auf Erden geschenkt – eben dadurch, dass Jesus seine Worte spricht und diese Worte bewirken, was sie sagen.

„Wir haben so etwas noch nie gesehen“ – so sagen die Leute am Ende der Geschichte. Hoffentlich sagt ihr genau das auch immer wieder über unsere Gottesdienste, über das, was ihr hier erlebt. Hoffentlich staunt ihr darüber genauso wie die Leute damals auch über Jesus. Ja, hoffentlich ist euch das immer ganz klar, warum unsere Gottesdienste in der Tat etwas völlig anderes sind als die gemeinsamen Gebete von Muslimen in einer Moschee.

In unseren Gottesdiensten steht eine Person allein im Mittelpunkt: Jesus Christus. Daran hat sich seit der Geschichte, die Markus hier erzählt, nichts geändert. Denn Jesus ist auferstanden, er lebt, und so sammeln sich auch heute noch die Menschen um ihn, um ihn zu hören, um in seiner Nähe zu sein. Nein, um in seine Nähe zu kommen, müsst ihr heute nicht oben auf das Kirchendach steigen und von dort heruntersegeln. Der Weg durch den Gang in der Mitte der Kirche reicht. Da kommst du ganz dicht an ihn heran, da darfst du hier am Altar genau dieselben Worte hören, die Jesus damals auch zu dem Gelähmten gesagt hat: Dir sind deine Sünden vergeben! Ja, hier geschieht genau dasselbe Wunder wie damals in der Bibel auch: Es werden Worte hier auf Erden gesprochen, und was hier auf Erden gesprochen wird, das gilt auch im Himmel. Wenn dir hier die Hand auf den Kopf gelegt wird und gesagt wird: Dir sind deine Sünden vergeben, dann wird deine ganze Schuld auch bei Gott im Himmel gelöscht, dass er niemals mehr daran denken wird. Es gibt nichts Wichtigeres als diese Vergebung, die dir hier und jetzt auf Erden geschenkt wird. Diese Vergebung ist wichtiger als alle Gesundheit, als alle körperliche Heilung.

Es gibt Kirchen, die machen damit Werbung, dass in ihnen Menschen von körperlichen Krankheiten geheilt werden. Jesus selber hat mit seinen Heilungen niemals Werbung gemacht. Aber vor allem hat er deutlich gemacht, dass diese Heilungen nicht das Wichtigste sind. Wichtiger ist immer die Vergebung der Sünden. Sucht euch also immer eine Kirche, in der euch die Hände aufgelegt werden und euch jeden Sonntag gesagt wird: Dir sind deine Sünden vergeben! Solch eine Kirche hat allemal mehr zu bieten als eine Kirche, in der es nur angebliche Heilungen gibt. Wenn es dort keine Vergebung der Sünden gibt, dann fehlt dort das Wichtigste.

Ja, hoffentlich wisst ihr immer, warum ihr hierher in unsere Kirche kommt: Weil ihr hier Jesus begegnet, weil ihr hier seine Worte hört: Deine Sünden sind dir vergeben, ja, weil ihr hier seinen wahren Leib und sein wahres Blut empfangt. Wer das nicht kennt, der weiß ja gar nicht, was er verpasst. Und darum macht es dann auch so wie die vier Freunde von dem Gelähmten: Bringt auch andere zu Jesus, die selber noch gar keine Ahnung haben, was Jesus ihnen schenken will. Lasst euch nicht davon abhalten, dass hier so viele Menschen sind! Für Jesus ist jeder einzelne Mensch wichtig, jedem einzelnen will er seine Vergebung schenken. Ja, wie gut, dass wir hier nicht in einer Moschee sind. Wie gut, dass wir hier bei Jesus sind. Denn er schenkt dir, was du in keiner Moschee jemals finden kannst: 100% Vergebung – und damit das ewige Leben! Amen.

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