St. Markus 2,18-22 | Mittwoch nach dem 2. Sonntag nach Epiphanias | Pfr. Dr. Martens

Zu den fünf Säulen des Islam zählt unter anderem auch das Fasten. Dieses sieht im Islam so aus, dass es einen Fastenmonat, den Ramadan, gibt, an dem von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts zu sich genommen werden darf: Kein Essen, kein Trinken, keine Zigarette. Je nachdem, in welcher Jahreszeit der Ramadan jeweils liegt, kann dieses Fasten ganz schön anstrengend werden, wenn etwa im Sommer die Tage sehr lang sind und es zugleich auch noch sehr heiß ist, ohne dass man den Flüssigkeitsverlust tagsüber ausgleichen dürfte. Doch fromme Muslime nehmen diese Entbehrungen auf sich, weil sie glauben, dass dieses Fasten ein gutes Werk ist, das man für Gott tun muss, um sich damit einen Platz im Paradies zu verdienen. Und wer dieses vorgeschriebene gute Werk nicht tut, der muss sich dann nicht wundern, wenn ihm nach seinem Tod die Haut im Höllenfeuer immer wieder neu ganz kross gebraten wird.

Fasten ist aber nicht nur etwas, was es im Islam gibt, sondern das gab es beispielsweise auch im Judentum zur Zeit Jesu. Da gab es keinen Fastenmonat, sondern besonders fromme Gruppierungen innerhalb des Judentums, wie etwa die Pharisäer, fasteten an zwei Tagen in der Woche, um auf diese Art und Weise ihre Volksgenossen dazu zu ermuntern, ein Leben ganz nach Gottes Geboten zu führen und so das Kommen des Messias zu beschleunigen.

Und nun stellten einige Leute, die Jesus und seine Jünger beobachteten, fest, dass Jesus und seine Jünger sich an diesem Fasten nicht beteiligten. Sie fasteten offenkundig gar nicht. Ja, warum nicht? Nein, Jesus sagt hier nicht: Ich biete eine Religion mit herabgesetzten Regeln an. Wer meiner Religion folgt, der muss sich nicht im Sommer ohne Trinken abschwitzen, und der muss auch nicht zwei Tage in der Woche ganz auf das Essen verzichten. Bei mir läuft das alles ganz easy und locker. Nein, das ist nicht die Antwort, die Jesus hier gibt. Sondern er gebraucht ein Bildwort, um deutlich zu machen, worin der Unterschied zwischen den religiösen Glaubenspraktiken der anderen und dem Verhalten seiner Jünger besteht:

Die Pharisäer und ebenso die Vertreter anderer Religionen glauben, sie müssten mit ihrem Tun selber das Heil für sich und für die Menschen herbeiführen, ja, sie müssten etwas für Gott tun. Doch Jesus sagt: Meine Jünger haben das Entscheidende erkannt: Die Zeit der Religion ist vorbei. Es geht nicht mehr darum, etwas zu tun, um den Himmel zu erwerben. Denn nun ist der Himmel da, hier, mitten unter euch, da, wo ich bin. Keiner muss mehr etwas dafür tun, damit er an dem großen Fest, das Gott angekündigt hat, teilnehmen darf. Das Fest hat schon begonnen. Der Bräutigam ist da – und für alle war klar, wen er damit meinte: Keinen anderen als sich selbst. Ja, so macht er es hier sehr eindrücklich deutlich: Das Fasten der Pharisäer ist absurd: Sie fasten, damit endlich der Messias kommt – und merken nicht, dass der Messias schon hier vor ihnen steht, der, den sie mit ihren guten Werken gleichsam herbeizwingen wollten.

Nein, nicht mehr um die Einhaltung religiöser Vorschriften geht es in der Botschaft, die Christus verkündigt. Es geht darum, dass wir erkennen, dass in ihm Gott selber in der Mitte seiner Jünger ist, es geht darum, dass die Freudenzeit schon begonnen hat. Nicht wir müssen noch irgendetwas tun, sondern Christus lädt alle ein, an seinem Fest, an seiner Freudenzeit teilzuhaben.

Doch zu dem Weg, den dieser Bräutigam geht, gehört eben auch, dass er schließlich auch seinen Jüngern entrissen werden wird, dass er schließlich auch getötet werden wird. Und daran werden die, die zu ihm, dem Bräutigam, zu ihm, Jesus Christus, gehören, gerade auch dadurch denken, dass sie zur Erinnerung an seinen Tod fasten werden. Doch sie werden es eben gerade nicht tun, um sich damit den Platz im Himmel zu erwerben, sondern um sich das immer tiefer einzuprägen, dass Christus mit seinem Tod diesen Platz im Himmel für sie schon erworben hat. Darum sagt Jesus auch selber, dass seine Jünger beim Fasten nicht traurig, sondern fröhlich dreinschauen sollen, eben weil sie sich nichts mehr verdienen müssen – weder den Himmel noch ein besonderes Ansehen bei anderen Menschen.

Und genau dieses Thema entfaltet Jesus dann noch einmal mit zwei anderen Bildern: Was er verkündigt, ist nicht eine leichte Verbesserung dessen, was vorher war. Was er verkündigt, ist wirklich so neu, dass alte Formen, alte Gefäße dafür nicht mehr passen. Christus bringt nicht eine neue Religion, er bringt sich selber – und weil es um ihn, um seine Gegenwart, um seine Rettungstat geht, hat auch der Glaube an ihn ganz andere Ausdrucksformen: eben nicht Werke, die wir für Gott tun müssen, sondern Ausrichtung auf ihn, Christus, auf das, was er getan hat, und Ausrichtung auf den Nächsten, dem die Liebe Christi genauso gilt wie uns selber. Ja, auch Christen fasten – und doch ist ihr Fasten etwas völlig anderes als das Fasten der Pharisäer oder auch das Fasten im Islam. Es ist Feier des neuen Lebens, das wir in der Taufe geschenkt bekommen haben, Feier unserer Freiheit, Feier unserer Erlösung, Feier dessen, dass Christus alles für uns getan hat. Die Botschaft von dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi – sie passt nicht zusammen mit Fastengesetzen, sie passt nicht zusammen mit Werken, die wir tun aus Angst davor, wir könnten sonst in die Hölle kommen. Und sie passt auch nicht zusammen mit der Erwartung eines Messias, die übersieht, dass dieser Messias schon längst in unsere Mitte getreten ist.

Fasten kann etwas sehr Gutes und Sinnvolles sein, wenn es unseren Blick auf Christus lenkt, auf die Rettung und die Freiheit, die wir durch ihn haben. Fasten ist ja auch heute wieder in unserer Gesellschaft sehr beliebt und wird entsprechend auch von den Kirchen gerne aufgenommen. Doch stets sollten wir dabei die Worte Jesu von dem neuen Lappen auf dem alten Kleid, von dem neuen Wein in alten Schläuchen im Hinterkopf haben: Worauf zielt das Fasten, zu dem heute auch in kirchlichen Kreisen gerne einmal aufgerufen wird? Zielt es darauf, Christus immer deutlicher in den Blick zu bekommen, ist es verbunden mit der Feier der Gegenwart des Bräutigams Christus? Oder erweckt das Fasten, zu dem aufgerufen wird, den Eindruck, es ginge darum, dass wir uns selbst erlösen müssten, unser Heil und das Heil der Welt mit unserer Entsagung selbst schaffen müssten? Dann würden wir genau in die Zeit der alten Schläuche zurückfallen, dann würden wir gerade wieder übersehen, was Christus seinen Hörern hier so klar vor Augen stellt: Dass er doch schon da ist, gekommen, um unsere Rettung, ja, die Rettung der ganzen Welt zu wirken. Ja, auch scheinbar so fortschrittliche moralische Appelle können sich im Licht der Worte Jesu als alte Schläuche herausstellen. Lassen wir uns dagegen von Christus immer wieder einladen zu seinem großen Fest, auch heute Abend hier an diesem Altar. Er selber kommt zu uns mit seinem Leib und Blut – in jedem Gottesdienst, außer am Karfreitag, dem Tag des Sakramentsfastens. Doch heute ist er da. Wie sollten wir da auf die Teilnahme an seinem Fest verzichten? Ja, wie können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Ja, kommt, feiert mit. Hier ist wirklich alles ganz neu. Amen.

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