St. Matthäus 10, 7-15 | Mittwoch nach dem 2. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens
Am vergangenen Sonntag ist in Hermannsburg die Kirchensynode unserer Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu Ende gegangen. Zu den Themen dieser Synode gehörten auch Entscheidungen zur Pfarrerdienstordnung und zur Pfarrerbesoldung. Ein Antrag, die Gehaltszulagen für Pastoren in bestimmten Sonderdiensten zu streichen, wurde dabei abgelehnt; außerdem wurde beschlossen, dass ein Pastor abgesehen von den sechs Wochen Jahresurlaub, die ihm zustehen, einmal im Quartal auch einen Sonntag als freien Tag nehmen kann, sodass künftig Pastoren in unserer Kirche also bis zu zehn Mal im Jahr sonntags predigtfrei haben.
Schwestern und Brüder: Es wäre jetzt allzu billig, diese Synodalentscheidungen nun direkt mit den Worten unserer heutigen Predigtlesung zu vergleichen und festzustellen, wie weit sich doch die heutigen Pastoren von dem Dienst der früheren Apostel entfernt haben. Auch wenn ich selber auch künftig nicht vorhabe, mir einen predigtfreien Sonntag einmal im Quartal zu genehmigen, bin ich doch sehr dankbar dafür, dass ich als Pastor nicht einfach von Haus zu Haus ziehen muss und hoffen muss, dass mich irgendjemand schon nachts bei sich schlafen lassen wird, sondern dass ich mich auch heute am späteren Abend irgendwann in meine Dienstwohnung zurückziehen kann. Und ich bin auch dankbar dafür, dass sich aller Voraussicht nach Anfang nächster Woche mein Konto mit dem neuen Gehalt wieder etwas mehr füllen wird, als dies gerade jetzt in diesen Tagen der Fall ist. Und wie ihr unschwer erkennen könnt, laufe ich heute auch nicht barfuß hier durch die Kirche, sondern habe im Unterschied zu den Aposteln damals tatsächlich Schuhe an.
Halten wir es also zunächst einmal ganz klar und deutlich fest: Die Worte, die wir eben in unserer Predigtlesung gehört haben, gelten zunächst einmal einzig und allein den zwölf Aposteln in einer ganz bestimmten Situation, als Jesus sie nämlich vor Ostern ausgesandt hat, in seinem Namen und Auftrag in Israel das Kommen des Reiches Gottes in der Person von Jesus zu verkündigen. Mit großer Vollmacht rüstet Jesus die Apostel dabei aus: mit der Vollmacht, Kranke zu heilen, ja selbst Tote aufzuerwecken. Und zugleich schärft er ihnen ein, alles, ja wirklich alles zu vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, als wären sie zu ihrem eigenen Vorteil unterwegs, als wäre es ihr eigener Job, den sie da in den Dörfern und Städten ausrichteten, in die sie kamen. Mittellos und wehrlos, noch nicht einmal ausgestattet mit einem Stock, um sich gegen wilde Tiere zu wehren, sollen sie losziehen. Und was sollen sie dort in den Dörfern und Städten machen? Sie sollen zunächst und vor allem den Frieden weitergeben, den er, Christus, der Messias, mit seinem Kommen in diese Welt gebracht hat, den Frieden, der unendlich mehr ist als bloß ein schönes, nettes Gefühl, der nicht weniger ist als das Heil in der Gemeinschaft mit Gott, ja, die Rettung im kommenden Gericht Gottes. Nein, sie sollen nicht versuchen, Menschen mit Zwang oder Druck oder Tricks dazu zu bewegen, diesen Frieden zu empfangen und ihn nicht abzuweisen. Ihr Auftrag ist einzig und allein, diesen Frieden Gottes mit ihrer Person und mit ihrer Botschaft zu bringen, ihn zuzusprechen, ihn auszuteilen. Was daraus wird, ob sie damit etwas bewirken, das liegt nicht mehr in ihrer Hand. Allerdings haben sie dann auch den Auftrag, diejenigen, die ihre Botschaft ablehnen, nicht in falscher Sicherheit zu wiegen, sondern ihnen deutlich zu machen, wie ernst die Konsequenzen sind, die sie sich mit der Ablehnung der Botschaft Jesu selber zuziehen.
Wie gesagt: Wir leben hier und heute nicht im Land Israel, kein Pastor unserer Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ist noch einer der zwölf Apostel; die Worte Jesu gelten uns direkt nicht mehr. Und doch machen diese Worte auch uns heute so einiges deutlich, was für Gemeindeglieder wie für Pastoren gleichermaßen wichtig und bedenkenswert ist.
Christus schickt eben auch heute noch Menschen mit seinem Auftrag los und gibt ihnen eine Vollmacht, die sogar noch größer ist als die Vollmacht, mit der er damals vor Ostern die Apostel ausgestattet hatte: Er gibt ihnen die Vollmacht, Sünden zu vergeben und zu behalten, sodass das, was hier auf Erden geschieht, unmittelbare Auswirkungen hat auf das, was im Himmel gilt, ja, damit sogar identisch ist. Was den Dienst eines Pastors wesenhaft ausmacht, ist also nicht dessen mehr oder weniger freundliche Persönlichkeit oder sein Arbeitseinsatz. Sondern wichtig ist einzig und allein, dass ein Pastor, ohne all sein Verdienst und Würdigkeit, Bote, Bevollmächtigter Christi ist, der den Auftrag hat, Menschen die Tür zum Himmel aufzuschließen, ihnen den Frieden Gottes zu bringen, der höher ist als alle Vernunft, der Menschen rettet und selig macht. Die Person des Pastors soll dabei ganz hinter seinem Auftrag zurücktreten, und eben dies ist ja beispielsweise auch der Sinn der Messgewänder, die hier in unserer Gemeinde im Gebrauch sind: Sie sollen daran erinnern: Hier steht nicht eine Privatperson, hier steht der Bevollmächtigte Christi vor der Gemeinde – und wenn er auch noch so ein merkwürdiger Typ ist, wenn es noch so viel an ihm persönlich auszusetzen gibt: Er hat die Vollmacht von Christus, Menschen den Frieden Gottes zu bringen, indem er in seinem Auftrag Sünden vergibt. Ja, so macht das Christus eben auch heute noch, dass er Menschen, ja, sehr fehlerhafte Menschen gebraucht, um sein Reich auszubreiten.
Doch dass die Boten von Christus bevollmächtigt sind, bedeutet nun nicht, dass es völlig egal ist, wie sie auftreten. Sie sollen schon wissen, dass sie eine große Verantwortung haben und mit ihrem Auftreten dem nicht entgegenstehen sollen, was sie verkündigen. Ja, sie sollen wissen, dass Menschen auch aufgrund ihres Auftretens ihr Urteil über den fällen, den sie verkündigen, ja, in ihrer Person mitbringen. Ja, ganz wichtig ist auch heute noch, dass die Boten Christi ja nicht den Eindruck erwecken, ihr Dienst sei einfach nur ein Mittel zum Gelderwerb, zur Absicherung des eigenen Lebens. Ja, es ist unter den heutigen Umständen vernünftig und schön, dass Pastoren finanziell ganz freigestellt sind, um sich ganz der Arbeit in der Gemeinde widmen zu können. Auch Jesus betont hier ja, dass der Arbeiter seiner Speise wert ist. Er geht davon aus, dass die, die die frohe Botschaft hören, diese Botschaft auch so zu schätzen wissen, dass sie dann auch die Botschafter versorgen. Aber zugleich gilt doch auch immer wieder neu die Mahnung Jesu: Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch! Der Dienst eines Pastors soll zugleich immer etwas davon widerspiegeln, dass wir in der Kirche allein von Christus und seiner Fürsorge abhängig sind, dass er menschlich gesprochen immer wieder auch ein Wagnis darstellt, das gerade nicht abgesichert werden kann. Und ein wenig von diesem Wagnis erleben wir ja alle miteinander in der Arbeit unserer Gemeinde hier, dass wir gemeinsam immer wieder neu losmarschieren als Gemeinde und eigentlich noch gar nicht erkennen können, wohin das hier alles führt, auch nicht, wie unsere Arbeit in Zukunft eigentlich finanziert werden kann. Ihr sollt weder Gold noch Silber in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche. Ja, es ist schon gut, wenn wir uns daran als Gemeinde immer wieder erinnern lassen, auch und gerade nachdem wir nun in der letzten Woche einen so umfangreichen Haushaltsplan beschlossen haben.
Und noch eins macht uns Christus deutlich: Was unser Auftrag ist und wofür wir nicht zuständig sind – als Gemeinde wie als Pastoren: Unsere Aufgabe besteht darin, Menschen den Frieden Gottes zu bringen, sie in Gottes Reich einzuladen. Wie Menschen darauf reagieren, ob wir damit menschlich gesprochen Erfolg haben oder nicht, das liegt nicht mehr in unserer Hand. Ja, wir erleben hier in unserer Gemeinde zurzeit, wie direkt und unmittelbar sich die Schilderung Jesu im Heiligen Evangelium dieses Sonntags in unserer Mitte erfüllt, wie die Armen und die Fremden von weither das Haus Gottes richtig voll werden lassen. Doch das ist eben nicht unser Erfolg, das liegt nicht daran, dass wir so gut gearbeitet haben, dass wir das Evangelium so gut herübergebracht haben. Wir können den Frieden Gottes nur bringen und zusprechen. Ob er bei anderen Menschen abprallt oder nicht, das liegt nicht in unserer Macht. Boten Christi können und sollen sich darum niemals am sichtbaren Erfolg ihrer Verkündigung messen lassen. Ja, das ist etwas, was ich mir auch selber immer wieder sagen muss: Die Pfarrstelle, auf die ich nun berufen worden bin, ist auf vier Jahre befristet. Und irgendwann in den nächsten Jahren wird dann entschieden, ob sie verlängert wird oder nicht. Und da wird dann natürlich darauf geschaut werden, ob denn diese Arbeit menschlich gesprochen etwas gebracht hat, ja, was denn hier nun zu sehen sein wird von meinem Dienst hier in Steglitz. Nein, so wurde mir versichert von der Kirchenleitung: Ich muss nicht jedes Jahr die am schnellsten wachsende Gemeinde unserer Kirche präsentieren, damit ich hier in Steglitz bleiben kann. Aber natürlich muss doch auch etwas zu sehen sein, ganz klar. Sonst muss ich, wenn auch mit Schuhen und Reisetasche, wieder weiterziehen. Und doch möchte ich mir auch selber gerne den Zuspruch dieser Worte unseres Herrn bewahren: Teile den Frieden aus, und was daraus wird, ist nicht dein Ding. Gott geb’s, dass dieser Friede dann auch weiter im Leben vieler Menschen Einzug hält, ja, dass er auch bei euch bleibt. Und so sollt ihr ihn auch jetzt wieder empfangen. Amen: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.