St. Matthäus 10,16-20 | Mittwoch nach Exaudi | Pfr. Dr. Martens

Sie fuhren mit einem Bus durch die Wüste zu einem Wallfahrtsort – koptische Christen aus Mittelägypten. Mit einem Mal wird ihr Bus mitten in der Wüste gestoppt: Radikalislamische Kämpfer holen zuerst die männlichen Insassen aus dem Bus. Sie fordern sie auf, das islamische Glaubensbekenntnis zu sprechen und damit zum Islam zu konvertieren. Doch die Christen weigern sich: Ein Mann nach dem anderen wird vor den Augen der anderen Businsassen mit einem Kopfschuss hingerichtet. Dann werden die Kinder herausgeholt. Auch sie weigern sich, ihren christlichen Glauben zu verleugnen – und werden erschossen. Schließlich sehen die Kämpfer am Horizont ein anderes Auto kommen. Panik erfasst sie – und so feuern sie mit ihren Waffen wahllos auf den Bus, töten dabei auch noch viele Frauen. Die koptischen Christen – immer wieder Opfer von Angriffen radikaler Muslime in ihrem Land, ohne dass die Täter fürchten müssten, deswegen tatsächlich einmal vor Gericht gestellt zu werden.

Früher hatten sie immerhin noch die Möglichkeit, nach Europa zu fliehen, wenn sie erwischt wurden – die Christen in den Hausgemeinden im Iran. Ja, gefährlich war und ist es für sie, nicht wenige sitzen deswegen jetzt auch zu dieser Stunde in den Gefängnissen des Landes. Doch nun sitzen sie mehr und mehr in der Falle, haben kaum noch eine Chance, fliehen zu können, wenn sie wegen ihres christlichen Glaubens von Verhaftung bedroht sind. Europa zieht seine Mauern immer höher vor den Christen im Nahen Osten, schaut einfach weg, was dort geschieht. Das Thema „Christenverfolgung“ – es passt nicht in eine gesellschaftliche Diskussion, in der man von der Bedrohung von Christen im Namen der islamischen Religion einfach nichts wissen will, in der man, wie jetzt wieder auf dem Evangelischen Kirchentag, einen islamischen Theologen hofiert, der in seiner Heimat ganz offen zur Tötung von konvertierten Christen aufgerufen hat.

Und da erlebte ich gestern nun wieder einmal eine Gerichtsverhandlung mit. Ein Bruder aus unserer Gemeinde stand vor Gericht, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Abschiebung in den Iran angeordnet hatte. Die Richterin war sehr nett und fair, das kann man nicht anders sagen; unser Bruder hat sehr schön und offen über seinen christlichen Glauben gesprochen. Aber ob nun der Abschiebebescheid schließlich im Gerichtsurteil aufgehoben werden wird oder nicht, das wissen wir jetzt noch nicht.

Schwestern und Brüder: Wir merken schon: Hochaktuell ist das, was wir eben in der Predigtlesung vernommen haben. Christus kündigt genau das seinen Jüngern an, dass sie von ihm wie Schafe unter die Wölfe gesandt werden, dass sie um ihres Bekenntnisses zu Christus willen ausgepeitscht werden, dass sie sich einmal vor Gericht für ihren Glauben werden verantworten müssen.

Zum Trost lässt er uns diese Worte zunächst einmal gesagt sein: Nein, da läuft nicht etwas fürchterlich schief, wenn Christen Verfolgung erfahren, wenn sie angegriffen, vor Gericht gestellt, ausgepeitscht, getötet werden. Christus, unser Herr, hat all dies schon vorausgesehen und angekündigt. Seine Weise, sein Reich zu bauen, ist in der Tat eine ganz andere als die, die wir uns selber vorstellen würden. Die Christen in Ägypten können davon berichten: Sie sind zu allen Zeiten ihrer Geschichte Märtyrerkirche gewesen. Für sie ist der Gedanke schon selbstverständlich geworden, dass man als Christ damit rechnen muss, um seines Glaubens willen ermordet zu werden. Ja, sie haben es gelernt, diese furchtbaren Morde, mit denen sie immer und immer wieder heimgesucht werden, als besonderen Weg wahrzunehmen, auf dem Menschen den Weg in die himmlische Gemeinschaft mit Christus geführt werden. Und die Kirche wird eben durch solche Verfolgungen nicht schwächer, sondern stärker. Es bekommt der Kirche nicht gut, wenn sie sich finanziell wohlgepolstert in der westlichen Überflussgesellschaft gemütlich einrichtet und dann zu viel Zeit übrighat, um Kirchenlieder in gendergerechte Sprache umzudichten. Dagegen steht mir ein kurzes Video vor Augen, das nach einem der Anschläge auf eine koptische Kirche in Ägypten vor nicht langer Zeit gedreht wurde: Da sieht man eine große Menschenmenge vor der Kirche stehen – und was machen sie: Sie beten miteinander ganz laut das Nizänische Glaubensbekenntnis, bekennen sich im Angesicht des Blutes ihrer Brüder und Schwestern zu ihrem Herrn Jesus Christus, der Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott ist und bleibt – woran auch alle Bomben und Maschinengewehrsalven nichts zu ändern vermögen. Wundern wir uns also nicht, wenn den Christen auch hier in unserem Land allmählich der Wind rauer ins Gesicht weht, wenn auch wir uns allmählich daran gewöhnen müssen, als Schafe zwischen Wölfen zu leben. Der, der der Herr der Kirche und der Herr der Geschichte ist und bleibt, weiß, wie er seine Kirche auch hier in unserem Land baut und führt!

Zur Nüchternheit will uns Christus hier zugleich anleiten. Angesichts eines schwärmerischen Fortschrittsglaubens, wie er auch gerade wieder im Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Kirchentags anklang, erklärt Christus hier ganz nüchtern: „Hütet euch aber vor den Menschen!“ Nein, der Mensch ist nicht in seinem Wesen gut, er ist nicht auf dem Weg, eine immer bessere und vollkommenere Gesellschaft zu entwickeln. Nein, Menschen sind so leicht dazu bereit, gegen all diejenigen notfalls auch mit Gewalt vorzugehen, die nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen, die nicht ihre Meinungen und religiösen Ansichten teilen. Hütet euch vor den Menschen – da sind leider auch christliche Organisationen und Kirchen nicht ausgeschlossen. Auch sie stehen in derselben Gefahr, sich denen anzupassen und anzuschließen, die sich selber für die Speerspitze des Fortschritts in der Gesellschaft verstehen, und dabei die fallen zu lassen, die um ihres Glaubens willen bedrängt und bedroht werden. Ja, das tut weh – aber wir sollen ganz nüchtern wahrnehmen, dass es so ist, dass wir als Christen nicht hineinpassen in das Gefüge dieser Welt, dass wir da immer wieder querliegen, dass wir nicht so naiv sein sollen, an das Gute im Menschen zu glauben, sondern Jesu Mahnung ernst nehmen: Ja, hütet euch vor den Menschen.

Nüchternheit, das heißt: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Am letzten Samstag diskutierten wir im Persischen Bibelgesprächskreis darüber, ob es Christen ebenso wie schiitischen Muslimen erlaubt sei, in Gefahr den eigenen Glauben zu verleugnen. Nein, diese Möglichkeit haben wir als Christen eben nicht. Gewiss sollen wir klug sein, sollen uns als Christen nicht unnötig in Gefahr bringen. Aber ohne Falsch sollen wir sein, sollen dann auch dazu stehen, wenn wir danach gefragt werden, ob wir an Jesus Christus glauben, ob wir Christen sind. Aber klug dürfen und sollen wir sein. Es ist uns sehr wohl erlaubt, unseren Mund aufzumachen, für bedrängte Glaubensgeschwister einzutreten, öffentlich zu machen, was so gerne verschwiegen wird. Ach, wie aktuell sind diese Worte unseres Herrn gerade hier und jetzt in der Arbeit unserer Gemeinde, gerade angesichts der scheinbaren Übermacht derer, die unseren Geschwistern nicht abnehmen, dass sie sich ernsthaft zu Jesus Christus, ihrem Herrn, bekennen!

Doch zur Nüchternheit gehört eben vor allem, dass wir mit dem Heiligen Geist und seinen Möglichkeiten rechnen. Wo wir selber nicht mehr weiterkommen, wo wir selber nicht mehr wissen, was wir noch sagen sollen, da dürfen wir darauf vertrauen, dass uns der Heilige Geist leiten wird, dass er uns Möglichkeiten eröffnen wird, die wir nicht von uns selber haben. „Eures Vaters Geist“, so nennt Christus hier den Heiligen Geist, erinnert uns daran, dass der, der uns diesen Geist gibt, doch kein anderer ist als unser Vater im Himmel, er, der für uns sorgt, damit wir nicht zu sorgen brauchen, er, der uns durch seinen Geist die Kraft schenkt, die wir selber nicht haben. Nein, dieser Geist garantiert uns nicht Wohlbefinden, kein sicheres Leben, keinen guten Ausgang von Gerichtsverhandlungen. Aber er trägt uns auch durch alle tiefen Täler hindurch, macht uns fähig zum Glauben und Bekennen, trägt uns schließlich auch noch hindurch durch die Finsternis des Todes. Darum sorgt nicht! Amen.

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