St. Matthäus 10,26b-33 | Gedenktag der Reformation | Pfr. Dr. Martens

Wenn man als Pastor eine Predigt verfassen will, dann gibt es dafür im Bereich der evangelischen Kirche auch bestimmte Vorbereitungshilfen, Predigthilfen, in denen sich schon mal andere Leute mehr oder weniger kluge Gedanken darüber gemacht haben, wie man denn eine Predigt zu dem Bibeltext, der für den entsprechenden Sonn- oder Feiertag vorgesehen ist, gestalten könnte.

Gestern habe ich es mir angetan, mir mal solch eine Predigthilfe zum Reformationstag, zur Predigtlesung dieses Tages, durchzulesen. Und siehe da, dort wurde mir auch gleich ein erleuchtender Gedanke für die Erstellung dieser Predigt präsentiert. Im Hauptteil der Predigt, so schreibt der Verfasser, „sollte dann das große öffentliche Thema Klimawandel im Angesicht des christlichen Welt- und Selbstverhältnisses durchdekliniert werden.“

Da haben wir es also: Das Bekenntnis, zu dem wir heute aufgefordert sind, ist das Bekenntnis zum Klimawandel. Bevor wir aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskommen, sollten wir uns aber zunächst einmal bei dem Verfasser dieser Predigthilfe bedanken. Denn er macht uns mit seinen Ausführungen deutlich, wie aktuell das Thema „Bekenntnis“ tatsächlich auch heute noch ist. Menschen fühlen sich dazu verpflichtet, Bekenntnisse abzulegen, und sie machen die Gemeinschaft mit anderen Menschen davon abhängig, ob sie auch dasselbe Bekenntnis, das man abgelegt hat, teilen. Undenkbar ist es, dass man sich mit jemandem, der das eigene Bekenntnis leugnet, auch nur auf demselben Foto ablichten lässt. Das Risiko, das man mit dem eigenen Bekenntnis ablegt, hält sich dabei allerdings sehr in Grenzen: Man legt das Bekenntnis ja am liebsten in Form von Großdemonstrationen ab, bei der einer den anderen darin bestätigt, dass man ja im Unterschied zu den anderen auf jeden Fall das richtige Bekenntnis hat.

Nun hat der Verfasser dieser Predigthilfe, der seine Gemeinde am Reformationstag mit dem ungeheuer originellen Thema „Klimawandel“ beglücken will, hier in unserer Predigtlesung eine entscheidende Kleinigkeit übersehen: Denn darin geht es nicht darum, dass wir fest zu unseren eigenen Überzeugungen stehen oder dass wir uns zu irgendeiner guten Sache bekennen sollen. Sondern es geht tatsächlich um ein heute in vielen kirchlichen Kreisen äußerst exotisches Thema: Es geht um Jesus Christus, es geht um das Bekenntnis zu ihm allein. Und dabei geht es bei diesem Bekenntnis zu Jesus Christus auch nicht bloß darum, dass wir uns irgendwie gut oder als bessere Menschen fühlen, wenn wir dieses Bekenntnis ablegen, sondern, so zeigt es uns dieser Jesus Christus hier in seinen Worten selber, es geht darum, ob wir einmal im letzten Gericht Gottes bestehen können, ob wir, ja dieses Wort nimmt Jesus hier tatsächlich in den Mund, ob wir durch ihn vor der Hölle gerettet werden.

Das ist das Thema unserer heutigen Predigtlesung, das ist das Thema dieses heutigen Reformationstages und hoffentlich eben nicht nur des Reformationstages, sondern das Thema kirchlicher Verkündigung schlechthin: Es geht um Christus, um Christus und noch einmal um Christus, ja, es geht um unsere Rettung durch Jesus Christus, nicht bloß um die Rettung unseres Klimas, sondern um die Rettung vor dem ewigen Tod.

Wenn wir als lutherische Kirche auf eben dieses zentrale Thema hinweisen, wenn wir immer wieder deutlich machen, dass eben dies die Kirche zur Kirche macht, dass in ihr Christus allein im Zentrum steht, die Verkündigung der Rettung im Gericht durch ihn allein, dann mögen wir damit mittlerweile schon ziemlich allein dastehen und als arg rückständig belächelt werden. Doch leiden müssen wir deswegen als Christen hier in unserem Land nicht.

Doch wir haben hier in unserer Gemeinde viele Glieder, die uns daran erinnern, wie aktuell diese Worte unseres Herrn Jesus Christus aus der heutigen Predigtlesung für so viele Christen auf der ganzen Welt sind. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können“ – ja, diese Worte haben einen ganz anderen Klang für Christen aus dem Iran, aus Afghanistan oder Pakistan, für Christen aus China oder Nordkorea, für Christen aus so vielen muslimischen Ländern dieser Erde. Wer sich dort zu Jesus Christus bekennt, der muss eben nicht bloß damit rechnen, mitleidig belächelt zu werden, der muss damit rechnen, verhaftet, gefoltert und getötet zu werden. Das Bekenntnis zu Jesus Christus kann Menschen nicht nur das Leben kosten, es kostet sie tatsächlich das Leben in vielen Ländern dieser Erde. Für deutsche Behörden und Richter ist dies oft genug völlig unverständlich: Wie kann man sich mit einem solchen Bekenntnis denn sein ganzes Leben versauen, sich dieses Leben in Gefahr bringen? Kann man sich da nicht etwas zurückhalten, sich diplomatisch verhalten, im Zweifelsfall auch die eine oder andere Notlüge gebrauchen? Woche für Woche erleben wir es in unserer Gemeinde, wie unseren Gemeindegliedern dieses Unverständnis entgegenschlägt, dass für sie das Bekenntnis zu Jesus Christus so wichtig sein soll, dass sie dafür ihr Leben riskieren. Das kann doch gar nicht stimmen!

Doch Jesus weiß, dass es tatsächlich so wichtig und entscheidend ist, dass Menschen sich zu ihm bekennen, dass sie ihn nicht verleugnen. Er weiß, dass es dabei um nicht weniger als um unser ewiges Leben geht. Und eben darum tröstet und ermutigt er seine Jünger, sich durch nichts von diesem Bekenntnis abbringen zu lassen: Auch und gerade da, wo wir um unseres Bekenntnisses willen Nachteile in Kauf nehmen müssen, ja vielleicht gar unsere Gesundheit oder unser Leben verlieren, bleibt es doch dabei. Unsere Haare auf dem Haupt sind alle gezählt. Gott weiß genau, wie es uns geht, und in seinen Augen sind wir unendlich kostbar.

Ja, die Worte unseres Herrn Jesus Christus in unserer heutigen Predigtlesung helfen auch uns einheimischen Deutschen, an diesem Tag wieder neu zu erkennen und wahrzunehmen, worum es in unserem Glauben wirklich geht. Da kreisen unsere Gedanken in diesen Tagen und Wochen immer wieder um das Thema „Corona“, um die Einschränkungen unseres Lebens, ja vielleicht auch um die Gefährdung unseres Lebens. Doch Jesus macht auch uns deutlich: Eure Haare auf dem Haupt sind alle gezählt. Gott lässt euch nicht fallen, auch und gerade nicht in diesen Corona-Zeiten. Unendlich kostbar seid ihr in seinen Augen. Nein, das macht uns natürlich nicht leichtsinnig, aber lässt uns dann doch auch ganz getrost nach vorne blicken, auch im Angesicht von explodierenden Infektionszahlen und eines Lockdowns.

Doch zugleich lenkt Christus unseren Blick dann auch auf das, was uns zuerst und vor allem bewegen sollte: Wie stehe ich vor Gott richtig da, wenn früher oder später mein Leben zu Ende geht, ganz gleich, ob mit oder ohne Corona? Und da gibt es in der Tat nur eines, nein, einen, der zählt: Er, Jesus Christus, selber, und das, was er für mich durch seinen Tod am Kreuz vollbracht hat. Wenn ich Christus habe, wenn ich mit ihm verbunden bin, dann werde ich auch für immer mit ihm leben. Nein, mein Bekenntnis ist nicht eine zusätzliche Leistung, die ich vollbringen muss, damit Gott mich am Ende in den Himmel lässt. Sondern mein Bekenntnis bringt doch einfach nur zum Ausdruck, was mein Herz bestimmt, was die Wirklichkeit meines Lebens ausmacht. Und das kann ich am Ende nicht verbergen, das kann ich mir auch nicht mit Rücksicht auf irgendwelche kurzfristigen Vorteile zurechtbiegen. Wenn ich weiß, was Christus für mich getan hat und mir schenkt, kann ich es nicht leugnen, kann ich auch nicht einfach über andere Themen sprechen.

Nein, was jener Verfasser der Predigthilfe da verzapft hat und was, so ist zu befürchten, heute in so vielen Kirchen an Christus vorbei verkündigt wird, ist eben nicht nur ein kleiner Fauxpas, sondern nicht weniger als Christusverleugnung. Dringend nötig haben wir darum den Reformationstag hier in Deutschland, dass wir uns wieder zurückrufen lassen zu Christus, dringend nötig haben ihn nicht nur die Kirchen in Deutschland, die Christus mittlerweile aus dem Blick verloren haben, dringend nötig haben auch wir ihn, dass uns Christus wieder ganz groß vor Augen gestellt wird. Er, der gekreuzigte und auferstandene Herr allein, ist unser Retter. Er allein schenkt ein Leben, das nie mehr aufhört. Das kann man gar nicht oft genug bekennen – gerade jetzt in diesen Corona-Zeiten. Amen.

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