Apostelgeschichte 8,9-25 | Mittwoch nach dem Heiligen Pfingstfest | Pfr. Dr. Martens

Wenn ich auf Facebook Geschichten aus unserer Gemeinde poste über das Schicksal der Glieder unserer Gemeinde, dann erlebe ich es immer wieder, dass Leute, die unsere Gemeinde überhaupt nicht kennen, ihre entsprechenden Kommentare posten, die deutlich zeigen, dass sie das alles nicht glauben, was hier in unserer Gemeinde geschieht: „Warum lassen die sich denn eigentlich taufen?“ – Solche und ähnliche Bemerkungen kann man dann lesen. Ja, geradezu unglaublich erscheint das, was wir hier in unserer Mitte erleben. Doch wenn wir die Predigtlesung des heutigen Abends hören, dann stellen wir fest: Solche Geschichten, wie wir sie in unserer Gemeinde erleben, hat es auch schon damals vor knapp 2000 Jahren ganz zu Beginn der Geschichte der Kirche gegeben. Ja, hochaktuell ist, was St. Lukas uns hier aus Samarien berichtet und was wir uns nun einmal etwas genauer anschauen wollen:

Unserer Geschichte geht eine Verfolgungsgeschichte voraus: In Jerusalem findet die erste große Verfolgung der Christen statt; viele Christen müssen fliehen – und als Ergebnis dessen landet einer der Flüchtlinge, der Philippus, nun in Samarien. Und dort fängt er nun gleich an zu predigen. Allerdings hat er dort in Samarien eine ganz starke religiöse Konkurrenz: Ein Mann namens Simon wirkte dort als spiritueller Führer und Heiler und hatte dort viele Anhänger. Doch die Predigt des Philippus entfaltet eine noch größere Kraft als das religiöse Brimborium des Simon – und so lassen sich viele Männer und Frauen dort in Samarien von Philippus taufen. Und das Wunder geschieht: Simon, der Führer der Konkurrenz, wechselt die Seiten, wird selber gläubig, lässt sich taufen, hält sich zu Philippus. Was für ein Missionserfolg, möchte man meinen!

Die Nachricht von dem, was in Samarien geschieht, erreicht jedenfalls auch die Apostel in Jerusalem, die die Verfolgung dort überstanden hatten. Sie schicken zwei der Apostel, Petrus und Johannes, nach Samarien, damit diese durch ihre Handauflegung das Wirken des Philippus bestätigen und den Getauften den Heiligen Geist mitteilen. Doch als dies geschieht, zeigt sich, wie tief der Simon immer noch in seiner alten Religiosität gefangen ist – trotz seiner Taufe, und obwohl er doch tatsächlich gläubig geworden war. Er kommt nicht weg von dem Denken, dass Religion ein Geschäft sein könnte, dass man sie zum eigenen Vorteil gebrauchen könnte. Und so macht er den Aposteln ein unmoralisches Angebot: Wenn sie ihm auch die Vollmacht verleihen, den Heiligen Geist zu spenden, würde er die Finanzprobleme der christlichen Gemeinde wirkungsvoll lösen können. Doch die Apostel reagieren nicht, wie sich der Simon das erhofft hatte: Sie exkommunizieren ihn aus der Gemeinde, rufen ihn aber zugleich zur Umkehr, damit er die Vergebung für seinen Rückfall ins Heidentum empfangen kann. Der Simon zeigt sich getroffen von den starken Worten der Apostel: Er bittet sie darum, für ihn zum Herrn zu beten, dass ihn nicht die Strafe für seinen Abfall treffe. Ob das mehr war als nur Angst vor Strafe, ob Simon dadurch nun tatsächlich den Weg zu Christus ganz zurückgefunden hat, wird in der Geschichte nicht mehr gesagt. Sie bleibt bewusst offen.

Ja, so vieles, was wir in dieser Geschichte gehört haben, erleben wir auch hier in unserer Gemeinde:

Auch in unserer Gemeinde sind es ganz wesentlich Flüchtlinge, die vor Verfolgung geflohen sind, wie damals der Philippus auch, die hier in unserer Stadt das Evangelium verkündigen, Menschen zu Christus einladen. Das machen nicht alles allein oder zuerst die Apostel und ihre Nachfolger – das machen die geflüchteten Menschen selber. Ja, Christus, der Herr der Kirche, breitet sein Reich ganz wesentlich immer wieder so aus, dass er Verfolgungen nutzt, dass er Flüchtlinge in seinen Dienst nimmt. Und wenn die hier in Berlin nun ankommen, dann stellen sie auch schnell fest, dass sie sich hier in einem religiös aufgeladenen Umfeld aufhalten, dass es hier so viele verschiedene religiöse Strömungen gibt, dass der christliche Glaube sich wahrlich nicht als einziges Angebot zur Sinndeutung des menschlichen Lebens präsentieren kann. Ja, oft genug erscheinen andere Religionen, andere spirituelle Angebote viel attraktiver als das, was der christliche Glaube zu bieten und zu verkündigen hat. Doch wir erleben es zugleich doch auch immer wieder in unserer Mitte, dass die Botschaft von dem Namen Jesu Christi, die Botschaft von dem Reich Gottes, das er gebracht hat, stärker ist als all die anderen Angebote, die es sonst noch geben mag. Ja, wir erleben es, dass Menschen, die bisher im Bann einer anderen Religion standen, aus dieser Zwangsherrschaft befreit werden, an Christus glauben und sich taufen lassen. Ja, darunter sind immer wieder Menschen, die ganz bewusst einmal auf der anderen Seite standen, bei denen wir nur darüber staunen können, dass sie nun so ganz das Gegenteil von dem bekennen, glauben und tun, was sie zuvor getan, geglaubt, bekannt hatten. Nein, St. Lukas zieht die Ernsthaftigkeit derer, die sich hier in unserer Geschichte taufen lassen, überhaupt nicht in Zweifel. Aber er schildert im Weiteren, dass auch dies zur Erfahrung christlicher Mission dazugehört, dass auch Menschen, bei denen wir glaubten, sie hätten nun wirklich die Seiten gewechselt, immer noch anfällig dafür sind, wieder in ihr altes Leben zurückzufallen.

Doch zunächst einmal tauchen die Apostel aus Jerusalem in Samarien auf. Ja, das ist gut und wichtig, dass sie ein Zeichen setzen, dass auch diese neue Mission eingebunden ist in die eine Kirche Jesu Christi, die es seit dem Pfingsttag gibt. Wir haben genau solche Zeichen der Verbundenheit mit der Gesamtkirche in unserer Gemeinde immer wieder erlebt, wenn unser Bischof zu Besuch kam, oder gerade jetzt am Pfingstmontag, als unser Superintendent eure Berufung des Pastors unter Handauflegung bestätigt hat. Ja, das ist gut, dass wir mit unserer Missionsarbeit hier nicht nur in unserem eigenen Saft schmoren, sondern eingebunden sind in die Arbeit der ganzen Kirche. Überraschend ist allerdings, dass geschildert wird, dass die Apostel den Neugetauften die Hand auflegten, um ihnen den Heiligen Geist mitzuteilen. Natürlich hätten die Neugetauften gar nicht glauben können, wenn sie nicht schon den Heiligen Geist empfangen hätten. Aber es gibt darüber hinaus auch eine Mitteilung des Heiligen Geistes, die mit der Taufe verbunden ist, aber doch noch einmal zugleich in einer eigenständigen Weise Menschen in ihrem Glauben an Christus stärkt, ihnen Gaben schenkt und vermehrt, die sie in seiner Kirche brauchen können. Darum folgt auch in unserer Taufliturgie auf die Taufe immer eine Handauflegung, bei der den Neugetauften der Heilige Geist zur Stärkung des Glaubens mitgeteilt wird. Und darum gibt es auch in unserer Kirche die Konfirmation, wo genau das geschieht, was St. Lukas hier schildert: Dass Menschen, die schon getauft sind, die Hände aufgelegt werden, damit ihnen dadurch der Heilige Geist zur Glaubensstärkung verliehen wird.

Doch wir machen in unserer Gemeinde zugleich auch dieselbe Erfahrung, dass Menschen, die wir getauft haben und von denen wir glaubten, sie seien nun wirklich ganz ernsthafte Christen, doch wieder zurückfallen in ihren alten Glauben, sich davon dann doch nicht ganz lösen können. Wir erleben es, dass Menschen es sich zu Ashura doch nicht so ganz verkneifen können, mit Freunden doch noch mal in die Moschee zu gehen – und zwar nicht unbedingt zum Missionieren. Wir erleben es, dass sich herausstellt, dass die Motive, derentwegen sich Menschen taufen ließen, mitunter doch nicht so rein waren, wie wir am Anfang erhofft hatten. Ja, wir erleben es, wie sich getaufte Glieder unserer Gemeinde am Ende mit ihrem Verhalten selber wieder aus der Gemeinde ausschließen. Nein, das ändert nichts an der Ernsthaftigkeit des Glaubens der Allermeisten, die hier getauft werden. Aber es ist gut und tröstlich, dass schon St. Lukas diese andere Erfahrung in der Kirche schildert, die auch uns immer wieder schmerzt, wenn wir den Eindruck haben, am Ende doch nur ausgenutzt worden zu sein. Eines soll man uns als Kirche aber hoffentlich niemals nachsagen können: Dass wir dazu bereit sind, für Geld Dinge zu tun, die wir von unserem Auftrag her nicht verantworten können. Wenn uns vom Bundesamt immer wieder unterstellt wird, wir würden unsere Missionsarbeit aus finanziellen Gründen betreiben, dann können wir reinen Herzens antworten: Da liegt ihr wirklich völlig falsch. Wir verkaufen nicht die Taufe gegen Geld. Das Einzige, was uns treibt, ist die Botschaft von unserem Herrn Jesus Christus, nichts anderes. Und dass wir dabei immer auch nüchtern sein sollen, genau darauf achten sollen, wen wir taufen, das macht uns St. Lukas hier auch klar. Doch auch er betont: Der Simon war wirklich gläubig geworden. Das war nicht nur ein Spiel. Wohl aber sollen wir wissen: Gerade wo Menschen getauft werden, fängt der Teufel erst so richtig an mit seinem Kampf, um diese Menschen wieder von Christus loszulösen. Unsere Gemeinde bleibt ein Kampfplatz mit dem Teufel – in einem Kampf, in dem wir selber nur verlieren könnten, wenn wir denn auf uns selbst gestellt wären, wenn wir nicht immer wieder aus den Kraftquellen des Heiligen Geistes schöpfen können.

Was mit dem Simon auf die Dauer geworden ist, schildert uns die Heilige Schrift nicht. Auch in der Arbeit unserer Gemeinde bleibt noch so vieles offen. Aber eines dürfen wir wissen: Wir arbeiten unter der Verheißung unseres Herrn, unter der Verheißung seines Heiligen Geistes. Und damit hat unsere Arbeit Zukunft – genau wie damals die Arbeit des Philippus in Samarien. Es bleibt dabei, was wir am Pfingstmontag als Verheißung unseres Herrn vernommen haben: Er, Christus, selber baut seine Kirche – und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Amen.

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