St. Matthäus 16,13-19 | Pfingstmontag | Pfr. Dr. Martens

Heute am Pfingstmontag vor sechs Jahren leitete ich in meiner vorherigen Gemeinde in Zehlendorf den Abschiedsgottesdienst. Als ich in den Tagen danach die Sachen zusammenpackte, hatte ich immer wieder die Worte im Ohr: „In einigen Monaten werden Ihnen die Leute in Steglitz alle weggelaufen sein, und dann werden Sie sehen können, wo Sie bleiben!“ Der Einwand war nicht von der Hand zu weisen: Es hat schon viele Projekte in der Kirche gegeben, die mit großen Hoffnungen und Erwartungen gestartet wurden und die am Ende und mitunter auch schon recht schnell ziemlich kläglich wieder eingegangen sind. Christus, unser Herr, hat uns keine Erfolgsgarantie für unsere menschlichen Planungen gegeben, und seien sie noch so fromm und gut gemeint.

Zwei Jahre später waren die Leute hier in Steglitz offenkundig noch nicht weggelaufen, sodass wir vor vier Jahren aus dem Steglitzer Missionsprojekt eine eigenständige Gemeinde gemacht haben. Wir wurden dabei von unserer Gesamtkirche sehr unterstützt – aber dennoch wurde ich von der Kirchenleitung erst einmal nur für vier Jahre zum Dienst in dieser Gemeinde berufen. Und auch das war verständlich. Eine Gemeinde, in der nicht mindestens 80% der Gemeindeglieder schon lutherisches Blut in mindestens fünfter Generation in den Adern hatte, war für unsere Kirche auch eine neue Erfahrung. Kann das wirklich gut gehen, kann das tatsächlich mehr sein als nur ein Strohfeuer? Nein, die Kirchenleitung bremste nicht, biblisch gesprochen: Sie dämpfte den Geist nicht, und blieb doch zugleich nüchtern.

Und nun stellen wir vier weitere Jahre später fest: Die Leute sind immer noch nicht aus Steglitz weggelaufen, sind immer noch da und machen weiterhin keine Anstalten, diese Gemeinde wieder zu verlassen. Und so feiern wir heute miteinander, dass aus dem kleinen zarten Pflänzchen, das vor sechs Jahren hier in Steglitz gesetzt wurde, nun ein eigenständiger Pfarrbezirk geworden ist, gebildet von der zweitgrößten Gemeinde unserer Kirche in Deutschland. Ja, wir feiern heute, dass unsere lutherische Kirche hier in Deutschland in den vergangenen Jahren einen erkennbaren persischen und afghanischen Klang bekommen hat, dass sie weit über die Grenzen unserer Gemeinde, ja unserer Gesamtkirche hinaus den Ruf bekommen hat, eine Kirche besonders auch für geflüchtete Menschen zu sein.

Können wir also heute sechs Jahre nach dem Start unseres Projekts hier in Steglitz uns selber auf die Schulter klopfen, sollen wir heute beim Gemeindefest feiern, dass wir es geschafft haben, allen Unkenrufen zum Trotz? O nein, damit würden wir völlig missverstehen, was hier in den vergangenen sechs Jahren geschehen ist, so macht es uns Christus, unser Herr, im Heiligen Evangelium dieses Festtages deutlich. Ein Satz steht im Zentrum dieses Evangeliums, und dieser Satz soll auch im Zentrum all dessen stehen, was wir heute miteinander bedenken und auch feiern: Christus sagt hier: „Ich will meine Kirche bauen.“

Dass wir uns hier sechs Jahre nach dem Start des Missionsprojekts versammeln, liegt also einzig und allein daran, dass Christus selber hier in unserer Mitte sich seine Kirche gebaut hat, dass er es so wollte, dass er es durchgezogen hat, dass er in unserer Mitte all die Wunder gewirkt hat, über die wir immer wieder nur von Herzen staunen können. Und wenn Christus sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das auch durch, auch wenn er sich noch so oft anhören muss, dass das doch gar nicht geht, dass das doch gar nicht sein kann.

Ja, Christus will seine Kirche bauen. Das ist sein Projekt, darauf zielt sein Kommen in diese Welt, sein Leiden, sein Sterben, sein Auferstehen. Dass er sich für uns hat ans Kreuz nageln lassen, hätte keinen Nutzen, wenn das, was er da getan hat, nicht in der Kirche anschließend auch ausgeteilt würde. Deutlich benennt Christus hier in unserem Evangelium, worum es in der Kirche geht: Es geht darum, dass Menschen die Türen zum Himmelreich aufgeschlossen werden, dass Menschen in den Himmel kommen und gerettet werden. Nur dafür sind wir da als Kirche. Ja, natürlich helfen wir hier in unserer Gemeinde auch Menschen in Not, helfen denen, die als geflüchtete Menschen, als Christen zumal, hier in unserem Land so gar keine Lobby haben, kämpfen darum, dass sie nicht aus Deutschland in den Tod geschickt werden. Wir kümmern uns um Menschen, die so viele Verwundungen in ihrem Leben mit sich herumtragen, um Menschen, die in ihrem Leben bisher oft so wenig Liebe erfahren hatten. Und das hat alles auch seinen guten Sinn und Wert. Aber dabei verlieren wir eben niemals aus dem Blick, wozu wir denn eigentlich Kirche sind: Eben dazu, Menschen in den Himmel zu bringen, indem wir ihnen die Gaben austeilen, die sie in den Himmel bringen: das Wort Gottes, die Heilige Taufe, die Vergebung der Sünden, den heiligen Leib und das heilige Blut des Herrn. Dadurch und dadurch allein hat Christus seine Kirche hier in unserer Mitte gebaut, nicht mit irgendwelchen anderen Mätzchen oder Tricks. Nur weil es hier in unserer Gemeinde ganz um das Himmelreich geht, haben wir auch die Kraft, uns den irdischen Nöten derer zuzuwenden, die Christus selber hier in unsere Mitte geführt hat.

Ja, Christus hat seine Kirche hier in unserer Mitte gebaut, und wir haben immer noch keine Anzeichen dafür, dass er vorhat, hier bei uns einen Baustopp zu verhängen. „Meine Kirche will ich bauen“, sagt Christus hier. Die Kirche ist niemals die Kirche eines bestimmten Pastors oder Bischofs, und unsere Dreieinigkeits-Gemeinde ist niemals in diesem Sinne „unsere“ Gemeinde, als seien wir hier diejenigen, die die Kirche bauen würden. Unsere Aufgabe besteht einzig und allein darin, das zu tun, womit Christus uns beauftragt hat, ihn groß herauskommen zu lassen und nicht uns selber. Wir haben hier bei uns eben keine „Gemeindewachstumskonzepte“, und wir können eben auch nicht damit werben, dass wir nun mal die allerbesten und tollsten Menschen auf der Welt sind. Wer sich hier in der Kirche versammelt, sind lauter Sünder, Menschen mit allen möglichen Macken und Fehlern, Menschen, die alle miteinander nur deshalb hier zusammenkommen, weil sie Gottes Vergebung dringend nötig haben, weil sie wissen: Ohne diese Vergebung können wir nicht in den Himmel kommen. Und genau dazu hat sich Christus hier unter uns seine Kirche gebaut, eine Versammlung der Mühseligen und Beladenen, von der wir so gerne in einem persischen Lied während der Sakramentsausteilung singen.

Doch nun macht Christus hier zugleich deutlich, dass er für den Bau seiner Kirche allen Ernstes Menschen braucht, dass er seine Kirche nicht ohne Menschen bauen will. Den Petrus braucht er beispielsweise, will ihn gar zu einem Felsen machen, auf den er seine Kirche gründen will. Was für ein Wahnsinn, menschlich gesprochen: Ein Typ mit großer Klappe, der, wenn es darauf ankommt, immer wieder versagt, ein Typ, den Christus nur vier Verse nach unserer heutigen Predigtlesung allen Ernstes als Satan anredet, weil Petrus ihn, Christus, daran zu hindern versuchte, seinen Weg ans Kreuz zu gehen. Solch einen Versager macht Christus zum Fundament seiner Kirche, dass ja keiner auf die Idee komme, dass die Kirche von Menschen und nicht von Christus selber gebaut wird.

Schwestern und Brüder: Ich bin gewiss nicht Petrus, kann mich mit ihm nicht vergleichen, und ich bin gewiss auch nicht der Fels, auf den Christus die Gemeinde hier in Steglitz gebaut hat. Aber es tröstet mich an diesem Tag, an dem mir nun noch einmal meine Aufgaben als Hirte der Gemeinde wie ein Beichtspiegel vor Augen und Ohren gestellt wurden, dass Christus denn wohl auch mich als Werkzeug gebrauchen kann, wenn er damals auch den Petrus für den Bau seiner Kirche verwenden konnte. Wenn er mich denn gebrauchen will, dann will ich es in seinem Namen auch tun – nicht, weil ich es so gut könnte, sondern weil Christus auch mir den Beistand seines Geistes zugesagt hat, wie er dies damals auch dem Petrus deutlich gemacht hat, dass er sein Bekenntnis nur in der Kraft Gottes selber sprechen konnte.

Einen Felsen nennt Christus den Petrus hier – nicht, weil er solch einen Dickkopf hatte, sondern weil er gerade zuvor ein Bekenntnis gesprochen hatte, das allein die Grundlage aller Verkündigung der Kirche darstellt: Er, Jesus, ist wirklich der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Wo dieses Bekenntnis nicht klar und eindeutig in der Kirche gesprochen und vertreten wird, da ist die Kirche eben nicht mehr Kirche Jesu Christi, da steht sie nicht mehr auf dem Fundament, auf dem Christus seine Kirche bauen will.

Ach, wie aktuell ist dieses Bekenntnis gerade in der Arbeit unserer Gemeinde! Die allermeisten Glieder unserer Gemeinde haben es als Kind noch gelernt, dass es die größte Sünde und Gotteslästerung darstellt, zu behaupten, dass Gott einen Sohn habe. Doch nun hat der Vater im Himmel eben dies so vielen Schwestern und Brüdern hier in unserer Mitte offenbart, dass das scheinbar Undenkbare eben doch die Wahrheit ist, dass Gott kein ferner Gott ist, sondern sich in seinem Sohn Jesus Christus uns Menschen zu erkennen gegeben hat, ja sich in ihm ganz und gar zu unseren Gunsten festgelegt hat. Sollten wir dieses Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn des lebendigen Gottes hier in unserer Mitte jemals in Frage stellen, dann hätte unsere Arbeit keine Verheißung mehr, dann könnten wir dieses Kirchgrundstück auch getrost als Parkplatz für Getränke Hoffmann zur Verfügung stellen.

Hier im heiligen Evangelium trainiert Jesus seine Apostel geradezu darin, sich in ihrer Verkündigung nicht von irgendwelchen Meinungsumfragen oder Mehrheitsmeinungen abhängig zu machen: Entscheidend ist nicht, was irgendwelche Menschen über Jesus denken, was sie darüber denken, was die Kirche heute verkündigen sollte. Entscheidend ist einzig und allein, was Gottes Heiliger Geist selber uns in seinem Wort offenbart. Und genau das ist meine Aufgabe, zu der ich in meiner Arbeit hier vor allem anderen gerufen bin: Dass ich euch dazu anleite, immer wieder auf Gottes Wort zu hören und nicht auf das, was man heute angeblich alles machen muss, um Menschen in der Kirche bei der Stange zu halten. Genau das ist meine Aufgabe, euch klar zu sagen, dass sich der Islam und der Glaube an Christus eben nicht in einem religiösen Eintopf miteinander vereinbaren lassen, sondern dass sich am Bekenntnis zu Jesus Christus als unserem Herrn und Gott immer wieder klar die Geister scheiden.

Sagen soll ich euch, was nicht meinen persönlichen religiösen Empfindungen entspringt, sondern was Gott im Wort der Heiligen Schrift offenbart hat. Warnen soll ich euch auch vor falscher Lehre, die euch wegführt von dem einzigen Weg, der in den Himmel führt, der euch wegführt von Christus und den Gaben, die er uns schenkt. Ja, Christus predigen will ich euch, soweit meine Stimme und mein Körper es noch irgend zulassen werden!

Schwestern und Brüder, nach menschlichem Ermessen soll und werde ich meinen Dienst in dieser Gemeinde nun noch gut zehn Jahre bis zu meinem Ruhestand versehen, wenn Gott dazu Gnade gibt und mir noch meine Gesundheit zumindest in Rudimenten erhält. Aber mein Ruhestand ist eben gerade nicht der Zielpunkt unserer Arbeit hier in Steglitz. Denn diese Gemeinde ist nicht „meine Gemeinde“, sondern Gemeinde unseres Herrn Jesus Christus. Und darum hat sie die Verheißung, dass sie eben nicht bloß wegen eines bestimmten Pastors Bestand hat, sondern dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden. Ja, diese Pforten der Hölle, die rücken uns in unserer Arbeit hier in Steglitz oftmals ganz schön nahe auf die Pelle. Wir spüren es, wie der Teufel nichts unversucht lässt, um die Arbeit unserer Gemeinde zu torpedieren und zu hindern. Das lässt einen mitunter schon sehr leicht verzagen. Aber die Verheißung unseres Herrn hat Bestand: Da, wo er seine Kirche baut, werden kein Bundesamt und kein Verwaltungsgericht und kein Innenminister, werden keine Mullahs und keine Taliban, ja werden selbst die Pforten der Hölle dagegen ankommen können. Bleiben wir darum nur dran an Christus, an seinem Wort, an seinem Heiligen Mahl! Daran werden auch in Zukunft alle Angriffe der Hölle abprallen müssen. Ja, bleiben wir nur dran an Christus! Dann werden wir auch in Zukunft noch viele Anlässe haben, hier in Steglitz fröhlich Gemeindefeste zu feiern! Amen.

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