St. Matthäus 20,1-16 (Vorlage Für Die Persische Übersetzung) | Vorabend zu Septuagesimae | Pfr. Dr. Martens

Das ist eine Geschichte aus der Bibel, in die sich viele von euch gut hineinversetzen können. Da suchen Menschen händeringend Arbeit, sind ganz und gar darauf angewiesen, dass irgendjemand ihnen Arbeit anbietet – und sie müssen dann auch nehmen, was ihnen angeboten wird.

Das kennen viele von euch auch: Da gibt es diejenigen unter euch, die im Iran eine wirklich gute Ausbildung und einen wirklich guten Beruf hatten. Und nun seid ihr hierher nach Deutschland gekommen – und die deutschen Behörden behandeln euch, als ob ihr im Iran gerade von den Bäumen heruntergeklettert wäret, erkennen all das nicht an, was ihr zuvor gelernt und geleistet habt. Und so müsst ihr hier in Deutschland oft genug Arbeiten übernehmen, die weiter unter dem Niveau dessen liegen, was ihr eigentlich könnt und gelernt habt.

Oder da gibt es diejenigen unter euch, die so gerne arbeiten würden, für die es so unangenehm ist, dass sie immer noch von Leistungen des Staates abhängig sind und die viel lieber ihr Geld selber verdienen würden. Doch der Staat versucht alles, um euch daran zu hindern, selber Geld zu verdienen, blockiert Praktika und Arbeitsverträge, glaubt allen Ernstes, euch damit so kaputtzumachen, dass ihr freiwillig wieder in den Iran oder nach Afghanistan zurückkehrt. Als ob ihr hierher nach Deutschland gekommen wärt, um besseres Geld zu verdienen! Und am Ende treibt der Staat dann viele in die Schwarzarbeit, in Arbeitsverhältnisse, in denen die Betroffenen den Arbeitgebern immer wieder hilflos ausgeliefert sind und dann immer wieder auch erfahren müssen, wie sie von diesen Arbeitgebern ausgenutzt werden – bis dahin, dass ihnen der gesamte Lohn am Ende vorenthalten wird.

Geradezu traumhaft klingt dagegen, was uns Jesus hier im Heiligen Evangelium dieses Tages schildert: Er erzählt von einem Arbeitgeber, der die arbeitssuchenden Menschen von der Straße holt – und am Ende selbst denen, die nur die Chance hatten, eine Stunde zu arbeiten, so viel Lohn zahlt, dass sie damit ihre gesamte Familie bis zum nächsten Tag wieder ernähren können. Kein Lohndumping, sondern Existenzsicherung für alle, auch für die, die schlechtere Startchancen hatten als die anderen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein.

In der Tat: Jesus verkündigt hier kein Parteiprogramm, und er behauptet auch nicht, dass wir Christen die Welt so verwandeln können, dass das Entlohnungssystem, das er hier beschreibt, tatsächlich funktionieren würde. Er will mit der Geschichte, die er uns hier erzählt, zunächst einmal überraschen – und uns gerade damit etwas über Gott und über seinen Umgang mit uns erzählen. Aber dass Jesus dabei zeigt, wie wohlbekannt ihm die Sorgen und Nöte derer sind, die verzweifelt nach einer Arbeit suchen, die ihnen das Geld bringt, das sie brauchen – das ist schon ein tröstlicher Nebenaspekt dieser Geschichte.

Aber, wie gesagt: Es geht Jesus hier nicht um Lohnforderungen von Gewerkschaften, sondern es geht ihm um Gott, seinen Vater. Es geht ihm darum, dass wir erkennen, dass Gott ganz anders mit den Menschen umgeht, als wir dies von uns aus erwarten würden.

Wir Menschen meinen ja oft genug, Gott würde mit uns Menschen auch so verfahren, wie ein normaler Arbeitgeber mit seinen Arbeitern verfährt: Wer viel leistet, bekommt entsprechend auch den Lohn, den er verdient, wer nicht genügend leistet, der fällt am Ende durchs Raster, dem wird am Ende gekündigt. Das ist ja auch das übliche Denkmuster der Religionen: Wir bekommen von Gott Vorschriften, und die müssen wir erfüllen, und wenn wir die Vorschriften besonders gut erfüllen, dann können wir uns vielleicht sogar den einen oder anderen Fehler leisten und ihn mit unseren sonstigen guten Leistungen ausgleichen. Wenn wir aber nicht genügend leisten, was Gott von uns erwartet, dann heißt es am Ende: Ab in die Hölle!

Doch Jesus macht deutlich: Gott ist in Wirklichkeit ganz anders. Er zeigt den Menschen, dass sie für ihn wichtig sind, dass er sie braucht. Alle, die er finden kann, lädt er ein, bei ihm mitzumachen. Immer wieder macht er sich auf den Weg, um noch mehr Menschen in seinen Weinberg einzuladen, damit sie dort mitarbeiten können. Jedem macht er deutlich: Ich brauche dich, du bist wichtig für mich. Und das Allerwichtigste ist: Gott bezahlt nicht nach Leistung. Er betreibt auch kein Lohndumping, sondern schenkt jedem, den er zu sich eingeladen hat, das ganze Leben, ja, das ewige Leben, ganz gleich, wie viel oder wie wenig der betreffende Mensch in seinem Leben geleistet hat. Ich muss bei Gott keine Angst haben, dass meine guten Werke am Ende nicht ausreichen und ich darum am Ende in der Hölle lande. Wenn Gott mich gerufen und zu seinem Mitarbeiter gemacht hat, dann ist es klar: Ich werde am Ende nicht bekommen, was ich verdient habe, sondern was ich brauche: das ewige Leben. Mehr als das kann es gar nicht geben. Was für eine befreiende Botschaft! Ich muss nichts mehr in meinem Leben tun, damit ich das ewige Leben gewinne, sondern ich kann fröhlich in Gottes Weinberg mitarbeiten, weil ich weiß, dass mein Lohn am Ende schon feststeht, weil ich weiß, dass mich am Ende das ewige Leben erwartet.

Nun erzählt Jesus hier allerdings nicht nur eine nette, freundliche Geschichte. Sondern er erzählt eine Geschichte, in der es darum geht, dass sich Leute über das Verhalten des Arbeitgebers mächtig ärgern, eine Geschichte, in der es darum geht, dass Menschen den Arbeitgeber für äußerst ungerecht halten.

Ja, Jesus will mit dieser Geschichte provozieren – und vielleicht provoziert er doch auch uns damit. Ich kenne jedenfalls solche Äußerungen auch aus unserer Gemeinde: „Ja, ich selber bin natürlich ein ganz ehrlicher, engagierter Christ, der natürlich nicht wegen seines Aufenthalts in Deutschland, sondern nur aus Liebe zu Jesus Christ geworden ist. Aber diejenigen in unserer Gemeinde, die nach mir in die Gemeinde gekommen sind, die meinen das ja alle gar nicht so ernst wie ich. Die machen das sicher nur wegen des Asyls. Und eigentlich ist das unfair, wenn die genauso behandelt werden wie wir, die wir schon viel länger hier in der Gemeinde sind.“ Ja, das kann dann bis dahin gehen, dass Menschen unsere Gemeinde wieder verlassen, weil sie glauben, hier in der Gemeinde würden diejenigen, die neu in die Gemeinde kommen, zu gut behandelt – und damit diejenigen, die länger dabei sind, zu schlecht.

Und wenn man es dann noch erlebt, dass man selber trotz allen Engagements in der Gemeinde am Ende vom Bundesamt nur einen javab manfi bekommt, während andere Leute, die doch viel weniger Ahnung vom christlichen Glauben haben, aus unerfindlichen Gründen die Anerkennung bekommen, dann ist so mancher von uns vielleicht doch auch ziemlich dicht an den Arbeitern dran, die sich so sehr über das Verhalten ihres Arbeitgebers ärgern, die glauben, sie hätten doch mehr verdient als andere.

Ach, Schwestern und Brüder, lernen wir es von Jesus doch wieder neu, uns über einen jeden zu freuen, der auch den Weg zu Jesus Christus gefunden hat! Sehen wir die anderen doch nicht als Konkurrenz an, sondern freuen wir uns, wenn auch diesen Brüdern und Schwestern das ewige Leben geschenkt wird! Ja, laden wir auch selber immer wieder andere Menschen in Gottes Weinberg ein, erzählen wir ihnen davon, dass Gott auch sie braucht und auch sie erwartet! Uns wird dadurch nichts weggenommen. Du bekommst den Leib und das Blut Christi immer ganz, ganz gleich, ob neben dir noch 20 oder 200 andere das Sakrament empfangen. Du bekommst Gottes Vergebung immer ganz, ganz gleich, wie vielen anderen Menschen Gott auch noch die ganze Schuld ihres Lebens vergibt. Und am Ende bekommst du das ganze ewige Leben, das volle Paket, ohne Einschränkungen. Darum freue dich darüber, wenn viele andere es auch bekommen. Bei Gott in seiner Kirche mitarbeiten zu dürfen, ist doch keine Strafe. Wer schon länger mit dabei ist, der hat es nicht schlechter, sondern besser als diejenigen, die jetzt erst den Weg zu Christus finden, denn jeder Tag mit Christus ist ein gewonnener und kein verlorener Tag. Denn jeder Tag mit Christus ist ein Schritt auf dem Weg zum ewigen Leben. So hat es dir Gott versprochen. Und er wird sein Versprechen halten – 100%. Amen.

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