St. Matthäus 2,1-12 | Epiphanias Pfr. Dr. Gottfried Martens
Was ist das Ziel deines Lebens? Was ist das Ziel aller Wege, die du in deinem Leben gehst und geführt wirst? Worauf läuft alles für dich am Ende hinaus?
Es ist gut, wenn wir uns diese Frage in unserem Leben immer wieder stellen, ja, mehr noch: Wenn wir auf diese Frage auch tatsächlich eine Antwort haben und von dieser Antwort her all das zu begreifen suchen, was wir in unserem Leben erfahren.
Das Heilige Evangelium des heutigen Festtages gibt uns eine Antwort auf diese Frage nach dem Ziel unseres Lebens, nein, nicht irgendeine Antwort unter vielen, sondern die einzige Antwort, die sich am Ende tatsächlich als tragfähig und nicht als hohl und vergänglich erweist: Das Ziel deines Lebens besteht in der Anbetung, in der Anbetung allein.
Was bedeutet eigentlich „Anbetung“? Anbetung setzt die Begegnung mit keinem Geringeren als dem lebendigen Gott voraus, ist Reaktion darauf und Ausdruck dessen, dass in der Begegnung mit dem lebendigen Gott erkannt und erfahren wird, was es eigentlich bedeutet, dass Gott wirklich Gott ist.
„Anbeten“ kann ich nicht mal kurz nebenbei. „Anbeten“ kann ich nicht im Rahmen von Multitasking, dass ich alles mögliche andere auch noch gleichzeitig mache und daneben auch noch etwas anbete. Wenn ich wahrgenommen habe, dass ich gerade dem lebendigen Gott begegne, dann kann ich alles andere nur noch sein lassen und fallen lassen, ja, zurücklassen. Ich kann nicht mit einem Handy in der Hand anbeten; ich kann nicht anbeten und mich zugleich noch mit anderen unterhalten. Und anbeten kann ich eben nicht bloß mit meinem Geist allein, sondern das wirkt sich direkt aus auf meine Körperhaltung. Das griechische Wort, das St. Matthäus hier in unserem Evangelium gleich mehrfach gebraucht, bedeutet so viel wie: sich mit dem Körper ganz ausgestreckt vor jemandem auf den Boden legen. Knien ist da schon ein sehr verkürzter Ausdruck dessen, was mit dieser Proskynese, mit dieser Anbetung gemeint ist.
Da wird uns hier im Heiligen Evangelium von Menschen berichtet, die sich auf den Weg machen, um anzubeten, um einen König anzubeten. Wie viele es eigentlich waren, wird hier nicht gesagt. Aber ungewöhnlich ist an dem, was St. Matthäus hier schildert, so ziemlich alles: Zunächst einmal betete man damals eigentlich keinen König an. Die Anbetung galt immer nur Gott. Es ist also erstaunlich, dass diese Menschen eine Ahnung davon haben, dass sie in einem König dem lebendigen Gott begegnen könnten. Ebenso erstaunlich ist, wie diese Menschen darauf kommen, dass es da einen König geben könnte, dem Anbetung gebührt: Sie sind Sterndeuter und blicken an den Himmel und erkennen dort wohl eine Sternenkonstellation, die ihnen so ungewöhnlich erschien, dass sie sich dadurch veranlasst sahen, sich auf einen Weg von mehreren tausend Kilometern zu begeben, um diesen König zu finden, den ihnen die Sterne verkündigten.
Ja, ich weiß, das kommt uns immer wieder etwas merkwürdig vor, dass Astrologen aufgrund ihrer astrologischen Beobachtungen sich auf den Weg zu Jesus machen. Stimmt es also doch, was Wallenstein in Schillers Drama behauptet, dass die Sterne nicht lügen? Haben diejenigen also vielleicht doch Recht, die meinen, sie seien in einem bestimmten Sternzeichen geboren, und dieses Sternzeichen habe irgendwelche Auswirkungen auf ihren Charakter? Ja, haben diejenigen vielleicht sogar Recht, die die Dienste eines der zahlreichen Astrologen heutzutage hier in unserem Land in Anspruch nehmen, um zu erfahren, wie es mit ihnen in der Zukunft weitergehen wird?
Nein, sie alles haben nicht Recht. St. Matthäus behauptet hier nicht, dass irgendwelche Sterne die Geburt Jesu beeinflusst hätten, dass die Geburt Jesu irgendwelchen astronomischen oder gar astrologischen Gesetzmäßigkeiten gefolgt sei und die Astrologie von daher für uns eine Quelle der Wahrheit wäre. Im Gegenteil: Gott ist es, der den Irrglauben der Sterndeuter aus dem Iran in Anspruch nimmt, benutzt, um sie auf eine ganz besondere, einmalige Weise zu ihm, dem Schöpfer des Universums, zu ihm, dem Schöpfer aller Sterne zu führen, der da als kleines Baby im Schoße seiner Mutter liegt.
Gott benutzt auch heute noch mitunter sehr ungewöhnliche Wege, um Menschen auf Christus aufmerksam zu machen. Damals war es dieser ungewöhnliche Stern oder diese ungewöhnliche Sternenkonstellation. Heute höre ich in Gesprächen mit Menschen aus demselben Land, aus dem einst die Sterndeuter stammten, dass Gott wieder gerade in diesem Land Wege wählt, um Menschen zu Christus zu führen, die uns erst einmal sehr fremd vorkommen mögen. Wie oft habe ich schon in Gesprächen gehört, dass Menschen aus dem Iran oder Afghanistan Träume hatten, in denen Jesus ihnen erschienen ist und sie auf den Weg zu ihm geschickt hat. Als nüchterne deutsche Lutheraner mögen wir dem erst einmal sehr skeptisch gegenüberstehen. Aber nach all dem, was ich gehört habe, bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass dies heute ein ganz besonderer Weg ist, den Christus gerade mit den Menschen aus dem Iran und Afghanistan beschreitet, um sie zu sich zu führen, dort, wo ihnen normale Wege der Verbreitung der frohen Botschaft zumeist versperrt sind.
Doch das Ungewöhnlichste am Verhalten dieser Menschen aus Persien, von denen St. Matthäus hier berichtet, besteht darin, dass sie sich allen Ernstes auf einen so langen Weg begeben, nur um am Ende den anbeten zu können, dem allein diese Anbetung gebührt. Wir haben heute auch wieder viele Menschen in unserer Mitte, die sich auf einen solchen langen Weg begeben haben, alles zurückgelassen haben, was sie besaßen, nur weil ihnen dieser eine König so wichtig war, dass sie entschieden, dass sich für ihn jeder noch so lange Weg lohnt. Ja, es ist ein Wunder, wie das kleine Kind in der Krippe damals Menschen in Bewegung versetzt hat, wie es heute Menschen in Bewegung setzt, wie es auch dich und mich in Bewegung versetzt hat, dass wir heute Abend hierher zu ihm gekommen sind, um dieses Kind anzubeten.
Die Gelehrten aus Persien landeten zunächst an der falschen Stelle, kamen zunächst nach Jerusalem, in das Zentrum der Macht, glaubten dort, wo die Starken und Mächtigen sind, den König zu finden, den sie anbeten wollten. Erst das Wort der Heiligen Schrift wies ihnen dann den richtigen Weg – in ein Kuhdorf, in ein unscheinbares Haus, zu einem Kind, das nicht an seinem Heiligenschein zu erkennen war, sondern allein an dem Stern, der über dem Haus stand.
Ja, so ist das bis heute immer wieder: Gott mag Menschen auf manch ungewöhnlichen Wegen erreichen und sie dazu bewegen, sich auf den Weg zu Christus zu begeben. Aber die ungewöhnlichen Anstöße allein reichen nicht aus, um Christus zu finden. Sie führen uns, für sich genommen, am Ende doch nur in die Irre – wenn nicht Gottes Wort uns am Ende die Augen dafür öffnet, wo wir ihn, Christus, wirklich finden können. Es ist wunderbar, wenn Gott Menschen auch heute durch Träume erreicht. Aber wir sollen die Träume immer an Gottes Wort messen, ob sie mit ihm auch übereinstimmen. Es ist wunderbar, wenn Gott auch andere Ereignisse in unserem Leben gebraucht, um uns auf Christus aufmerksam zu machen. Aber wie leicht basteln wir uns aus unserer eigenen Lebenserfahrung dann doch einen sehr eigenen Glauben zusammen, einen Glauben, der davon ausgeht, dass Gott im Großen und Starken zu finden ist, im Glück, im Erfolg, in den großen Gefühlen!
Ja, da bedarf es immer wieder des Wortes Gottes, das uns deutlich macht, dass Christus ganz woanders zu finden ist, als wir zunächst einmal denken mögen: nicht im Großen und Starken, nicht in unseren Gefühlen, nicht nur dort, wo in unserem Leben alles gut und glatt läuft. Der, den wir anbeten dürfen, lässt sich vielmehr im ganz Kleinen finden, in einem Stück Brot und in einem Schluck Wein, die nur durch das Wort Gottes als das erkannt werden, was sie wirklich sind: der heilige Leib und das heilige Blut des Herrn.
Und so kommen wir heute Abend gemeinsam mit den Gelehrten aus Persien hier bei Christus an, um ihn anzubeten: Ganz unterschiedlich sind die Wege, auf denen wir hierher geführt worden sind, aus ganz unterschiedlichen Ländern stammen wir, sprechen ganz unterschiedliche Sprachen. Aber nun knien wir alle miteinander hier vor dem Kind nieder, das wir hier in den Windeln von Brot und Wein finden, knien nieder und finden schon jetzt und hier die tiefste Erfüllung unseres Lebens, wenn wir erkennen: Hier ist er, der wahre, lebendige Gott, hier ist er, dem wir nicht nur unser Leben verdanken, sondern in dessen Gemeinschaft unser Leben einmal in alle Ewigkeit einmünden wird.
Ja, du bist heute schon am Ziel deines Weges angelangt, wenn du vor Christus auf die Knie sinkst, wenn alles andere dir unwichtig wird, weil nur noch eines bleibt: den anzubeten, der dein Herr und Gott ist. Eines ist dann allerdings auch klar: Wenn du von diesem Kind wieder zurückkehrst, dann gehst du auf einem anderen Weg, dann wird dir endgültig unwichtig, was dich vorher vielleicht noch so beeindruckt hatte, dann lässt du dir nichts mehr sagen von den Großen und Mächtigen, nicht von angeblichen Mehrheiten und Meinungsumfragen, dann zählt für dich nur noch eins: die Nähe deines Herrn.
Schwestern und Brüder: Gott geb’s, dass wir hier im Gottesdienst immer wieder schon erfahren, was uns am Ziel unseres Lebens erwartet, dass wir schon hier und jetzt erkennen, dass es nichts Besseres und Tieferes und Schöneres geben kann, als dem lebendigen Gott zu begegnen und ihn anzubeten. Ja, Gott geb’s, dass wir hier im Gottesdienst immer wieder schon erfahren, wie schön es ist, dass Gott Menschen aus allen Völkern zu diesem Ziel ihres Lebens führt: Venite, adoremus! O kommt, lasst uns anbeten, o lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten – den König! Amen.