St. Matthäus 25, 14-30 | 9. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens
Mal ganz ehrlich: Tut euch dieser dritte Knecht nicht auch leid? Da bekommt er von seinem Herrn schon am wenigsten ab; dann handelt er eigentlich doch ganz vernünftig, besonnen, betätigt sich nicht als Spekulant – und landet dafür am Ende in der Finsternis, Heulen und Zähneklappern inklusive. Das soll eine Geschichte über Gott sein? Darüber, wie er mit uns Menschen umgeht? Wir haben ihn doch eigentlich ganz anders im Ohr und vor Augen: als guten Hirten, der dem verlorenen Schaf hinterherläuft, als liebenden Vater, der den verlorenen Sohn wieder in den Arm nimmt, ja, als Weinbergsbesitzer, der selbst denen, die nur eine Stunde gearbeitet haben, noch den vollen Lohn für den ganzen Tag gewährt.
Und nun hören wir hier solch ein erzkapitalistisches Gleichnis: Diejenigen, die am meisten Profit gemacht haben, kommen in den Himmel; diejenigen, die beim Spiel um die besten Renditen nicht mitgemacht haben, landen in der Hölle. Ja, wo sind wir denn hier bloß gelandet? Schwestern und Brüder: Ich gestehe, dass mir an diesem 9. Sonntag nach Trinitatis nach Trinitatis direkt im Anschluss an die Worte „Da wird sein Heulen und Zähneklappern“ das „Gelobt seist du, Herr Jesu“ nicht ganz so leicht über die Lippen kommt wie an anderen Sonntagen.
Was machen wir also mit diesen Worten Jesu? Zunächst einmal einfach dies, dass wir genauer hinschauen, was tatsächlich dasteht, dass wir uns nicht von den Gedanken, die diese Erzählung bei uns spontan hervorrufen mag, gefangen nehmen lassen, sondern darauf achten, was Jesus uns mit diesem Gleichnis eigentlich deutlich machen will. Dreierlei lässt er uns hier nämlich erkennen:
I.
Zunächst einmal macht Jesus in diesem Gleichnis deutlich: Wir werden für unser Leben tatsächlich einmal Rechenschaft abzulegen haben. Kein Geringerer als Gott selbst wird uns einmal nach unserem Leben fragen, danach, was wir in unserem Leben eigentlich gemacht haben. Und dann kann es passieren, dass wir erkennen, dass wir unser Leben völlig verfehlt haben, dass wir auf diese Rechenschaft überhaupt nicht vorbereitet waren.
Schwestern und Brüder: Ich weiß, dieses Gleichnis mag uns zunächst einmal schockieren. Aber hoffentlich rüttelt uns tatsächlich auch erst einmal wach, dass wir merken, was in unserem Leben eigentlich auf dem Spiel steht. Wie oft höre ich es auch hier in unserer Gemeinde: Ich habe jetzt keine Zeit für Jesus; ich habe jetzt anderes zu tun. Wie bitte? Ahnt ihr überhaupt, was ihr da sagt? Seid ihr tatsächlich so kurzsichtig, dass ihr denkt, dass es nur auf das in eurem Leben ankommt, was jetzt gerade im Augenblick zählt? Glaubt ihr allen Ernstes, das, was euch jetzt gerade als so wichtig und unverzichtbar erscheint, habe irgendwelche Bedeutung, wenn Christus euch einmal nach eurem Leben fragen wird? Mensch, verpenne doch ja dein Leben nicht, lass dich wachrütteln, dass dir wieder neu klar wird, was es bedeutet, dass du einmal für dein Leben vor Christus wirst Rechenschaft ablegen müssen! Mensch, verpenne doch ja dein Leben nicht, lebe doch nicht einfach bloß so dahin in deinem Leben, als ob danach eigentlich nichts mehr käme, was noch von Bedeutung ist! Lass es ja nicht dahin kommen, dass du am Ende mit Zähneklappern feststellen musst: Alles mögliche andere ist mir wichtig gewesen, meine Gesundheit, mein Geld, meine Schönheit, mein Beruf, meine Familie, meine Hobbys, mein Aufenthalt in Deutschland – nur der eine, auf den und dessen Gaben es wirklich ankam, den habe ich nur die Ecke meines Lebens gepackt!
Ja, es gibt ein letztes Gericht Gottes, es gibt den Tag, an dem Gott uns fragen wird, was wir aus unserem Leben gemacht haben, was für uns wichtig gewesen ist. Ja, der Tag wird kommen, an dem Menschen auch voller Schrecken erkennen werden, dass sie ihr Leben verfehlt und verpasst haben. Es ist gut, dass Jesus uns dafür hier im Heiligen Evangelium wieder neu die Augen öffnet!
II.
Was unterscheidet die beiden ersten Knechte von dem dritten Knecht? Ganz einfach: Die ersten beiden erkennen, wie groß das Vertrauen ist, das ihr Herr in sie setzt, die ersten beiden leben ganz mit den Gaben und aus den Gaben, die ihr Herr ihnen anvertraut hat. Der dritte vergräbt, was sein Herr ihm anvertraut hat, lebt so, als ob er dies Vertrauen seines Herrn gar nicht erhalten hätte, lebt ohne Gottes Gaben, führt sein Leben so, als ob er gar nicht von seinem Herrn reich beschenkt sei.
Ja, genau das ist in der Tat die entscheidende Frage, um dies es in unserem Leben geht: Woraus lebe ich eigentlich, was bestimmt und erfüllt mein Leben? Ist mein Leben von der Freude bestimmt, wie reich ich von Gott begnadet und begabt bin? Selbst der eine Zentner, den der dritte Knecht hier in der Geschichte anvertraut bekommt, ist das durchschnittliche Einkommen eines ganzen Lebens für einen Menschen. Reich beschenkt ist auch dieser Mann, wird nicht mit einem Almosen abgespeist. Umgerechnet auf heute erhielt auch dieser dritte Knecht einen Millionenbetrag. Bestimmt das dein Leben, dass Gott dir vorbehaltlos vertraut, dass er dich schon in deiner Taufe zu einem steinreichen Menschen gemacht hat? Bedeutet dir deine Taufe etwas, oder hast du den Schatz deiner Taufe auch irgendwo eingegraben, denkst gar nicht mehr daran, was du da eigentlich hast?
Die Alternative ist jedenfalls klar: Menschen, deren Leben nicht davon geprägt ist, dass sie von Gott beschenkt sind, haben gar keine andere Wahl als zu versuchen, ihr Leben nur aus den Quellen zu führen, die in ihnen selbst liegen. Arm dran sind sie, wenn sie sich nicht als reich beschenkt erfahren, sondern als Leute, die die ganze Zeit selber etwas leisten müssen, selber etwas erarbeiten müssen, zeigen müssen, was sie können! Arm dran sind sie, denn was sie sonst alles in ihrem Leben geschafft haben, das wird bei der letzten Rechenschaftslegung bei Gott überhaupt keine Rolle spielen. Der wird nicht danach fragen, wieviel Geld du in deinem Leben verdient hast, der wird nicht danach fragen, wie beliebt du gewesen bist, was für eine Karriere du gemacht hast, wie erfolgreich du warst. Der wird dich nur nach einem fragen: Was hast du aus meinen Gaben gemacht? Waren diese Gaben der Inhalt deines Lebens, oder hast du sie vergraben? Nein, es geht gerade nicht um eine Leistungsschau. Die Gaben selber haben die Kraft in sich, sich reichlich zu vermehren. Liebe hat die Kraft in sich, sich reichlich dadurch zu vermehren, dass wir sie abgeben, weiterreichen. Glaube hat die Kraft in sich, sich reichlich zu vermehren und zu wachsen, wenn wir ihn mit anderen teilen. Die Hoffnung hat die Kraft in sich, sich reichlich zu vermehren, wenn wir mit ihr handeln, wenn wir auch sie mit anderen teilen, etwas von dieser Hoffnung weiterreichen an die, die keine Hoffnung haben. Woraus lebst du eigentlich? Was ist die Quelle und der Inhalt deines Lebens? Ja, es ist gut, dass Jesus uns auch mit dieser Frage heute wieder wachrüttelt!
III.
Und dann stellt uns Jesus hier noch eine dritte Frage: Für wen hältst du ihn, deinen Herrn? Hältst du ihn für einen harten Mann, vor dem man sich fürchten muss – oder erkennst du in ihm die Liebe, die dir Vertrauen schenkt, ja, ein reiches, erfülltes Leben?
Ein Leben, in dem man vor Gott immer nur Angst hat, in dem man sein Handeln von dieser Angst bestimmen lässt, kann nicht gelingen. Es erschüttert mich immer wieder, wie sehr eine solche Vorstellung von Gott das Leben so vieler Menschen im Iran prägt, bestimmt, ja kaputt macht. Doch täuschen wir uns nicht: Ähnliche Gottesvorstellungen sind uns hier in Deutschland, in einer Kultur, die sich christlich nannte und nennt, auch nicht unbekannt. Angst lähmt, Angst verhindert, dass das Leben eines Menschen Frucht zu bringen vermag, vermag Gott nur als eine Fratze wahrzunehmen. Wie traurig, wie furchtbar – ein wahrlich verfehltes Leben!
Doch der Herr in der Geschichte schüttelt über solch ein Vorurteil ihm gegenüber nur den Kopf: Hat dieser Knecht denn gar nicht gemerkt, wie viel Vertrauen ich ihm entgegengebracht habe, wie gut er es hat, so reich von mir begabt zu sein? Die beiden anderen Knechte haben das verstanden: Die Gaben, die der Herr ihnen anvertraut hat, setzen sie in Bewegung, lassen sie ganz von selbst so leben, dass aus dem, was ihnen gegeben wurde, im Laufe der Zeit noch mehr wird.
Ja, denke daran, dass du Christus einmal wirst Rechenschaft ablegen müssen, ganz klar! Denke daran, dass dein Leben nicht durch das gelingt, was du selber aus eigener Kraft tust und leistest! Ja, denke daran, dass du vor Christus doch keine Angst haben musst, dass du aufblühen darfst in der Gewissheit: So viel hält mein Herr von mir, dass er mir so viel Gaben anvertraut!
Nein, nicht klein, geduckt und verzagt sollen wir heute die Kirche verlassen, sondern fröhlich, aufrecht und stolz: So viel hält mein Herr von mir, dass er mir so viel mitgibt, ja, auch heute wieder, wenn er mich jetzt gleich hier im Heiligen Mahl beschenkt. So viel bedeute ich ihm, dass er auch mir seinen Leib und sein Blut reicht. Was für ein Schatz, aus dem ich in der kommenden Woche leben darf, den ich mit anderen teilen darf! Ja, erhobenen Hauptes darfst du heute aus diesem Gottesdienst nach Hause gehen, als ein Mensch, der so viel von Gott bekommen hat – und auf den das Allerbeste noch wartet: Geh hinein zu deines Herrn Freude! Amen.