St. Matthäus 26,36-46 (Vorlage für die persische Übersetzung) | Vorabend zu Reminiszere | Pfr. Dr. Martens

Schlaft ihr auch so gerne wie ich? Für mich gibt es im Urlaub nichts Schöneres, als einfach mal so lange schlafen zu können, wie man will. Jesus hat auch gerne mal geschlafen – wenn es sein musste, auch mitten in einem Sturm auf einem Schiff.

Es gibt allerdings auch Anlässe, bei denen man möglichst nicht schlafen sollte. Wenn man beispielsweise gerade am Steuer eines Autos sitzt, dann ist es nicht empfehlenswert, dabei einzuschlafen. Oder wenn einem gerade wichtige Informationen mitgeteilt werden, die für die Zukunft des eigenen Lebens ganz wichtig sind, dann ist es ebenfalls nicht empfehlenswert, dabei einzuschlafen. Und manchmal ist es auch einfach nur peinlich, wenn man dabei erwischt wird, dass man gerade eingeschlafen ist, während jemand anders einem etwas erzählte. Ich habe es in meiner Tätigkeit als Pastor auch wiederholt erlebt, dass Menschen während meiner Predigten eingeschlafen sind und dann so laut geschnarcht haben, dass sie erst einmal geweckt werden mussten.

Es ist allerdings gar nicht so einfach, nicht einzuschlafen, wenn man in der Nacht zuvor viel zu wenig geschlafen hat und wenn dann nicht gerade etwas so Aufregendes passiert, dass einem das Adrenalin durch den Körper fährt. Mir ist es auch schon passiert, dass ich beim Zuhören einer Predigt kurz eingeschlafen bin oder dass ich auch in einem Gespräch, bei dem man Gegenüber einfach kein Ende fand, kurz einmal ins Reich der Träume abgewandert bin. Ja, wach zu bleiben kann ganz schön schwierig sein, erst recht, wenn man in einem Asylbewerberheim wohnen muss, in dem man die ganze Nacht nicht richtig zur Ruhe kommt. Das sehe ich ja auch immer wieder in unseren Unterrichten, wie da manche Leute Probleme haben, ihre Augen noch aufzuhalten.

Genau diese Probleme hatten damals auch die Jünger Jesu. Es war schon Abend geworden, als Jesus mit seinen Jüngern zum Garten Gethsemane geht. Jesus weiß, was ihm bevorsteht. Unendlich schwer wird es ihm, zu dem Weg Ja zu sagen, der jetzt vor ihm liegt. Und so bittet er die Jünger, mit ihm zu wachen und zu beten. Doch während Jesus mit seinem Vater im Gebet darum ringt, den schweren Weg ans Kreuz annehmen zu können, schlafen die Jünger gleich ein, statt mit Jesus wach zu bleiben, mit ihm und für ihn zu beten. Gerade da, wo Jesus die Jünger in seiner Angst vor dem, was da kommt, besonders gut hätte gebrauchen können, lassen sie ihn im Stich. Und das passiert nicht nur einmal, sondern gleich dreimal. Jesus schwitzt Blut und Wasser vor seiner Verhaftung – und die Jünger schlafen und schlafen und schlafen.

Was für eine bittere, schmerzliche Erfahrung für unseren Herrn: Er lässt sich für die Menschen ans Kreuz nageln – und diejenigen, die ihm eigentlich am nächsten sein sollten, schlafen nur, lassen ihn seinen Weg völlig allein gehen.

Doch genau das ist die frohe Botschaft dieses Abschnitts aus der Passionsgeschichte: Jesus rettet uns, während wir schlafen, während wir gar nichts tun, nicht den geringsten eigenen Beitrag zu unserer Rettung leisten. Jesus rettet uns wirklich ganz allein, ohne unsere Mitwirkung. Wenn unsere Rettung, wenn unser ewiges Leben davon abhinge, dass wir auch etwas tun müssten, dann wären wir verloren. Wir können es nicht, wir schaffen es nicht, so zeigen es uns die Jünger hier in dieser Geschichte – und wir sind eben auch nicht besser als die Jünger, sind oft genug genauso geistliche Schlafmützen wie die Apostel damals auch.

Ja, danke Jesus dafür, dass er den Weg zu deiner Rettung ganz allein gegangen ist, ohne Unterstützung, dass er wirklich alles für dich getan hat, dass nichts von dir abhängt! Jesus wartet nicht darauf, dass du erst einmal etwas tust, bevor er etwas für dich tut. Er hat schon alles getan, auch wenn wir ihn noch so sehr enttäuscht haben und auch weiter enttäuschen.

Jesus weiß, wie es uns geht, er weiß, wie müde man sein kann, wenn man viel gearbeitet hat, wenn man nachts keinen Schlaf gefunden hat. Er verlangt von uns keine übermenschlichen Leistungen. Ja, Jesus hat für uns sogar Verständnis, wenn wir hier in der Kirche mal einschlafen, weil wir trotz der Arbeit in der Nacht zuvor hierher in die Kirche gekommen sind. Aber zugleich warnt er uns vor einer anderen Art von Müdigkeit und Schläfrigkeit: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!“   

Ja, man kann tatsächlich hellwach und hochaktiv sein und sich trotzdem im Tiefschlaf befinden, so zeigt es uns Jesus hier. Genau in diesen Tiefschlaf will uns der Teufel befördern. Er weiß: Mit Zwang und Druck lassen sich nur wenige dazu bewegen, die Verbindung mit Jesus Christus wieder aufzugeben. Und darum versucht der Teufel, uns in dieser Verbindung mit Christus, im Glauben an ihn wieder einschlafen zu lassen. Ganz behutsam geht er dabei vor: „Du hast jetzt im Augenblick so viel anderes zu tun; da hast du einfach keine Zeit mehr, zum Gottesdienst zu kommen!“ „Schau dir an, wie weit dein Weg zur Kirche ist! Das geht doch gar nicht, dass du immer zur Kirche fährst!“ „Du wirst einmal später noch Zeit genug haben, dich mit dem Glauben zu beschäftigen!“ „Es reicht doch, wenn du einmal im Monat zur Kirche kommst – oder alle zwei Monate – oder alle sechs Monate – oder einmal im Jahr!“ Ja, der Teufel schafft es in der Tat, Menschen in den geistlichen Tiefschlaf zu befördern, die früher nie gedacht hätten, dass er das bei ihnen schafft. Es sind Menschen, die oft sehr aktiv sind in ihrem Leben, bei denen alles gut läuft, wie sie sich das gewünscht haben. Sie merken in der Tat oft gar nicht, dass sie längst im geistlichen Tiefschlaf sind. Wenn man sie darauf anspricht, dann sagen sie: Ja, wir sind doch noch Christen, wir denken noch an Jesus. Aber in Wirklichkeit hat der Teufel sie längst eingelullt, dass sie unmerklich aus der Gemeinschaft mit Christus herausgerutscht sind. Ja, der Teufel hat sogar eine ganz besonders starke Schlaftablette entwickelt, um die Menschen einschlafen lassen zu können. Diese Schlaftablette heißt javab mozbat. Man muss einem Menschen einfach nur einen javab mozbat geben, und schon schlafen die meisten anschließend sehr schnell in ihrem Glauben ein, immer wieder mit derselben Begründung, dass sie jetzt zu viel zu tun haben, dass sie jetzt für Jesus keine Zeit mehr haben.

Ja, diese Schläfrigkeit ist gefährlich. Sie ist noch viel gefährlicher, als wenn ein Mensch hinter dem Steuer seines Autos einschläft. Diese Schläfrigkeit kann uns bis in die endgültige Trennung von Gott führen, auch und gerade dann, wenn wir uns dabei sehr gut fühlen!

„Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist willig; aber das Fleisch ist schwach.“ – So warnt Christus seine Jünger, so warnt er auch uns. Wir haben es ständig nötig, geistlich wach gehalten zu werden, wir haben es ständig nötig, immer wieder geistliche Wachmacher zu bekommen. Das Wort Gottes ist solch ein geistlicher Wachmacher. Wenn wir uns jeden Tag mit Gottes Wort beschäftigen, dann bewahrt uns das davor, Christus in unserem Leben aus den Augen zu verlieren. Gottes Vergebung in der Beichte ist ein solcher Wachmacher, die uns immer wieder ganz direkt erfahren lässt, wie dringend nötig wir es haben, immer wieder neu zu Christus zurückzukehren. Und natürlich sind gerade auch der Leib und das Blut Christi ein ganz starker Wachmacher, der uns immer wieder neu hilft, in der Gemeinschaft mit Christus zu bleiben, weil er in uns lebt, der stärker ist als alle Angriffe des Teufels.

Und wenn ihr dann diese Wachmacher empfangt, dann betet, betet immer wieder neu: Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen! Und dann schaut auf ihn, den gekreuzigten Herrn, gerade jetzt in dieser Fastenzeit! Schaut darauf, was er ganz ohne unser Zutun getan hat! Ja, macht euch immer wieder klar, was es bedeutet, dass er euch gerettet hat! Ich hoffe, dass ihr bis jetzt noch nicht bei dieser Predigt eingeschlafen seid. Was ihr hier hört, ist wichtiger als so vieles andere, was ihr jeden Tag vernehmt. Aber wenn ihr Christus immer im Blick habt, wenn er auch heute wieder in euch wohnt mit seinem Leib und Blut – dann könnt ihr nachher auch ganz beruhigt schlafen gehen. Amen.

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