St. Matthäus 3,13-17 | Fest der Taufe Christi (1. Sonntag nach Epiphanias) | Pfr. Dr. Martens

In meiner Ausgabe des Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuchs ist für diesen 1. Sonntag nach Epiphanias noch die liturgische Farbe „grün“ vorgesehen: Kirchlicher Alltag, kein besonderes Fest. Doch nun hat man das in unserer Kirche aus gutem Grund geändert, und so leuchtet uns am heutigen Tag noch einmal das fröhliche Weiß eines Christusfestes hier im Kirchraum entgegen. Denn die Taufe Christi ist allemal ein besonderes Christusfest, nicht nur eine Geschichte aus den Evangelien neben vielen anderen. Sie nimmt gleichsam eine Schlüsselstellung auf dem Weg Jesu ein, ist darum auch für uns von entscheidender Bedeutung. Denn die Taufe Jesu markiert

  • das Ende der Religion
  • den Beginn unserer Rettung


I.

Eine denkwürdige Begegnung schildert uns der Evangelist St. Matthäus im Heiligen Evangelium dieses Tages: Jesus von Nazareth kommt zum Jordan, um sich von Johannes dem Täufer taufen zu lassen. Die Heilige Schrift berichtet uns, dass sich Jesus und Johannes schon vorher zumindest einmal getroffen hatten – da befanden sie sich allerdings beide noch im Leib ihrer Mutter, was Johannes den Täufer jedoch nicht daran hinderte, Jesus bereits voller Freude hüpfend zu begrüßen. Da die Mütter miteinander verwandt waren, kann man aber wohl davon ausgehen, dass sich Jesus und Johannes auch darüber hinaus in ihrem Leben bereits kennengelernt hatten. Doch was St. Matthäus hier berichtet, ist eben nicht bloß ein nettes Familientreffen. Sondern die Begegnung, die uns hier vor Augen gestellt wird, hat geradezu weltgeschichtliche Bedeutung:

Da steht auf der einen Seite Johannes der Täufer: Ja, ein Prophet ist er, ganz gewiss, einer, der im Auftrag Gottes dem Volk den Willen Gottes verkündigt. Aber er ist zugleich viel mehr als ein Prophet, denn er lehrt seine Zuhörer nicht bloß, was sie nach Gottes Willen zu tun haben, sondern er kündigt das unmittelbare Erscheinen Gottes selber an. Er ist, so zeigt er es selber ganz deutlich, der letzte Prophet. Nach ihm kommt kein Prophet mehr, sondern nur noch Gott selber. Da bedarf es dann keiner Propheten mehr, wenn Gott selber in diese Welt kommt; da beginnt eine ganz neue Zeit – und wenn nach dieser Begegnung noch einmal jemand behauptet, ein von Gott gesandter Prophet zu sein, dann widerspricht er damit der Botschaft Johannes des Täufers ganz grundlegend.

Und dann steht er vor Johannes: Der, den Johannes angekündigt hatte, nein, wie gesagt: kein weiterer Prophet, sondern nicht weniger als der lebendige, Mensch gewordene Gott. Johannes weiß das. Er weiß, dass nicht er Jesus taufen sollte, sondern Jesus ihn. Denn mit Jesus beginnt nun etwas ganz Neues: Die Zeit, in der Menschen versucht haben, mit ihrem Tun, mit ihren guten Werken ihr Verhältnis zu Gott in Ordnung zu bringen oder zu stabilisieren, ist vorbei. Jetzt geht es nicht mehr darum, dass sich der Mensch den Weg in den Himmel bahnt, dass der Mensch zu Gott kommt. Sondern Gott kommt zum Menschen, wird selber Mensch, um den Menschen in seine Gemeinschaft aufzunehmen.

Man kann das gar nicht oft genug betonen, was hier bei der Taufe Jesu am Jordan offenbar wird: Hier wird kein neuer Prophet vorgestellt, sondern der Religion ein Ende bereitet. Ja, das kann man gar nicht oft genug betonen, weil sich diese Vorstellung vom christlichen Glauben als einer Art von Moralreligion bis heute in den Köpfen so vieler Menschen in unserem Land hält, ja, gerade auch in den Köpfen von Entscheidern im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und in den Köpfen so vieler Richterinnen und Richter. Da machen sich die Folgen der Einführung des Unterrichtsfachs „Lebenskunde – Ethik – Religionen“ in den Schulen von Berlin und Brandenburg bemerkbar: Der christliche Glaube wird dort immer wieder einfach in die Schublade der Religionen gesteckt und als Mittel zur Verbreitung von Werten und Normen dargestellt. Und dieses vollkommen verzerrte Verständnis des christlichen Glaubens dient dann auch immer wieder als Grundlage zur Ablehnung von Asylanträgen von Gliedern unserer Gemeinde, wenn diese vergeblich versuchen, deutlich zu machen, dass es im christlichen Glauben um etwas ganz anderes, nein, um einen ganz anderen geht: eben um den Mensch gewordenen Gott, der nicht gekommen ist, um uns Werte und Normen zu vermitteln, sondern uns durch die Teilhabe an sich zu retten.

Ja, er ist es wirklich: der Sohn des lebendigen Gottes, der da vor Johannes steht und sich von ihm im Jordan taufen lässt. Er ist es wirklich. Das ist nicht nur die Meinung von Johannes, sondern es ist Gott der Vater selber, der sich zu Jesus als seinem Sohn vom Himmel herab bekennt, der mit der Sendung des Heiligen Geistes deutlich macht, wie untrennbar Vater, Sohn und Heiliger Geist miteinander verbunden sind. Nein, mit Moral, mit Werten und Normen hat das alles überhaupt nichts zu tun, was da am Jordan geschieht. Ganz im Gegenteil: Jetzt beginnt eine neue Zeit, eine Zeit, in der es nicht mehr um die Religiosität des Menschen, sondern um den Mensch gewordenen Gott geht.

 

II.

 Die Taufe Jesu markiert den Beginn unserer Rettung – das ist das Zweite, was wir heute an diesem besonderen Festtag feiern. Nun kann man natürlich mit Recht sagen, dass unsere Rettung auch schon vor der Taufe Jesu begonnen hat. Wir haben es ja jetzt gerade zu Weihnachten gesungen: „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis.“ Ja, natürlich begann unsere Rettung auch schon, als der Sohn Gottes in einer Krippe in Bethlehem lag. Und wenn wir wollen, können wir noch weiter zurückgehen: Unsere Rettung begann auch schon, als der Sohn Gottes im Leib der Gottesmutter Maria lebte und dort eben auch nicht bloß ein unpersönlicher Zellklumpen war. Ja, unsere Rettung begann in Wirklichkeit schon vor der Erschaffung der Welt, als Gott seinen Heilsplan für uns schon längst gefasst hatte: „Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.“ – So haben wir es ebenfalls gerade zu Weihnachten gesungen.

Und doch markiert die Taufe Christi einen besonderen Anfangspunkt des Weges zu unserer Rettung, den Christus selber geht. Zum ersten Mal begegnet er uns hier im Evangelium als erwachsener Mensch; ja, hier am Jordan beginnt nun der Weg, den die Evangelisten im Folgenden durchgängig schildern, der Weg, der Jesus schließlich vom Jordan bis nach Jerusalem, bis ans Kreuz führt. Und auf diesem Weg geht es um Gerechtigkeit, so macht es Jesus Johannes dem Täufer hier sehr eindrücklich deutlich. Mit Gerechtigkeit ist allerdings nun gerade nicht gemeint, dass Menschen sich richtig benehmen sollen. Sondern mit der Gerechtigkeit, von der Christus hier spricht, ist unser Verhältnis zu Gott gemeint, das er, Christus, mit seinem Weg am Kreuz in Ordnung bringt. Ja, um unsere Sünde, um unsere Trennung zu Gott geht es. Und diese Sünde nimmt er, der Sohn Gottes, auf sich, damit sie uns nicht länger von Gott trennen kann. Darum lässt er, der sündlose Gottessohn, sich im Jordan taufen wie die Sünder, darum wird er den Sündern gleich, damit wir für immer in der Gemeinschaft mit Gott leben können. Taufe bedeutet „Sterben“ – und Christus beginnt mit diesem Sterben, als er sich von Johannes im Jordan taufen lässt. Was wir hier erleben, ist schon ein Teil des Kreuzweges Jesu, eines Weges, der ihn schließlich bis dahin führt, wo er, der geliebte Sohn des Vaters, um unsertwillen schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“  

Ja, den Beginn dieses Weges zu unserer Rettung am Kreuz feiern wir heute am Fest der Taufe Christi – und wir feiern dabei zugleich, dass dieser Weg unseres Herrn nun wieder erneut zur Taufe führt: zu unserer Taufe, in der wir nun Anteil an dem bekommen, was er, unser Herr, für uns getan hat, angefangen bei seiner Taufe am Jordan: Ja, die Taufe Jesu im Jordan war und ist die Voraussetzung für all das, was in unserer Taufe geschehen ist: Weil Jesus sich in seiner Taufe im Jordan wie ein Sünder hat behandeln lassen, um unsere ganze Schuld auf sich zu nehmen, darum ist nun in unserer Taufe all unsere Sünde und Schuld von uns abgewaschen worden. Weil Jesus in seiner Taufe am Jordan seinen Tod gleichsam schon vorweggenommen hat, sind auch wir in der Taufe gestorben, um mit Jesus zu einem neuen Leben aufzuerstehen. Weil Gott der Vater in der Taufe Jesu öffentlich erklärt hat, dass Jesus sein geliebter Sohn ist, sind auch wir nun in unserer Taufe um Jesu willen Kinder Gottes geworden. Weil Gott in der Taufe Jesu den Heiligen Geist auf Jesus herabgesandt hat, haben nun auch wir um Jesu willen in der Taufe den Heiligen Geist erhalten. Und darum feiern wir heute am Tag der Taufe Jesu mit Recht auch unsere Taufe, danken Gott dafür, dass Gott uns in unserer Taufe alles geschenkt hat, was wir brauchen, um in den Himmel zu kommen. Ja, in unserer Taufe hat sich der Himmel auch über uns geöffnet – und unter diesem offenen Himmel dürfen wir nun auch weiter unser Leben als getaufte Christen führen, allen Widrigkeiten dieses Lebens zum Trotz. Ja, seit der Taufe leben wir in der Nachfolge unseres Herrn, bleiben uns in dieser Nachfolge Leid, Unrecht und auch der Tod am Ende nicht erspart. Aber das Ziel ist klar: Dort geht es hin, wo wir einmal nicht bloß die Stimme Gottes des Vaters hören werden wie einst bei der Taufe Jesu, sondern ihn selber mit eigenen Augen sehen werden – so gewiss wir getauft sind! Amen.

Zurück