St. Matthäus 4,12-17 (Deutsch-Persisch)| Fest der Taufe Christi | Pfr. Dr. Martens

Was wünscht ihr euch für das neue Jahr 2017? Viele von euch werden antworten: Wir möchten endlich in eine eigene Wohnung umziehen! Uns ist eigentlich egal, wo die ist. Hauptsache, wir sind endlich raus aus dem Heim, Hauptsache, wir können endlich umziehen!

In der heutigen Predigtlesung wird davon berichtet, dass Jesus auch umzieht in eine neue Wohnung. Das war damals noch nicht so schwierig wie heute hier in Berlin. Aber Jesus ist es auch nicht egal, wo er hinzieht. Er hat seine ganz genauen Vorstellungen, wo er hinziehen möchte. Er zieht nicht in die Hauptstadt nach Jerusalem. Er zieht nicht dorthin, wo die wohnen, die sich für besonders gut und anständig hielten. Sondern er zieht nach Kapernaum, mitten in Galiläa. Für einen frommen Juden war Galiläa damals das Allerletzte: Da wohnten Leute, die von den Gesetzen der Religion nicht viel Ahnung hatten. Da wohnten Leute, bei denen man nicht sicher sein konnte, ob das überhaupt richtige Juden waren oder nicht. Kein frommer Jude zog freiwillig nach Galiläa. Kein frommer Jude zog freiwillig nach Kapernaum.

Doch Jesus zieht dorthin. Er weiß: Er ist nicht zu seinem eigenen Vorteil in die Welt gekommen. Er will dorthin, wo die Menschen ihn besonders brauchen. Er will dorthin, wo es dunkel ist, wo Menschen leben, die von den anderen verachtet werden. Er will dorthin, wo die Menschen dringend ein Licht brauchen. Denn er ist ja das Licht der Welt. Dort, wo er ist, da wird es hell im Leben der Menschen. Dort, wo er ist, hat der Tod nicht mehr das letzte Wort; da fängt selbst im Schatten des Todes noch ein Licht hell an zu leuchten.

Wodurch wird es für die Menschen hell in ihrem Leben? Nicht einfach bloß dadurch, dass Jesus durch die Straßen von Kapernaum läuft. Sondern Jesus fängt an zu predigen, verbreitet das Licht, das er bringt, durch sein Wort: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ „Tut Buße“ – das klingt erst mal nicht so schön. Das klingt eher nach einer Drohung. Und es klingt vor allem so, als müssten wir etwas „tun“. Genauso heißt es ja auch auf Farsi: „Tobe kardan“. Und „tobe kardan“ – das kennt ihr auch schon aus dem Islam. Auch da geht es darum, dass man „tobe kardan“ muss, dass man „Buße tun“ muss, wenn man etwas falsch gemacht hat, um eine Chance zu haben, dass man am Ende nicht doch in der Hölle landet.

Doch wenn Jesus hier predigt: „Tut Buße!“ – dann meint er etwas völlig anderes. Im Griechischen steht da auch gar nichts von „Tun“, von „Kardan“. Da steht nur: Verändert eure Blickrichtung, verändert eure Lebensausrichtung! Stellt euch vor, ihr sitzt in einem ganz dunklen Raum. Es ist so dunkel, dass ihr noch nicht einmal erkennen könnt, wo die Tür ist. Doch dann öffnet sich die Tür mit einem Mal, und Licht fällt in den Raum. Ganz von selbst wendet ihr euch um und schaut dorthin, wo das Licht einfällt. Das meint „Buße“. Oder stellt euch vor, ihr sitzt über lange Zeit in einem Raum, in dem es völlig still ist. Ihr hört keine Stimme, und niemand spricht euch an. Doch dann vernehmt ihr mit einem Mal hinter euch die Stimme eines geliebten Menschen. Voller Freude dreht ihr euch um: Da ist jemand, einer, der mich lieb hat! Das ist „Buße“, wenn ihr euch zu diesem Menschen umdreht, die Blickrichtung verändert, um ihn anschauen, um ihn begrüßen zu können.

Und genau das verkündigt Jesus den Menschen hier: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, ja, es ist jetzt da. Dort, wo ich bin, ist Gott, dort, wo ich bin, ist die Rettung, ist das Leben! Ihr müsst nicht etwas tun, damit ihr in den Himmel kommt! Der Himmel kommt zu euch, er ist schon da. Schaut nur hin, schaut nur auf mich! Dann habt ihr ihn, dann findet ihr ihn – den Himmel! Jesus verkündigt also genau das Gegenteil vom Islam! Er sagt nicht: Das und das müsst ihr tun, diese und diese Gesetze müsst ihr einhalten – und dann kommt ihr in den Himmel. Sondern Jesus sagt: Der Himmel ist da, er kommt zu euch, ohne dass ihr etwas dazugetan habt. Freut euch, schaut hin, da ist er – ja, da bin ich. Wo ich, Jesus, bin, da ist der Himmel!

Was für eine frohe Botschaft! Was für ein Licht für Menschen, die bisher auch im Dunkel gelebt haben! Was für ein Licht für Menschen, denen gesagt wurde, sie müssten Fasten und Namas machen, sie dürften dies nicht essen und dies nicht trinken, sonst würden sie in der Hölle landen! Nein, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Gott kommt zu euch! Er wird Mensch, wird einer von euch, damit ihr in den Himmel kommen könnt!

Jesus kommt nach Galiläa, auch heute noch. Er kommt zu denen, denen die Großen und Mächtigen absprechen, dass sie richtige Christen sind. Er kommt zu denen, deren Schicksal die Großen und Mächtigen nicht kümmert. Er kommt zu denen, die aus ihrem Leben besonders gut wissen, warum sie das Licht brauchen, das er, Jesus, ihnen bringt. Ja, hier ist Galiläa, hier in Steglitz, hier in dieser Gemeinde. Hier nimmt Jesus Wohnung. Hier kommt er auch heute wieder in unsere Mitte. Hier spricht er jetzt zu uns in seinem Wort. Hier begegnet er uns, wenn wir seinen Leib und sein Blut im Heiligen Mahl empfangen. Jesus weiß, wie sehr wir ihn nötig haben. Und darum ruft er es auch uns immer wieder zu: Schaut doch bloß auf mich, richtet euer Leben ganz auf mich aus! Ich bringe euch den Himmel, ich bringe euch das ewige Leben! Blickt nicht zuerst darauf, ob ihr hier in Deutschland eine positive Antwort für euren Asylantrag bekommt! Blickt nicht zuerst darauf, wie viel Geld ihr hier in Deutschland verdienen könnt! Blickt nicht zuerst auf eure Krankheit, auf eure Schwäche, lasst euch nicht von euren Sorgen um die Zukunft gefangen nehmen! Nein, kehrt um, schaut auf mich! Ihr müsst nichts tun, um in den Himmel zu kommen. Hauptsache, ihr habt mich! Hauptsache, ihr seid, wo ich bin! Kommt dorthin, wo ich wohne, begegnet mir dort, wo ich euch beschenken will! Denn wenn ihr zu mir kommt, dann kommt ihr tatsächlich hier und jetzt – in den Himmel. Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Amen.

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