St. Matthäus 4,12-17 | Mittwoch nach dem Fest der Taufe Christi | Pfr. Dr. Martens

Vor einigen Wochen herrschte in unserem Land große Aufregung: Ein 20jähriger jugendlicher Hacker, so stellte sich später heraus, hatte im Internet persönliche Daten bekannter Politiker und Fernsehgrößen veröffentlicht. Nun ja, manche dieser Daten waren schon nicht mehr so ganz taufrisch – und wenn denn eine Handynummer im Internet bekanntgegeben wurde, dann konnten sich die Betreffenden relativ zeitnah ja auch einfach eine neue Handynummer zulegen. Schwieriger war es da schon, wenn im Internet die Wohnadresse eines Prominenten veröffentlicht wurde. Denn diese Adresse ließ und lässt sich eben in aller Regel nicht so einfach ändern; wenn da etwas bekanntgegeben wurde, was niemand wissen sollte, dann war das schon mehr als ärgerlich.

In unserer heutigen Predigtlesung wird auch die Wohnadresse eines Prominenten veröffentlicht – nein, nicht die Adresse eines B-Promis, sondern allen Ernstes die Wohnadresse dessen, der der lebendige Gott und das ewige Leben in Person ist. Ja, der hat tatsächlich eine Wohnadresse, so macht es uns St. Matthäus hier deutlich: Er wohnt in Kapernaum, so betont der Evangelist es hier ausdrücklich. Doch diese Bekanntgabe des Wohnortes geschieht hier nun nicht gegen den Willen des Betroffenen; sondern das ist ganz im Sinne dieses Herrn, um den sich hier in den Worten unserer Predigtlesung alles dreht. Nein, komme man nicht damit, dass das ja völlig veraltete Wohnortangaben sind, die wir hier bei St. Matthäus lesen. Gewiss, Jesus lässt sich heutzutage nicht mehr in derselben Weise in Kapernaum antreffen, wie dies damals vor knapp 2000 Jahren der Fall war. Aber aus der Wahl seines Wohnortes damals lässt sich eben auch heute noch sehr gut erschließen, wo wir ihn, den Herrn der Welt, denn heutzutage antreffen können. Seine Vorlieben haben sich in dieser Hinsicht in den letzten 2000 Jahren nicht verändert. Wir finden den Wohnort Jesu auch heute noch

  • im Hören auf Gottes Wort
  • an den Rändern
  • in der Dunkelheit


I.

Es gibt Menschen, heute und zu allen Zeiten, die mit einer erstaunlichen Sicherheit herausgefunden zu haben meinen, wo denn Jesus zu finden ist und was für Meinungen er zu bestimmten gesellschaftlichen Fragen hat. Die einen finden Jesus irgendwo bei einem Waldspaziergang, andere finden ihn da, wo sie sich ganz tief in sich selbst versenken, und andere finden ihn praktischerweise in ihrem Herzen, was ihnen das lästige Aufstehen am Sonntagmorgen erspart, wenn man mit dem wohligen Gefühl aufwachen kann, Jesus beim Liegen auf dem Kopfkissen gleich bei sich zu haben.

Doch so einfach können wir es uns nicht machen, so zeigt es uns St. Matthäus hier in unserer Predigtlesung. Sondern um verstehen zu können, wo Jesus zu finden ist, wo sein Wohnsitz ist, müssen wir uns an Gottes Wort halten, wie es in der Heiligen Schrift zu finden ist. Den Hinweis darauf, dass Gott seine große Rettungsaktion ganz im Norden Israels, in Galiläa, starten würde, konnte man schon dem Alten Testament, konnte man schon dem Buch des Propheten Jesaja entnehmen, der eben dies bereits zuvor schon angekündigt hatte. Ja, ganz woanders startet Gott seine Rettungsaktion, ganz woanders nimmt Gott Wohnung als dort, wo wir es erwartet hätten.

Und so ist es bis heute geblieben: Allein das Wort der Heiligen Schrift weist uns den Weg zum Wohnort Jesu. Jesus ist nicht dort zu finden, wo wir ihn am liebsten hätten, wo es für uns am bequemsten ist. Sondern Jesus nimmt gerade dort Wohnung, wo es erst einmal keiner erwarten würde: Dort, wo Wasser über den Kopf eines Menschen gegossen wird und dieser Menschen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zum ewigen Leben wiedergeboren wird. Dort, wo Brot und Wein mit den Worten Jesu selbst gesegnet werden und Jesus eben dadurch in einem Stück Brot, in einem Schluck Wein leibhaftig Wohnung nimmt. Dort, wo Menschen die Hände aufgelegt werden und ihnen im Namen des dreieinigen Gottes die Sünden vergeben werden – da ist er zu finden, der Herr der ganzen Welt, da ist sein Wohnort. Und darum hat Jesus, der Herr der Welt, auch heute noch eine feste Adresse: Südendstraße 19-21, 12169 Berlin. Da findest du ihn, wenn du auf Gottes Wort hörst, wenn du dich dorthin rufen lässt, wo er, der Herr, selber am Werk ist.


II.

Für das fromme Establishment in Jerusalem war es damals unfasslich, dass der Messias in Galiläa auftreten sollte, in dieser Gegend, in der sich jüdische und nichtjüdische Bevölkerung schon seit langer Zeit vermischt hatten, sodass man auch vom Galiläa der Heiden sprach. Nein, dort, ganz am Rande, ganz weit weg vom religiösen Zentrum in Jerusalem, da hatte doch der Messias nichts zu suchen! Der sollte doch, bitteschön, in Jerusalem erscheinen, in der Hauptstadt, im Zentrum!

Doch Jesus geht einen anderen Weg: Er geht an die Ränder, dorthin, wo sich das fromme Establishment selber niemals hinbewegen würde, zu Leuten, die religiös doch angeblich völlig unter seinem Niveau waren. Da am Rande, im Fischerdorf Kapernaum am See Genezareth, ist er zu Hause, dort sind die Leute, denen er sich zuwenden will.

Und an dieser Vorliebe Jesu hat sich bis heute nichts geändert: Die Menschen an den Rändern hat er besonders ans Herz geschlossen, kommt in besonderer Weise in ihre Mitte. Während das satte Establishment in unserem Land seinen Namen nur noch hier oder dort einmal gebraucht, um eigene politische Ansichten religiös zu überhöhen, während das satte Establishment in unserem Land sich seine eigenen religiösen Vorstellungen zusammenbastelt, sammelt sich Christus sein Volk unter denen, die ganz am Rande der Gesellschaft stehen, die verleumdet und abgelehnt und zur Quelle alles Bösen erklärt werden. Ja, die Ränder haben es Jesus angetan, und so lässt er sich immer wieder neu in der Mitte seiner bedrängten und verfolgten Brüder und Schwestern hier in unserer Kirche in Steglitz finden, bei denen, die keine Lobby haben, die oft genug auch von Vertretern der großen Kirchen verraten und verkauft werden. Da ist der Platz, an dem Jesus sein Zuhause hat! Nein, das ist kein Ausplaudern von Geheimnissen. Jesus selber möchte, dass wir wissen, wo sein bevorzugter Wohnort ist, wo er auch heute noch zu finden ist: Da, wo sich seine geringsten Schwestern und Brüder versammeln, um seinen Leib und sein Blut zu empfangen.


III.

Und noch etwas macht uns St. Matthäus hier deutlich: Er, Jesus, begibt sich ganz bewusst in die Finsternis, in das Land im Schatten des Todes. Gerade da soll sein Licht zu leuchten beginnen. Jesus sucht nicht das gleißende Scheinwerferlicht, das ihn erstrahlen lässt. Er ist nicht gekommen, um das Leben derer, die auf der Sonnenseite des Lebens sind, einfach noch ein bisschen schöner zu machen. Sondern er kommt zu denen, die selber merken, wie dunkel es um sie herum ist, die selber merken, wie ihre Schuld, wie ihr Versagen, wie die Macht des Todes es finster um sie werden lässt. Er kommt zu denen, die wissen, dass sie sich ihr Leben nicht selber hell machen können, sondern die ganz auf ihn, Christus, auf seine Erscheinung angewiesen sind. Und so nimmt Jesus eben auch in unserer Mitte Wohnung, inmitten von Menschen, deren Leben in so vielfältiger Weise verdunkelt ist, inmitten von Menschen, die selber gar keinen Ausweg mehr aus der Finsternis zu erkennen vermögen, die sie umgibt. Ja, so kommt er auch zu uns, um unser Leben zu erleuchten, um uns mit dem Licht seines Wortes Orientierung und Hoffnung zu schenken.

Die Politiker, deren Adressen neulich im Internet geleakt wurden, waren über diese Bekanntgabe wenig erfreut. Doch Jesus will, dass so viele Menschen wie möglich wissen, wo er zu finden ist: Inmitten derer, die im Finstern wohnen, inmitten derer, die ganz am Rande wohnen, ja, dort lässt er sich finden, wie es sein Wort uns deutlich macht: im Wasser der Taufe, in den Gestalten von Brot und Wein im Heiligen Mahl, in den aufgelegten Händen der Heiligen Absolution. Ja, genau das macht die Südendstraße 19-21 zu einer festen Adresse für ihn, das Licht der Welt. Amen.

Zurück