St. Matthäus 5, 1-12 | Gedenktag der Heiligen | Pfr. Dr. Martens

Zurzeit laufen gerade die Vorbereitungen für die 13. Staffel der großen RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“. Und wieder werden sich hunderte von mehr oder weniger begabten Sangeskünstlern auf den Weg in die Vorausscheidungen machen, um zu zeigen, wie gut sie doch sind, ja, dass sie es drauf haben, selber ein Superstar zu werden. Für diesen Traum riskiert man es dann auch gerne, von Dieter Bohlen in aller Öffentlichkeit heruntergemacht und gedemütigt zu werden.

Wie wäre es, wenn wir als Kirche auch mal eine Castingshow veranstalten würden: „Deutschland sucht den Superheiligen“? Ob es da auch einen so großen Andrang an Kandidaten geben würde? Und was für Bedingungen müssten sie denn erfüllen, wie würden die Prüfungen in der Vorausscheidung aussehen? Vielleicht so: Wer schafft es, zehn Gottesdienste in unserer Kirche mit mindestens 15 Taufen vom Beichtlied bis zum Schlusslied durchzustehen, ohne ein einziges Mal herauszulaufen? Oder wer schafft es, vier Wochen lang kein einziges Mal hinter dem Rücken eines anderen Menschen Tratsch zu verbreiten? Oder, passend zum gestrigen Reformationstag: Wer schafft es, am meisten Geld für die Kirche zu spenden? Oder: Wer macht das frömmste Gesicht?

Schwestern und Brüder: Wir merken schon: Das mit der Castingshow für den Superheiligen ist vielleicht doch keine so gute Idee. Zum einen gibt es wahrscheinlich gar nicht viele, die dabei mitmachen würden – und zum anderen schließt man sich dadurch als potentieller Heiliger schon von vornherein wieder aus, dass man versucht, zu zeigen, wie heilig man ist, wie fromm, besser jedenfalls als andere.

Und damit sind wir nun auch schon mitten drin im Heiligen Evangelium dieses Festtags. Da werden Menschen seliggepriesen von Jesus. Selig ist ja nach dem heutigen kirchlichen Sprachgebrauch eigentlich weniger als „heilig“. Bevor ein Mensch von der römisch-katholischen Kirche heiliggesprochen werden kann, muss er erst einmal seliggesprochen werden. Doch hier im Heiligen Evangelium ist es eigentlich genau umgekehrt: Nicht heilig zu werden, ist das Ziel des Lebens, sondern selig zu werden. Ja, heilig werden wir, damit wir selig werden.

Selig – das heißt: ungetrübt über alle Maßen glücklich in der Gemeinschaft mit Gott. Ja, genau das ist es, wo wir hinwollen. Doch Jesus sagt hier nicht: Wenn ihr dies oder jenes tut, wenn ihr dies oder jenes leistet, dann werdet ihr irgendwann einmal selig werden. Sondern er nimmt an Ort und Stelle eine Seligsprechung bei lebenden Menschen vor, bei Menschen, die gerade keine Castingshow durchlaufen haben, die gerade nicht gezeigt haben, dass sie viel besser sind als alle anderen, sondern die im Gegenteil von einem Dieter Bohlen wohl nur Hohn und Spott ernten würden. Ja, Christus zeigt uns hier, warum das mit einer Castingshow für Heilige niemals klappen kann: Man kann sich nicht selber zum Heiligen oder Seligen machen, sondern man wird dazu gemacht, ohne eigenen Willen, ohne eigenes Bemühen. Selig sind die geistlich Armen, diejenigen, die mit völlig leeren Händen vor Gott stehen, die nichts haben, womit sie ihn oder andere beeindrucken könnten, die ganz und gar auf Gottes Erbarmen, auf seine Gnade angewiesen sind.

Nicht eine Castingshow ist darum die richtige Art und Weise, um herauszufinden, wer denn nun ein wirklicher Heiliger ist. Allemal geeigneter ist ein Gottesdienst wie der heutige zum Gedenktag der Heiligen, bei dem wir uns vor Augen führen lassen, wie Gott mit Menschen umgegangen ist, die er in seine Gemeinschaft und schließlich in den Himmel geführt hat. Ja, eine Ermutigung sind sie für uns, auf Gottes Erbarmen und Hilfe zu vertrauen, eine Ermutigung sind sie für uns, uns wieder neu auf das eigentliche Ziel unseres Lebens zu besinnen.

Nein, ich muss nicht erst tot sein, um heilig oder selig zu sein, ganz klar. Aber am Gedenktag der Heiligen denken wir in besonderer Weise daran, dass das Leben in der Gemeinschaft mit Christus nicht bedeutet, dass es uns immer nur gut geht und wir keine Probleme haben. „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich“, sagt Jesus hier. Wir empfinden Verfolgung um des Glaubens willen erst einmal als etwas Furchtbares, als etwas, wogegen wir etwas unternehmen, wogegen wir protestieren müssen. Und in der Tat: Es ist unser Auftrag als Christen, anderer verfolgter Christen zu gedenken, ja für sie den Mund aufzutun, wenn sie es denn selber nicht können. Doch darüber sollen und dürfen wir zugleich nicht vergessen, was Christus uns hier vor Augen stellt: Er gratuliert seinen verfolgten Jüngern, sagt ihnen, dass sie allen Grund dazu haben, über alle Maßen glücklich zu sein – weil sie gerade im Leiden um Christi willen mit ihm, ihrem Herrn, in ganz besonderer Weise verbunden sind.

Ja, das ist schon auffallend, dass viele derer, die die Kirche als Heilige verehrt, gerade nicht in ihrem Bett gestorben sind, sondern gewaltsam zu Tode gebracht worden sind – nein, gerade nicht, weil sie sich selber in die Luft gesprengt hätten oder mit anderen kämpften, sondern weil sie Christus treu geblieben sind bis in den Tod. Das Zeugnis ihres Lebens und Sterbens macht uns Mut, auch bei Christus zu bleiben, uns durch nichts und niemand von ihm abbringen zu lassen.

Ich nenne nur zwei Beispiele: Da sind die 49 Christen, die sich im Jahr 304 in einem Haus in Abitene, einem kleinen Dorf im heutigen Tunesien, versammelten, zu einer Zeit, als es bei Todesstrafe verboten war, christliche Gottesdienste zu feiern. Sie feierten gerade das Heilige Altarsakrament, als Soldaten den Gottesdienst stürmten und sie gefangen nahmen. Sie wurden gefoltert und gefragt, warum sie sich den Anweisungen des römischen Kaisers Diokletian widersetzt hätten und Gottesdienst gefeiert hätten. Sie antworteten: Sine dominico non possumus. Ohne den Sonntag, ohne die Feier des heiligen Mahls, können wir nicht leben. Alle 49 wurden ermordet und durften doch gerade so den Gottesdienst weiterfeiern, der ihnen hier auf Erden verwehrt blieb. Was für eine Ermutigung auch für uns, niemals am Sonntag auf den Gottesdienst, auf die Feier des Heiligen Mahls zu verzichten, gerade hier in Deutschland, wo wir mit der Teilnahme am Heiligen Mahl nun nicht unbedingt unser Leben riskieren!

Und da sind die 21 koptischen Christen, die vor nicht einmal einem Jahr von muslimischen Extremisten gar nicht so weit entfernt von Abitene enthauptet wurden, die bis zum Schluss ganz ruhig und gefasst beteten und den Namen Jesu Christi anriefen. Sind wir vorbereitet, wenn wir in solch eine Situation kämen, ist uns das immer ganz klar, wer unsere einzige Hoffnung im Leben und im Sterben ist? Mögen uns diese Märtyrer mit ihrem Lebenszeugnis dazu ermutigen, uns auch durch alle furchtbaren Drohungen gegenüber den Ungläubigen im Koran niemals von unserem Bekenntnis zu Jesus Christus abbringen zu lassen!

Ja, selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. Sie dürfen den nun schon schauen, den sie mit ihrem Leben und Sterben bezeugt haben.

Und wenn ich hier und heute auf die Gemeinde schaue, dann kann ich in der Tat gleich mit den Worten Jesu fortfahren: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden!“ Gleich mehrere Male haben wir es in dieser Woche erlebt, wie Christen aus unserer Gemeinde in Asylbewerberheimen von Muslimen bedroht und angegriffen wurden, wie sie für ihren Glauben leiden mussten an Leib und Seele. Und nicht wenige gibt es unter euch, die solche und zum Teil noch sehr viel schlimmere Verfolgung um ihres Glaubens willen bereits in ihrer Heimat erfahren haben. Nein, da läuft nichts falsch, wenn so etwas geschieht, sagt Jesus. Seid fröhlich und getrost – auch und gerade in allem Leiden. Denn was diese Menschen euch auch angetan haben oder noch antun mögen – eines können sie nicht verhindern: Dass ihr selig werdet, ja, dass ihr hier und jetzt schon selig seid.

Ihr seid nicht allein. Ihr steht in einer unüberschaubar großen Schar von Glaubenszeugen vor euch, die genau dasselbe durchlitten haben, die Leid getragen haben wie ihr hier auch. Sie, die dies vor euch erfahren haben, können es jetzt schon selber bezeugen: Ja, sie werden getröstet werden.

Nicht um Ruhm, nicht um Geld, nicht um Beifall der Menschen geht es uns, geht es denen, die selig werden wollen. Es geht ihnen darum, dass sie getröstet werden – getröstet dadurch, dass sie Gott schauen werden.

Ja, du bist jetzt schon heilig, so gewiss du getauft bist. Du bist jetzt schon selig, so gewiss dir Christus hier und jetzt schon immer wieder deine leeren Hände füllt mit seiner Vergebung, dich sättigt mit seinem Leib und Blut im Heiligen Mahl. Du musst dafür nichts tun, wirklich gar nichts. Aber freuen darfst du dich darauf, dass du dann auch einmal sehen wirst, was dir jetzt noch im Glauben verborgen bleibt, dass du es einmal mit eigenen Augen wahrnehmen wirst, wie dich dein Herr und Heiland Jesus Christus in deinem Leben geführt hat – bis ins Himmelreich. Ja, freuen darfst du dich darauf, dort auch die zu sehen, die dich hier auf Erden in deinem Glauben immer wieder ermutigt haben. Ja, selig bist du, als Glied der einen Kirche Jesu Christi – im Himmel und auf Erden. Amen.

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