St. Matthäus 7,24-27 | 9. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens
Als im vergangenen Jahr unser neuer Gemeindesaal gebaut wurde, da staunte ich bei den Bauarbeiten nicht schlecht: Da baggerte die Baufirma zunächst einmal eine ganz tiefe Baugrube in dem Bereich, in dem später der Gemeindesaal einmal stehen sollte. Wozu das denn bloß, fragte ich mich zuerst. Wir hatten doch gar keinen Keller für den Gemeindesaal bestellt. Doch dann wurde in dieser Baugrube ein dickes Fundament gegossen; danach wurde der Rest der Grube wieder aufgefüllt. Von diesem Fundament kann man jetzt nichts mehr sehen. Aber es war und ist doch für unseren Gemeindesaal von entscheidender Bedeutung, denn ohne dieses Fundament könnte es sehr wohl passieren, dass bei Unwettern und anderen Naturereignissen, ja dass auch durch die ganz alltägliche Belastung die Wände des Gemeindesaals ihre Stabilität verlieren und am Ende einstürzen. Ja, wie gut, dass wir nicht einfach mal schnell, schnell ein paar Steine aufeinandergesetzt haben, sondern viel Geld für die Vorarbeiten ausgegeben haben! Das zahlt sich am Ende aus.
Um einen Hausbau geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Sonntags, um einen Hausbau unter den besonderen Bedingungen des Heiligen Landes Israel. Solch ein Hausbau war damals oftmals gar nicht so einfach: An vielen Stellen war der Boden felsig, und auf einem Felsboden ein Haus zu errichten, das war mühsam, das war mit viel Arbeit verbunden. Groß war von daher die Versuchung, Häuser auf einem weicheren Untergrund zu errichten, etwa in einem Wadi. Wadis sind ausgetrocknete Flussläufe, durch die oft viele Jahre hinweg kein Wasser fließt. Aber dann kann es sein, dass es oben im Gebirge doch einmal kräftig regnet – und mit einem Mal schießt eine Sturzflut den Wadi herab und reißt alles mit sich mit, was sich ihr in den Weg stellt. Völlig kurzsichtig ist es von daher, ein Haus dort zu errichten, wo die Gefahr besteht, dass es irgendwann einmal den Naturgewalten nicht wird standhalten können. Dort zu bauen, wo es schneller und bequemer ist, wo man ein beeindruckendes Gebäude sehr schnell errichten kann, von dem am Ende doch nichts übrigbleibt, ist letztlich Wahnsinn, und kein vernünftiger Bauherr würde das tatsächlich tun.
Nun will Jesus seinen Jüngern und uns hier in dieser Predigtlesung keinen Grundkurs in Architektur vermitteln. Er spricht natürlich von unserem Leben, vergleicht unser Leben mit einem Haus, das wir bauen, verweist darauf, dass wir bei dem Bau des Hauses unseres Lebens nicht naiv sein sollen, nicht auf Schnelligkeit achten sollen, nicht auf Bequemlichkeit, sondern zuerst und vor allem das richtige Fundament für unser Lebenshaus finden sollen.
Was für eine passende Predigtlesung ist das gerade für viele Glieder unserer Gemeinde: Jung sind sie – und entwurzelt zugleich, mussten ihre Heimat verlassen und stehen hier in Deutschland nun vor einem Neuanfang. Und was sie da immer wieder als erstes suchen, ist eine eigene Wohnung. An ein eigenes Haus, an einen eigenen Hausbau gar wagen sie überhaupt nicht zu denken. Aber auch in der Suche nach der Wohnung wird ja diese Sehnsucht erkennbar, sich nun endlich ein neues Leben aufbauen zu können.
Und da fragt Jesus nun einen jeden von euch: Ist das Lebenshaus, das ihr jetzt für euch hier in Deutschland errichten wollt, wirklich sturm- und wetterfest? Hat es ein solch festes Fundament, dass es am Ende nicht weggeblasen wird, dass am Ende nicht bloß Trümmer übrigbleiben?
Ja, das ist eine sehr ernste Warnung, die Jesus hier an uns alle richtet. Wenn man solch einen Gemeindesaal wie den unsrigen errichtet, dann muss man dabei alle möglichen Sicherheitsauflagen beachten, auch für Fälle, die extrem unwahrscheinlich sind, die vermutlich niemals eintreffen werden. Aber auch für solch einen Fall soll das Gebäude sicher sein und stehen bleiben.
Jesus sagt: In eurem Leben wird dieser letzte entscheidende Test für euer Lebenshaus, dieser letzte Sturm hundertprozentig kommen. Am Ende eures Lebens steht Gottes Gericht, und in diesem Gericht wird sich einmal herausstellen, worauf euer Leben gegründet war, ob euer Leben ein festes Fundament hatte oder nicht. Und die Stürme, sie kommen eben auch nicht erst am Ende unseres Lebens. Diesen Stürmen ist unser Lebenshaus auch jetzt schon immer wieder ausgesetzt, und sie kommen oft schneller, als man denkt.
Alles, wirklich alles hängt vom Fundament ab. Das ist mühselig, das kostet Zeit und Kraft, das erscheint oft genug überflüssig. Ist es aber nicht.
Da hat ein Gemeindeglied endlich nach langem Warten die ersehnte positive Antwort vom Bundesamt erhalten, dass es hier in Deutschland bleiben darf. Und nun muss scheinbar ganz schnell all das nachgeholt werden, was man in der Zeit zuvor versäumt hatte: Jetzt muss Geld verdient werden, jetzt muss eine neue Existenz aufgebaut werden, jetzt kann man endlich all das machen, wonach man sich so lange gesehnt hatte. Schnell möchte man das neue Lebenshaus hochziehen – und da ist es einfach zu langwierig, zu mühselig, immer noch bei Christus zu bleiben, immer noch seiner Einladung zu folgen. Jetzt ist anderes, Wichtigeres dran. Und in der Tat: So manchem gelingt es, in gar nicht langer Zeit ein recht beachtliches Lebenshaus zu errichten – mit Beruf, Familie und manchem mehr, was zu solch einem Lebenshaus dazugehört. Doch wenn man dabei und dafür auf das Fundament verzichtet hat, dann ist ein solcher Lebensaufbau mehr als kurzsichtig: Gott wird sich einmal nicht davon beeindrucken lassen, dass du dich hier in Deutschland so gut und schnell integriert hast, dass du gut Geld verdient hast, dass du ein schönes Familienleben gepflegt hast. Wenn das dein Lebenshaus ist, das du auf Kosten deiner Beziehung zu Jesus Christus gebaut hast, dann wird davon am Ende nichts mehr übrigbleiben, dann wirst du am Ende feststellen müssen, dass du dein Leben verfehlt hast. Ja, es mag sehr wohl sein, dass du das schon während deines Lebens erfährst, wenn du in Krisen und Schwierigkeiten gerätst, dass dir all das, was dir nun erst einmal so wichtig erschien, da, wo es schwierig wird, da, wo dir der Wind ins Gesicht bläst, dann nicht mehr weiterhilft.
Glaubst du allen Ernstes, dein Leben hat am Ende Bestand, wenn das Wort deines Herrn Jesus Christus darin gar keine Rolle mehr gespielt hat? Glaubst du allen Ernstes, du könntest Christus, deinem Herrn, am Ende erzählen, du hättest für ihn und sein Wort keine Zeit gehabt, anderes wäre für dich wichtiger gewesen?
Es ist sehr schön, Schwestern und Brüder, dass wir hier in unserer Gemeinde nicht nur die neuen Häuserbauer haben, sondern auch diejenigen, deren Lebenshaus nun schon viele Jahrzehnte steht, Menschen, die ihr Lebenshaus ganz fest auf die Worte Christi gegründet haben und auf diesem Fundament ihr ganzes Leben gestaltet haben. Schaut auf diese Menschen, liebe neue Gemeindeglieder, schaut darauf, wie ein Leben aussehen kann, das fest auf Christus gegründet ist! Das ist in aller Regel kein spektakuläres Leben – aber wenn ihr mit diesen Menschen zu tun habt, dann werdet ihr merken, wie gut es diese Menschen haben, dass sie ein solches Fundament in ihrem Leben haben. Das trägt sie, gerade auch da, wo alle Schönheitsreparaturen am Lebenshaus nichts mehr bringen – ja, das lässt sie mit Recht auch ganz getrost dem letzten Sturm ihres Lebens entgegenblicken.
Seid darum nicht dumm, seid darum nicht kurzsichtig. Baut euer Lebenshaus nicht mitten in einen Wadi, weil es so schön bequem ist! Verliert Gottes letztes Gericht doch ja nicht aus den Augen! Es ist und bleibt am Ende doch nur dies eine wichtig: Dass wir mit unserem ganzen Leben auf Christus gegründet bleiben, dass Christus mit seinem Wort unser ganzes Leben prägt und bestimmt. Nein, es reicht eben nicht, dass ihr sagen könnt, ihr hättet ja irgendwann mal im Taufunterricht die Worte Christi gehört. Wenn die Worte Christi nach eurer Taufe nicht mehr euer Leben bestimmen, dann reicht das Hören nicht aus.
Seid von daher kluge Häuserbauer, lasst euch von nichts und niemandem einreden, ihr könntet am Fundament sparen! Lasst euch durch nichts und niemand davon abbringen, immer wieder den Leib und das Blut eures Herrn zu empfangen, seine Vergebung zu empfangen! Lasst euch durch nichts und niemand davon abbringen, die Worte Christi in eurem Leben immer besser kennenzulernen! Der Sturm wird kommen – vielleicht schneller, als ihr es ahnt. Doch wer bei Christus bleibt, wer sein Leben auf Christi Wort gründet, dem braucht in seinem Leben niemals bange zu sein. Der wird einmal einziehen dürfen in eine neue Wohnung in Gottes neuer Stadt, mit unbefristetem, ja, ewigem Aufenthaltsrecht. Der wird niemals mehr eine Abschiebung fürchten müssen, der wird niemals bloß geduldet sein. Das ist doch unsere Lebensperspektive und nicht der schnelle Plattenbau ohne Jesus, der uns einmal über unseren Köpfen einstürzen wird. Mensch, seid doch einfach klug und vernünftig! Es geht um eure echte Zukunft! Amen.